FS Sonne, 13. Januar 2015, 11° 57.51′ N 48° 54.45′ W

Morge

Ein „ganz normaler“ Arbeitstag?

5:30 Weckerklingeln! Ich rolle mich auf die Seite, der Schiffsbewegung folgend, und nutze den Schwung, um in Richtung Nasszelle zu gelangen. Mein erster Weg heute Morgen wird mich in den Kühlraum führen. Wie gut, dass die Arbeitswege hier an Bord so kurz sind. Kaum habe ich mich warm angezogen, in Fleecejacke meine Kammer auf dem „blauen Deck“ verlassen, bin ich schon an der Treppe zum „grünen Deck“ einen tiefer und es sind nur etwa 30 Schritte bis zum Kühlraum. Nach 12 Stunden Erstfixierung der Proben tausche ich den Ethanol und fülle mir kleine „Pinkelbecher“ zum Messen ab, die ich mit nach oben ins Trockenlabor IV nehme, um sie vor dem Frühstück warm zu stellen, da ich nur bei Raumtemperatur eine korrekte Messung machen kann.
Ups, schon kurz vor 7:00. Frühstück! Ich freue mich auf Pfannkuchen mit Pflaumenmus und dazu Obst. Heute Grapefruit und Mango und natürlich einen schwarzen Tee dazu. Am Frühstückstisch besprechen wir die kommenden Ereignisse des Tages. Heute Nacht werden wir wieder auf Station sein und bis dahin ist viel zu tun. Gegen 7:30 gehe ich wieder runter ins Labor und messe den Ethanolgehalt der Proben – alle über 80%. Sehr schön. Zufrieden packe ich alles wieder weg, gehe auf meine Kammer und schnappe mir Yoga-Buch und Decke. Nächstes Ziel: 8:00 Uhr Peildeck, morgendliche Yoga-Stunde. Wir sind eine bunt zusammengewürfelte Truppe mit einem festen Kern von 6 Leuten plus Gelegenheitsteilnehmer und -innen, die jeden Morgen die angenehme Wärme und frische Luft nutzen, um sich auf einen langen Labortag vorzubereiten. Bis jetzt ist unser Konzept gut aufgegangen: trotz langer Tage am Mikroskop hat bisher niemand Rückenschmerzen bekommen. Und gelenkiger sind wir in den letzten 5 Wochen auch geworden – ganz zu schweigen von dem guten Gleichgewicht und unserer Fähigkeit die Schiffsbewegung in jeder Körperhaltung auszugleichen…☺ 
Punkt 9:00 stehe ich wieder im Kühlraum und nehme die nächste Rotdeckeltonne aus dem Metallregal. Heute ist Station 9-2 dran, der Supranetz Netzbecher war vorgestern voller Mini-Manganknollen. Wir sind schon ganz gespannt auf die Tierchen, die hoffentlich auch in der Probe sind – oder haben wir doch nur Manganknollen gefangen? Um 9:30 steht im Sortierlabor die Manganknollenprobe auf Eis. Mein Erfahrungswert sagt voraus, dass sie etwa bis zum Nachmittag fertig sortiert sein wird. Unsere „Sortierfabrik“ hier an Bord funktioniert nämlich hervorragend! Leider kann ich heute nicht mitsortieren. Auf mich warten unfertige IMO-Erklärungen für unseren Gefahrgutcontainer, die bereits jetzt vorbereitet werden müssen. Also sitze ich als nächstes in Trockenlabor IV an meinem PC und bearbeite Formulare. Immer mal wieder kommt jemand herein und es gibt dringende Zwischenaufträge: die Beschriftung der Tiere, die ich letzten Abend für morphologische Untersuchung am Gehirn in Bouin eingelegt habe, Fotoaufnahmen vom Sediment mit der Spezialkamera oder neue Isopoden zur Bestimmung auf Artniveau, Fragen zu Probenprotokollen der letzten EBS-Einsätzen, und, und, und. Immer im Hintergrund meine Formulare. Schwups, ist es schon 12:00 Uhr und Zeit zum Mittagessen.
Ich esse „in 2ter Schicht“, die Meisten gehen um 11:30 in die Messe. Zusammen mit Inma und Marina habe ich es mit zur Angewohnheit gemacht immer etwas später zu gehen, um die zweite (ruhigere) halbe Stunde der Essenzeit auszunutzen. Heute gibt es Nudelsuppe und Nudeln mit Pilzsoße und Tofusteak. Wer kein Vegetarier ist bekommt statt des Tofusteaks ein richtiges Steak. Das vegetarische Essen hier an Bord der Sonne ist im Übrigen sehr gut – an dieser Stelle ein Lob an die Küche.☺ 
