Tag der deutschen Einheit Stuttgart: Besucher fragen – Wissenschaftler antworten (VI)

Auch an den Küsten Mexikos findet man immer häufiger Makroplastik (Foto: Jonas Martin, GEOMAR) Auch an den Küsten Mexikos findet man immer häufiger Makroplastik (Foto: Jonas Martin, GEOMAR)

Strände voller Plastik, tote Tiere und Müllhalden unter Wasser: Durch den Plastikmüll, der durch Menschen in die Ozeane hineingetragen wird und teilweise jahrzehntelang umherzirkuliert, können ganze Müllberge entstehen und Ökosysteme zerstört werden. Tiere sterben, Strände verdrecken – das sind nur einige der Konsequenzen. Doch wie wird dagegen vorgegangen? Welche Sanktionen gibt es für „Verschmutzer“?

In der letzten Folge unserer Reihe „Besucher fragen – Wissenschaftler antworten“ vom Tag der deutschen Einheit in Stuttgart dreht sich also alles um die Verschmutzung der Meere:

Wie verschmutzt sind die Meere wirklich?
„Ich würde sagen: Sie sind ziemlich verschmutzt. Man findet Plastikmüll mittlerweile in den entferntesten Winkeln der Weltmeere – auch in der Tiefsee. Es gibt damit eigentlich keinen Lebensraum mehr im Ozean, der noch völlig frei von Plastik ist. Allerdings schwankt die Stärke der Verschmutzung sehr stark: Gerade in der Nähe von Großstädten findet man oft sehr viel Müll, während andere, zivilisationsferne Gebiete hingegen kaum verschmutzt sind.
Es gibt eine ganze Reihe an Studien, die versuchen, Zahlen zu dieser Frage liefern. Dabei sind einige Angaben jedoch Schätzungen, da man nicht das gesamte Müllvolumen im Meer erfassen kann. Trotzdem ist das Bild alarmierend: Laut der National Oceanic and Atmospheric Administration befinden sich zurzeit etwa 100 Millionen Tonnen Plastikmüll an der Meeresoberfläche oder in der Wassersäule. Plastik, das leichter oder gleichschwer wie Wasser ist, kann sich jahrzehntelang dort aufhalten und umhertreiben. Dies sind aber nur etwa 15 Prozent des gesamten Müllvolumens, der Rest befindet sich an den Küsten oder in der Tiefsee. So findet man im nordatlantischen Müllstrudel (North Atlantic Garbage Patch) ungefähr 20 000 Plastikteile pro Quadratkilometer Meeresoberfläche, während man an den Küsten der EU mit 500 – 1000 Müllteilen pro 100 m Strandabschnitt rechnen muss (Callum, 2012). Man geht übrigens davon aus, dass bis zu zehn Prozent der globalen Plastikherstellung, das sind 26 Millionen Tonnen pro Jahr, am Ende im Meer landen (Quelle: Thompson, 2006).
Wie verschmutzt die Meere also wirklich sind weiß niemand ganz genau, aber es ist definitiv viel zu viel.“
Dr. Mark Lenz, Meeresbiologe am GEOMAR und GAME-Koordinator

 Welche Auswirkungen hat Plastikmüll auf den Ozean und die Meeresbewohner?
„Dabei muss man zwischen Makro- und Mikropastik unterscheiden.
Die Folgen der Verschmutzung mit Makroplastik sind ganz gut bekannt:
Tiere fressen den Müll, weil sie ihn für Nahrung halten und sterben dann an den Folgen. Dies ist meist ein Verschluss des Magens oder des Darms. Viele Tiere verhungern auch, weil der Magen sich mit Plastik füllt und sie so keine richtige Nahrung mehr aufnehmen können. Das betrifft vor allem größere Räuber wie Knochenfische, Haie, Vögel, Schildkröten und Wale. Fische sind davon auch betroffen, allerdings nicht so stark.
Der Müll hat aber auch andere Auswirkungen: Treibender Müll, vor allem aufgegebene Fischernetze, sind tödliche Fallen für viele Meerestiere, die sich darin verfangen, ersticken oder verhungern. Der treibende Müll hilft zudem Arten dabei, sich zu verbreiten und fördert damit Bioinvasionen. Invasive Arten sind solche, die mit oder ohne menschliche neue Gebiete besiedeln. So verändern sich die marinen Ökosysteme auch aufgrund der indirekten Effekte der Plastikverschmutzung.
Zu den Effekten von Mikroplastikmüll weiß man im Gegensatz zum Makroplastikmüll noch wenig. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist, dass sich organische Schadstoffe auf Plastik anreichern und über die Mikropartikel in die Nahrung vieler Tiere gelangen. Hier könnte ein möglicher schädlicher Effekt der Mikroplastikverschmutzung liegen. Genau an solchen Fragestellungen arbeiten wir gerade.“
Dr. Mark Lenz, Meeresbiologe am GEOMAR und GAME-Koordinator

