Saving Pvt. Hans

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– oder auch: Wie wir einmal ein Ozeanbodenseismometer aus 1129 m Tiefe retteten

 

Der Reihe nach:

 

Liebe Leserinnen und Leser,

 

eure LieblingswissenschaftlerInnen von SO252 melden sich mit neuem Wissenschaftlerzeug aus der Bismarcksee!

Im Zuge unserer Messungen vor Ritter Island haben wir vor etwa zwei Wochen auch insgesamt 11 Ozeanbodenseismometer ausgebracht und auf den Meeresboden versenkt.

Da wir den OBS-Begriff hier nun schon zum zweiten Mal einfach in den Raum werfen, ist es wohl höchste Zeit für eine Erklärung:

Ozeanbodenseismometer (OBS) sind Messgeräte in der marinen Seismik. Sie bestehen in der Regel aus einer Kombination von Messgeräten, die auf dem Meeresboden platziert werden und als Empfänger für seismische Wellen dienen. Seismische Wellen werden nämlich nicht nur reflektiert (was wir uns ja z.B. in der 2D-Seismik zu Nutze machen), sondern auch refraktiert. Das bedeutet, dass die Welle in einem bestimmten Winkel an einer geologischen Schichtgrenze gebrochen wird, an dieser entlangläuft und dabei kontinuierlich geringfügige Reflektionen verursacht. Diese werden dann vom OBS aufgezeichnet.

Für die Nutzung eines OBS muss – fast genau wie bei der 2D-Seimik – zunächst ein seismisches Signal erzeugt werden. Das tun wir hier wieder mit unserer Luftkanone. Aber auch natürliche seismische Aktivität, wie z.B. die Aktivität eines Vulkans (ihr erinnert euch an das Foto der Langila-Eruption vor ein paar Tagen? Was für ein Timing! Wir hoffen jedenfalls, bei der Auswertung darauf zu stoßen) oder Erdbeben werden vom Seismometer auf dem Meeresgrund gemessen.

Ziel der Messung ist die Erstellung sowohl eines Geschwindigkeitmodells, als auch eines Schichtmodells des Untergrundes.

Wie ist so ein OBS denn eigentlich aufgebaut?

Ok, IHR habt gefragt.

In der Regel besteht die Empfangskomponente eines OBS aus mind. einem Geophon und mind. einem Hydrophon. Ein Geophon wandelt dabei die Schwingung der eingehenden seismischen Welle in ein elektrisches Signal um, während ein Hydrophon die durch eine seismische Welle erzeugte Druckänderung im Wasser misst und ebenfalls in ein elektrisches Signal umwandelt. Um die gemessenen Daten zu speichern gehört zum Aufbau ein mit einer Speicherkarte versehener Rekorder, der samt Energieversorgung in einem Druckrohr untergebracht ist. Die Messgeräte der OBS-Systeme sind an einem mit Auftriebskörpern versehenen Rahmen montiert, um nach Beendigung des Einsatzes auf dem Meeresboden einen raschen Aufstieg an die Wasseroberfläche zu gewährleisten. Um das OBS zunächst auf Meeresbodenniveau zu versenken, wird das System mit einem Gewicht, quasi einem Anker, beschwert. Die Verbindung zwischen Anker und Rahmen wird mittels eines sog. Releasers verwirklicht. Die Hauptkomponente dieses Releasers stellt ein Haken dar, der OBS und Gewicht verbindet. Bei Empfang eines bestimmten Signals von der Wasseroberfläche wird dieser Haken gelöst, das System steigt durch seine Auftriebskraft an die Oberfläche empor und das Gewicht verbleibt auf dem Meeresboden. Unsere OBS-Systeme sind mit sog. Sendern und Blitzern ausgestattet. Die Sender senden ein Funksignal, aus dem wir an Bord schließen können, in welcher Richtung unser Gerät im Wasser treibt. Die Blitzer senden bei Dunkelheit und oberhalb der Wasseroberfläche einen hellen Lichtblitz aus, um eine Sichtung und Bergung auch bei widrigen Wetterbedingungen und Dunkelheit zu ermöglichen. Außerdem ist am Rahmen des Gerätes eine Fahne montiert, um das OBS auch bei Wellengang ausmachen zu können (das diese Fahne auch mal noch einem viel wichtigeren Zweck dienen könnte, hätten wir uns nicht träumen lassen).

 

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OBS-Chefin Bettina setzt Gerät aus. Oben links sind Druckrohr (mit Rekorder), Seismometer und Hydrophon zu sehen, Auftriebskörper (rot), sowie Anker und Fahne.

 

Soweit die Theorie. Ihr habt bis hier her durchgehalten? Puh, Glück gehabt.