12:30, zurück im Labor. Meine IMO-Erklärungen sind fast fertig. Um 15:30 haben wir Logistik-Meeting, bis dahin müssen die Dinger ganz fertig sein. Um 14:30 habe ich Tischtennispunktspiel. Heute spiele ich zusammen mit Marcel gegen Anja und Valeska. Unser Spiel ist Teil des internen Sonne-Punktspiels. Es gibt drei Runden nach Los und danach spielen die Besten aus den drei Runden weiter. Bewegung zwischen den Laborzeiten und Arbeitseinsätzen auf Station ist ein wichtiges Element im Schiffsalltag und die Aussicht auf eine halbe Stunde Tischtennis wirkt heute bei mir arbeitsoptimierend. Um 14:15 sind alle Formulare ausgedruckt und fertig unterschrieben. Sehr schön. Ich lege sie gleich griffbereit neben meinen Stuhl.
Spannendes Spiel, wir sind ebenbürtig und versuchen uns gegenseitig mit den Bällen auszutricksen. Christopher zählt und darüber sind wir froh, denn vor Lachen verzetteln wir uns mit den Aufschlägen und den Wechseln. Eigentlich schade, dass wir um kurz vor 15:00 Uhr fertig sind. Marcel und ich haben knapp gewonnen und alle zusammen machen wir uns lachend auf den Weg einen Kaffee, bzw. Tee aus der Messe holen bevor der Arbeitsnachmittag weiter geht.
15:30 Konferenzraum. Logistikbesprechung bis 16:00 Uhr. Welche Kiste geht wohin, in welchen Container, was regelt der Agent vor Ort, wer koordiniert die Listen? Mit „Hausaufgaben“ macht sich das Logistikteam wieder an die Arbeit in den Laboren und am Container. Noch 2 Wochen auf See, aber alles will rechtzeitig geregelt werden. Das bringt die Gedanken schon an Land und in Richtung Rückflug. Im Sortierlabor stelle ich fest, dass meine Einschätzung fast hingekommen ist: die Probe vom Morgen ist fertig sortiert. Also gehe ich wieder in den Kühlraum und hole die nächste Probe aus dem Regal: EBS 9-2 Netzbecher Epinetz ist dran. Die nächste Stunde verbringe ich dann im Labor mit dem Bestimmen von Tiefseeisopoden und beschließe um 17:00 Uhr, dass ich noch einmal frische Luft brauche, da ich mich nicht mehr konzentrieren kann.
Peildeck, warmer Wind und Sonne etwa gefühlte 100 Treppenstufen höher als das blaue Deck. (Vielleicht sollte ich doch mal nachzählen?) Ich setze mich mit meinem Notizbuch auf den sonnengewärmten Boden und sammle meine Gedanken. Um 17:30 bekomme ich Gesellschaft von Christina und gegen kurz vor 18:00 Uhr gehen wir zusammen Richtung Abendbrot in der Messe. Dabei sichten wir zwei Tropikvögel, die sich aber wieder in den Weiten des Himmels verlieren. In der Messe reicht die Auswahl von klassischem Brot mit Aufschnitt über Salat, Früchte und Blumenkohlauflauf, Krabbengratin und Bäckerinnenkartoffeln. Am Tisch entstehen kreative Gespräche, die immer mal wieder Daten der aktuellen Reise aufgreifen und mit neuen Ideen vermischen. Wissenschaftliche Interaktion am Esstisch.
Um 19:00 Uhr geht es weiter mit dem „Science Meeting“. Die halbe Stunde zwischen Essen und Meeting verbringe ich im Labor am PC. Im Meeting selber geht es dann um den aktuellen Arbeitsplan und das Thema des Abends ist „Biochemie“. Das ganze Konzept des Meetings geht auf und die unterschiedlichen Disziplinen an Bord können über diese Vortragsreihe voneinander lernen. Gegen 20:00 Uhr bin ich wieder im Labor, nun, um meine Tageserlebnisse auf Papier, bzw. HTML-Format zu bringen.
21:30: Liebe Leser, die Nacht verspricht schauklig zu werden, da die Kartierung des Meeresbodens noch mindestens fünf 90-Gradwendungen des Schiffes erforderlich macht bevor wir die Station zur biologischen Probennahme gegen 4:00 Uhr morgens erreichen werden. In diesem Sinne, liebe Leser „Gute Nacht“. Ich lasse mich nun in die Welt der Träume schaukeln.
Dr. Saskia Brix, Senckenberg am Meer, Deutsches Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (DZMB)


