FS Sonne, 09. Januar 2015, 11° 7.23′ N 45° 13.93′ W

Unter dem Mikroskop: 2 Cent Münze und Macrostylide. / Through the Microscope: 2 Cent coin and Macrostylid Isopod. ©Simon Bober Unter dem Mikroskop: 2 Cent Münze und Macrostylide. / Through the Microscope: 2 Cent coin and Macrostylid Isopod. ©Simon Bober

Brust oder Keule

„Keulen bitte!“ …So oder so ähnlich geht es in unserem Genetiklabor zu. Allerdings wird hier nicht hemmungslos geschlemmt, es geht darum unsere Tiefseekrebschen genetisch zu identifizieren. Da unsere Tierchen nur wenige Millimeter groß sind, reicht es für uns nicht mit einem Wattestäbchen durch die kleinen Mündchen zu fahren. Um an genetisches Material zu kommen brauchen wir gewisse Mengen um zu gewährleisten, dass wir unsere Informationen erhalten. Dafür werden den (toten!) Tierchen hier an Bord zwei bis drei Beinchen abgenommen, welche bis zur endgültigen Analyse an Land in einer, die DNA schonenden, Lösung gelagert werden.
Was die Präparation anbelangt, bewegen wir uns hier schon im Mikrometer- Bereich (µm) und es geht darum das Tier, abgesehen von den fehlenden Beinchen, nicht weiter zu beschädigen. Einige dieser Tiere müssen später wahrscheinlich noch einmal für eine Artbeschreibung herhalten und dabei ist es wichtig, dass es intakt bleibt. Deshalb nehmen wir auch nur „doppelte“ Beinchen ab, also Beinchen die noch auf beiden Körperhälften vorhanden waren. Die Tiere sind so klein, dass man leider nicht einfach mit einem Skalpell oder einer Schere schneiden kann. Es wird mit zwei Nadeln gearbeitet, die selber kaum feiner sind als die eigentlichen Beinchen. Mit diesen Nadeln versucht man nun das Beinchen aus seiner Gelenkung zu drücken um es letztendlich möglichst schonend abzuzupfen.
Wir behandeln, wie bereits erwähnt, Tiefseekrebse. Um genau zu sein geht es um Tiefseeasseln (Isopoden) und bei diesen haben wir uns auf einige wenige Familien spezialisiert. Es geht uns weniger darum die kompletten Genome der einzelnen Tiere zu sequenzieren. Für unsere Fragestellungen reichen uns genetische Marker, dies sind unwillkürliche Bereiche der DNA die sich in allen Tierchen finden lassen. Bei näher verwandten Tieren, haben diese Bereiche durch einen regelmäßigen Genaustausch eine höhere Ähnlichkeit als bei weiterentfernt verwandten.
Aber warum interessieren uns überhaupt die Verwandtschaftsverhältnisse von Asseln aus 5000m Tiefe? Für Asselforscher ist dies natürlich aufregender als der spannendste Krimi! Aber was nutzt es ganz allgemein? Die Asseln dienen hier als Modellorganismus für die Tiefseefauna. Asseln sind eine der dominierenden Krebsgruppen in der Tiefsee und lassen sich von daher gut, auch über weite Entfernungen hinweg, vergleichen. Durch unsere genetischen Analysen hoffen wir u.A. feststellen zu können, ob die Vema Transformzone einen genetischen Austausch erlaubt. Mit diesen Daten kann man u.A. Rückschlüsse auf die Ausbreitungsfähigkeit und Populationsgröße machen, außerdem können wir Tiere die morphologisch identisch scheinen als eigene Arten (kryptische Arten) identifizieren.

Simon Bober, Universität Hamburg, Centrum für Naturkunde, Zoologisches Museum Hamburg


[English]

The Wing or the Thigh

„Thighs please!“ …A daily scene from the genetic lab. To identify the sampled deep-sea crustaceans genetically we have to partly dissect them. Our animals are so tiny that we have to take whole legs to get enough material for our analyses. Dissecting such tiny specimen is quite an exercise, especially on a moving ship. The animals are only few millimetres long, which makes it impossible to cut with a scalpel or scissors. We are working with very delicate needles with which we try to remove the whole legs from its articulation. For each animal we need two to three legs to ensure enough genetic matter for our analyses. The legs are stored in a DNA preserving solution until further analyses back on shore. The animals have to stay in perfect shape for potential descriptions. That is why we have to be so careful with the dissections. We are just taking duplicate legs, so at least one leg of each segment remains on the animal.
We are working with the crustacean order Isopoda. For our analyses we are concentrating on only a few families, which are divided among specialists here on board. For our scientific approach we are little interested in the whole genome of the specimen, we are looking for specific genetic markers. Closely related specimen share more equal information than far related. This gives us good information about the relatedness. But why are we interested in the relatedness of deep-sea isopods from 5000m depths? I can tell you for an isopod researcher it is a thrilling story! But what is the broader context? Deep-sea isopods are widely spread and belong to the most abundant crustaceans in the deep-sea. That is why they can serve as a kind of model organism for the deep-sea fauna. The genetic data can tell us if the Vema fracture zone is a distribution barrier for the animals or not. Furthermore the genetic data helps us to identify cryptic species and can give us good information about the size of populations and their extent.

Simon Bober, University of Hamburg, Centre of Natural History, Zoological Museum Hamburg

Das wichtigste Instrument, das Mikroskop / The most importend instrument, the microscope ©Simon Bober

Das wichtigste Instrument, das Mikroskop / The most importend instrument, the microscope ©Simon Bober

Die Werkzeuge: Nadelhalter mit Nadel / The tools: Needleholder and Needle ©Simon Bober

Die Werkzeuge: Nadelhalter mit Nadel / The tools: Needleholder and Needle ©Simon Bober

Größenverhältnis von Werkzeug zu Tier / Size of needle and animal. ©Simon Bober

Größenverhältnis von Werkzeug zu Tier / Size of needle and animal. ©Simon Bober

Nahaufnahme bei der Arbeit / Close-up at work ©Simon Bober

Nahaufnahme bei der Arbeit / Close-up at work ©Simon Bober

3 thoughts on “FS Sonne, 09. Januar 2015, 11° 7.23′ N 45° 13.93′ W

  1. Toller Beitrag! Super Bilder!
    Ich verfolge mit großem Interesse Eure Reise. Ich als Nicht Biologe verstehe zwar nicht alles, aber diesen Beitrag habe ich verstanden 🙂 Weiter so!
    Weiterhin viel Erfolg und viel Spaß

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