Vor ein paar Tagen haben wir unseren OBSen dann das Auslösesignal geschickt – und alle haben brav geantwortet.

Geantwortet? Ihr habt richtig gelesen. Als Reaktion auf das Auslösesignal sendet der Releaser ein Antwortsignal, dass auf der Anzeige unserer Auslöseeinheit ungefähr so aussieht:

 

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Übersetzung: „Hallo, ich hab euch gehört, stehe senkrecht auf dem Boden, bin nicht blockiert, so-und-so weit von euch entfernt und komme gleich hoch! Freu mich auf euch! Hab euch lieb!“

Akustisch erhalten wir für jedes Kästchen einen Piepton – was mitunter dafür gesorgt hat, dass das OBS-Team über weite Teile dieser Ausfahrt nur auf diese Weise kommuniziert hat.

Neben den Bezeichnungen OBS 1-11 wurden natürlich auch Spitznamen an die Geräte vergeben: Rumo, Ursula, Wonder Woman, Hunger Hilde oder R2D2 machten es sich auf dem Meeresboden gemütlich.

Zehn der Geräte hielten sich auch an das, was sie uns per Signal versprochen hatten. Diese Zehn konnten wir dann problemlos im Laufe eines Tages zurück an Bord bringen. Nur OBS 2 – „Hans*“ – wollte einfach nicht auftauchen.

(*Keine Angst, gemeint ist Hans der Hai, nicht der Ozeanograph. Obwohl wir ihn nach dem Mörderspiel vermutlich auch gern an einen Anker gebunden und über Bord geworfen hätten. Sorry Hans!)

Also mussten wir uns am nächsten Morgen zu einer Such- und Rettungsmission zusammenfinden. Unter dem Motto „Saving Pvt. Hans“ wurde dafür der Tiefseeroboter HyBis klargemacht. Zuvor konnten wir die Position von „Hans“ auf ein Gebiet von wenigen Zehnermetern eingrenzen. Dann fuhren wir mit HyBis, der mit verschiedenen Kameras, Antriebsdüsen und einer Baggerschaufel bestückt auf eine Tiefe von 1129 Metern hinabgelassen wurde, ein Suchraster ab. Nach zweistündiger Suche fanden wir Hans.

 

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Diese Bilder lieferte uns HyBis aus über 1100 Metern Tiefe.

 

In ca. zwei Meter Höhe über dem Meeresgrund trieb unser Problemkind und versuchte aufzusteigen – wurde dabei allerdings von seiner eigenen Schwimmleine, mit der die Geräte im Normalfall von der Wasseroberfläche geborgen werden, die sich offenbar sehr unglücklich um den Anker geschlungen hatte, aufgehalten. „Uff! Und nun?“ beschreibt den Ausdruck auf den Gesichtern aller beteiligten wohl recht gut.

Unserem versierten P-Cabel-Techniker und HyBis-Experten gelang es dann, die Fahne von Hans mit seiner Schaufel einzuklemmen und so das ganze Gerät – samt Anker – nach oben und zurück an Bord zu ziehen.

 

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Im HyBis-Labor. Chef (links): „Wer hat denn den Hiwi ans Steuer gelassen!?“

 

Das OBS-Team möchte sich an dieser Stelle noch einmal bei allen beteiligten Crew-Mitgliedern, Technikern und Wissenschaftlern für ihren heldenhaften Einsatz bedanken. Ihr habt – wie immer – einen großartigen Job geleistet und dem OBS-Einsatz ein Happy End beschert!

 

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Mission erfolgreich: HyBis zieht OBS 2 an Bord.

 

Soweit erstmal,

eure WissenschaftlerInnen von SO252

 

AutorInnen: Michel Kühn, Bettina Schramm, Anne Völsch, Theresa Roth

Fotos: Thore Kausch, Anne Völsch, Theresa Roth

3 thoughts on “Saving Pvt. Hans

  1. Moin und Ahoi Sonne!
    Liebe Wissenschaftler und Retter der Weltmeere: Gut gemacht!
    Ein schöner und interessanter Bericht. Vielen Dank, auch an Chefe von Fahrt für wundererbares Wochänberichtä :-).
    Nun auf Transit wird ja wohl keiner mehr kielgeholt oder zum nach Hause schwimmen (gleich rechts durch die Torresstraße) außenbords gelassen. Neee, nun nicht mehr! Jetzt können wir uns wieder ganz in Ruhe der Kanzlerfrage widmen. Oh wie schön ist Panama… Currywurst für alle!
    Grüße aus O in D vom Rächer der Entlaubten (ehemals)

  2. Ach ja, Dank auch an die Schiffsmannschaft und dem Kap’tän. Gute Reise + gute Heimreise. Frohen Weihnachten und ein gutes Neues Jahr!
    RB aus O

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