[English]

A „normal“ day?
Alarm clock. 5:30. Weak up time for cuddling samples. I am rolling myself out of my bed following the ship´s movement. After dressing up in warm clothes, my first way this morning has the destination cooling room. Good that the ways are so short here, only 30 steps and one stair down I am standing in -20°C and take the samples out of their shelf to fill a portion into small cups for ethanol measurement after 12 hours of fixation. Next destination: Dry Lab IV.
Oops, already nearly 7 a.m. – breakfast time. Today pancakes with fruits and marmalade of course with black tea in one of the big mugs. At 8 I am back in the lab, now the subsamples are warm enough for the measurement. Every sample above 80% ethanol concentration. Fine, this is good. Now I can go to my cabin, fetch the Yoga-book to be at the upper deck for our Yoga session in the morning sun. Every morning a small group of scientists meets for doing Yoga to prepare themselves for a long day behind the microscope. Our plan works so far. Nobody with back pain, yet. And we are gaining even more balance being able to hold different positions on a moving vessel.☺ 
At 9 a.m. I am back in the cooling room selecting the next sample for sorting. Today available: Supranet cod end full of miniature manganese nodules. We are already curious if there are animals living in between the nodules or are there only nodules in the (biological!) sample? 9:30, the sample is standing on ice, ready to sort, in the sorting lab. My experience from the sorting speed tells me that I can expect a finished sample by today afternoon. Our “sorting company” is working perfectly here on board, it is a continuous workflow with everyone being part of the big puzzle like me putting a sample up in time. Unfortunately I cannot sort today. There is some paper work waiting for me I have to do as I am responsible for the dangerous goods transportation after the end of our expedition. Thus, I am working at my laptop on Dry Lab IV happy about any other request. It may be the task to take a picture of an especially beautiful animal or labeling some samples from yesterday evening I put in Bouin for morphological studies of the isopod brain and how it is working which will be done by colleagues from the University of Greifswald. … and suddenly it is already lunch time.
I like to eat lunch in 2nd shift starting at 12 and being the more quiet time for a meal than the busy first half hour from 11:30 to 12. Today, there is noodle soup and noodles with mushroom sauce for the vegetarians and Tofu-Steak while the meat eaters have a normal steak. Here, I would like to say thanks to the kitchen always preparing excellent vegetarian food.☺ 
12:30, back in the Lab. My paperwork is nearly done and has to be completely ready for the logistics meeting at 3:30. Before, I have an appointment for table tennis at 2:30 p.m. and this is quite a motivation to finish my paperwork. Today, I am playing together with Marcel against Valeska and Anja. Our game is part of a ship intern table tennis competition with everybody involved playing three rounds and afterward the best will continue. This exercise in between lab times and stationwork is an important element in our daily life on the vessel like in my case motivating myself for a more time effective working during the day. 2:15 p.m. all papers are ready, printed and signed. I put them next to my chair ready to get them handy for the meeting.
Table tennis is full of fun today. Both teams are equally good and we try to play tricks on each other. This ends in laughing and missing to count points. Good that Christopher is playing referee today and stays serious while both teams have difficulties to play because we have to lough so much. Marcel and I are winning with only 2 points in advance in all three rounds, a good game for everybody. We are ready for coffee time and make our way to the mess room to grab a coffee or tea prior the logistics meeting.
Conference room, topic: container packing, declarations, customs, harbor plan, what is happening when? 4 p.m., everybody is leaving the conference room with homework and the logistics team is going back to work in the labs. 2 weeks on bord of RV Sonne are still left for us, but everything needs to be settled in time. This brings our thoughts partly towards the end of the cruise and towards our travels back home. Back in the sorting lab, I see that my feeling for sorting speed was right and the sample from today morning is already finished. Thus, I go back to the cooling room again and take the next sample out of the shelf to put it on ice ready to be sorted. The next hour I am busy to determine deep-sea isopods and at 5 p.m. I decide that I need some sun and fresh air before sunset at 6 and sudden darkness outside.
Outside, warm wind and maybe 100 steps on the staircases of RV Sonne (I should count all stairs to be sure?). Sitting with my paper note book and a pen on the warm floor, I try to order my thoughts. Half an hour later, Christina is joining me for company and together we go down the stairs around 6 p.m. being lucky to spot two tropicbirds circling above the vessel. In the mess room, dinner is a typical german “Abendbrot” or salat, fruit, gratin out of potatoes. During dinner, we are chatting about this and that and sometimes new ideas in science are popping up in mind just during enjoying a meal and having a fruitful conversation.
7 p.m. conference room, science meeting. All 39 scientists are informed about the new station plan and work schedule followed by a scientific talk about biochemistry. Every meeting, a different talk from one of the disciplines on board transfers or enlarges our knowledge and understanding about what the single scientist are doing on board to act better as a team and to learn from each other. At 8 p.m. I am back in the lab to write down my daily report on paper, or better: HTML format for you to read.
9:30 p.m., dear reader, the night will be shaky because the mapping of the marine bottom needs minimum five 90 degree turns of the vessel before we will reach the position for the next biological station at 4 a.m. in the morning. Talking about this, dear readers, have a good night. I will lay down now to be moved into the world of dreams…