Übrigens: Wer sich noch mehr für Plastikmüll im Meer interessiert, für den lohnt sich in jedem Fall ein Blick in den GAME-Blog. Dort berichten Dr. Mark Lenz und viele Teilnehmer des GAME-Projektes über ihre Arbeit, Neuigkeiten aus der Forschung und Erfahrungen aus aller Welt.

Wer könnte die Vermüllung der Meere stoppen?
„Die internationale Rechtslage scheint klar: Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, Umweltverschmutzung vom Land aus zu verhüten und zu verringern. In vielen Fällen setzen regionale Kooperationen dies um: Die Ostsee, der Nordostatlantik und das Mittelmeer werden zum Beispiel durch spezifische Abkommen geschützt. Diese Umsetzung gelingt im europäischen Raum nicht immer zufriedenstellend. In vielen anderen Regionen fehlt es ebenfalls an effektiven Abkommen. Den Staaten wird dabei oft mangelnder Wille zum effektiven Umweltschutz vorgeworfen.
Es gibt aber auch viele Fälle, vor allem in Entwicklungsländern, in denen es ganz grundlegend an den Möglichkeiten fehlt, die vielfältigen Probleme überhaupt zu bewältigen. Das betrifft in diesem Fall die Bereiche Abfallwirtschaft, Kanalisationssysteme, die Einleitung von Industrieabfällen in Flüsse und die Verschmutzung von Stränden.
Das einzige was hier in Zukunft hilft, sind verstärkte und effektivere Kooperationen.“
Johannes Fuchs, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Walther Schücking Institut für Internationales Recht an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

 

Ein typischer Fund am Henne Strand an der Dänischen Küste (Foto: Mark Lenz, GEOMAR)

Ein typischer Fund am Henne Strand an der Dänischen Küste (Foto: Mark Lenz, GEOMAR)

 

Gibt es Sanktionen für „Verschmutzer“?
„Ja, auf jeden Fall. Auf sämtlichen Ebenen, das heißt lokal, regional, national und international, gibt es Sanktionen für die Vermüllung. Dabei sind jedoch nicht alle Aspekte geklärt. Es gibt überall Lücken und undeutliche Stellen im Gesetz was dieses Thema angeht. Trotzdem gibt es aber einen deutlichen Zuwachs der Rechtssprechungen im internationalen Recht, was das Thema Verschmutzung der Meere angeht.“
Erik van Doorn, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Walther Schücking Institut für Internationales Recht an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

 

Erik van Doorn fasst das Thema “Vermüllung der Ozeane” noch einmal zusammen: „In the end, it is of course only the polluter that can stop marine pollution“ – treffender hätte man den Abschlusssatz wohl nicht formulieren können…

 

Ich hoffe ihr habt durch die kleine Serie “Besucher fragen – Wissenschaftler antworten” genauso viel gelernt und mitnehmen können wie ich!

Wer die ersten Teile verpasst hat: Hier gibt es noch einmal eine kleine Übersicht zum Nachlesen:

Folge I:      Meeresbewohner – von Granatbarschen, seekranken Fischen und anderen Tieren

Folge II:    Fische als Nahrungsmittel – welche Fischarten kann man ohne schlechtes Gewissen genießen?

Folge III:  Lebensmittelsicherheit bei Fischen – wer kontrolliert’s?

Folge IV:  Alles rund um die sieben Weltmeere, Salzgehalt und Kissenlaven 

Folge V:    Von Tiefseetauchbooten und marinen Rohstoffen

 

Viele Grüße vom Kieler Ostufer,
Gesa Seidel