Saskia Brix, PhD; Senckenberg am Meer, Deutsches Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (DZMB)

Ethanolmessung bei Raumtemperatur in „Pinkelbechern“ / Measuring ethanol concentration at room temperature. ©Thomas Walter

Ethanolmessung bei Raumtemperatur in „Pinkelbechern“ / Measuring ethanol concentration at room temperature. ©Thomas Walter

Eine Assel aus der Lebendsortierung im Kühlraum. / Isopod from the life sorting in the cooling room. ©Saskia Brix

Eine Assel aus der Lebendsortierung im Kühlraum. / Isopod from the life sorting in the cooling room. ©Saskia Brix

Sediment aus dem Netzbecher von Station 9-2 (11.01.2015) aus dem aktuellen Sortierprozess. / Sediment from the sorting of the cod end of EBS station 9-2 (January 11th 2015). ©Saskia Brix

Sediment aus dem Netzbecher von Station 9-2 (11.01.2015) aus dem aktuellen Sortierprozess. / Sediment from the sorting of the cod end of EBS station 9-2 (January 11th 2015). ©Saskia Brix

3 thoughts on “FS Sonne, 13. Januar 2015, 11° 57.51′ N 48° 54.45′ W

  1. Liebe Saskia, wieder ein interessanter Bericht, danke! Man ist förmlich mit dabei beim Sortieren, Aethanolmessen und bei Euren tollen sportlichen Aktivitäten. Hätte große Lust, dabeizusein.
    Ich hingegen habe vorgestern einen Tagesausflug mit der Bahn nach Essen gemacht, um mir die Ausstellung: “Monet, Gauguin, van Gogh- japanisch inspiriert” anzusehen. Super! Nun mach’ ich mich an die Beurteilung einer Dissertation von 405 Seiten! Und am Mittwoch geht’s zur Podiumsdiskussion über wiss. Sammlungen mit dem Präsidenten und Matthias G.- LG Hilke

  2. Hallo Frau Dr. Brix,

    toller Artikel, so mit der Mischung des privaten (Yoga) udn beruflichen. Herzlichen Dank dafür.
    Eine Frage haben meine Frau und ich: Was sind denn bitte “Bäckerinnenkartoffeln” ?
    Als biologischer Laie wage ich keine anderen Fragen zu stellen, denn nur bei dieser werde ich wohl die Antwort verstehen 🙂
    Wünsche noch weiter eine gute Fahrt und Erfolg bei Ihren Arbeiten.

    Sebastian

    • Lieber Sebastian Ewering,
      die Bäckerinnenkartoffeln, die ich gegessen habe, kamen aus dem Backofen und waren halbiert, auf der flachen Seite auf das Backblech gelegt, oben mehrmals eingekerbt und mit Knoblauch, Öl und Rosmarin beträufelt und dann gebacken. Sehr lecker und zum Nachmachen geeignet. 🙂
      Scheuen Sie keine dummen Fragen, es gibt nur dumme Antworten. Beste Grüße von 19°N und 66°W,
      Saskia Brix

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