FS Sonne, 01. Januar 2015, 10° 26.09′ N 36° 6.27′ W

Bleistiftzeichnung einer Ischnomeside / Pencil drawing of an Ischnomesid ©Nele Heitland Bleistiftzeichnung einer Ischnomeside / Pencil drawing of an Ischnomesid ©Nele Heitland

Als ich im August ganz spontan das Angebot bekam auf dieser Expedition der neuen Sonne mitzufahren, war ich ehrlich überrascht, wie ausgerechnet ich zu dieser Ehre komme. Ich hatte bisher noch ziemlich wenig Kontakt mit der Meeresbiologie. Während die meisten meiner Freunde und Kollegen sich schon in den Kinderschuhen für diese Fachrichtung entschieden haben und mit Begeisterung Tauchscheine und Praktika gesammelt haben um sich auf ihren zukünftigen Job als Meeresbiologe rundum vorzubereiten, bin ich bisher eher wasserscheu an Land geblieben und habe mich erstmal in der Evolutionsökologie und Genetik ausgiebig umgesehen. Wie also bin ich auf dieses Schiff gekommen? Tatsächlich hat meine Leidenschaft für das Zeichnen mich hier her gebracht. Auf der Suche danach, wie ich mein Hobby mit meiner Arbeit als Biologin verbinden könnte, bin ich bei den Taxonomen der AG Brandt gelandet, die für ihre zahlreichen Artbeschreibungen Hilfe beim Zeichnen der Tiere gebrauchen konnten. Bei meiner Arbeit als HiWi (Wissenschaftliche Hilfskraft) in der AG bin ich dann schließlich selber auf den Geschmack gekommen und werde als Masterarbeit nun eine neue Art beschreiben. Dazu ist das wissenschaftliche Zeichnen ein sehr wichtiges Werkzeug, denn die Zeichnungen sollen die entscheidenden morphologischen Merkmale einer Art herausstellen und es so möglich machen, sie von anderen Arten zu unterscheiden. Wie wichtig es ist, dass diese Zeichnungen sorgfältig und mit sehr viel Liebe zum Detail angefertigt werden, hab ich spätestens dann gemerkt, als ich mich mit meinen sehr überschaubaren Vorkenntnissen im Bereich Tiefseefauna beim Sortieren der EBS-Proben an das Stereomikroskop gesetzt habe und versucht habe mithilfe der Zeichnungen im Bestimmungsschlüssel die mir unbekannten Tiere zu identifizieren. Oft kommt es nur auf eine unterschiedliche Anzahl an Antennengliedern, die Verbindung der Segmente oder andere winzige Details an um eine Art von der anderen zu trennen. Wenn diese dann nicht sauber in der Zeichnung zu erkennen sind, macht es das deutlich schwieriger eine Art zu identifizieren.

An erster Stelle auf dem Weg zur wissenschaftlichen Zeichnung steht das Mikroskopieren mit dem Zeichenspiegel, der sogenannten Camera lucida. Durch den Zeichenspiegel wird der Lichtstrahl im Mikroskop so aufgeteilt, dass man beim Blick durch das Okular gleichzeitig das Tier und das Papier auf dem man zeichnet, sehen kann. Mit dieser Technik wird zuerst eine genaue Bleistiftskizze angefertigt, in dem alle Linien des Tiers auf allen Fokusebenen nachgezeichnet werden. So wird aus dem dreidimensionalen Tier eine zweidimensionale naturgetreue Abbildung, die dann für die Veröffentlichung weiter bearbeitet wird. Der Klassiker unter den wissenschaftlichen Zeichnungen sind Tuschezeichnungen, bei denen die am Mikroskop angefertigte Skizze mit Tusche auf Transparentpapier übertragen wird. Dabei muss man besonders sorgfältig vorgehen, da Fehler nur schwer wieder auszubessern sind und man im Zweifel wieder von vorne anfangen muss. Um einen dreidimensionalen Effekt in die Zeichnung zu bringen und das Tier plastischer wirken zu lassen, werden die im Schatten liegenden Körperpartien mit vielen, eng beieinander stehenden kleinen Punkten dunkler schattiert. Diese Technik nennt man Stippling. Der Nachteil an Tuschezeichnungen ist natürlich, dass sie nachträglich schwer zu korrigieren sind und für Veröffentlichungen im digitalen Zeitalter eingescannt werden müssen, wobei die Zeichnung an Qualität verlieren oder durch Vergrößern und Verkleinern undeutlich werden kann. Daher werden heute immer mehr Zeichnungen direkt am digitalen Zeichenbrett mit Grafikprogrammen wie Adobe Illustrator angelegt. Diese sogenannten Vektorgrafiken kann man ohne Qualitätsverlust vergrößern und verkleinern und alle Linien lassen sich jederzeit flexibel anpassen und korrigieren, ohne dass man jedes Mal eine neue Zeichnung anlegen muss. So praktisch und effizient diese moderne Methode auch ist, gefällt mir persönlich der künstlerische Charakter der handgefertigten Tusche- oder Bleistiftzeichnungen besser, während die digitalen Darstellungen manchmal schon fast zu perfekt und damit etwas steril aussehen. Warum nimmt man nicht eigentlich gleich ein Foto, wenn man schon dabei ist, alles so genau wie möglich darzustellen? Wie man auf dem Fotovergleich unten sehen kann, sind die meisten Merkmale auf einer Zeichnung tatsächlich eindeutiger zu erkennen, da es keine Unschärfe in den verschiedenen Ebenen gibt und man die Darstellung nur auf die wichtigsten Informationen zur Artbestimmung reduzieren kann.

Egal ob Bleistift, Tusche oder digitale Zeichnung, man braucht auf jeden Fall viel Geduld und Konzentration bis das vollständige Tier zu Papier gebracht ist. Für mich ist das jedes Mal eine neue Herausforderung so viele Details so genau wie möglich wiederzugeben, bis das Tier auf dem Papier Leben bekommt. Dieser Prozess fasziniert mich jedes Mal wieder neu und daher wird die Bleistiftzeichnung auch immer mein Steckenpferd bleiben, auch wenn ich für meine Masterarbeit ebenfalls die Vorteile der digitalen Zeichnung nutzen werde.

Ich bin wirklich froh und dankbar, dass ich meine Leidenschaft so mit meiner Arbeit hier verbinden kann und dass mir durch das Zeichnen diese großartige Chance gegeben wurde, diese einzigartige Erfahrung zu machen und auf dieser Expedition dabei zu sein.

Nele Heitland, Masterstudentin, Universität Hamburg


[English]

When I spontaneously received the offer in August to go on this expedition of the new RV Sonne, I was honestly surprised how I just get to this honor. I had very little contact with the marine biology so far. While most of my friends and colleagues have wanted to become a marine biologist since their childhood and have collected diving licenses and internships enthusiastically to prepare for their future job as a marine biologist, I rather stayed on land and focused my studies on Evolutionary Ecology and Genetics. How then have I come to this vessel? In fact, my passion for drawing brought me over here. Looking for how I could combine my hobby with my work as a biologist, I met the taxonomists of the group of A. Brandt, who needed help in drawing animals for their numerous species descriptions. During my work as a student helper I got very interested in the whole procedure and decided to do a description of a new species for my master thesis. For this, the scientific drawing is a very important tool, because the drawings are intended to highlight the key morphological features and make it possible to distinguish one species from another. How important it is to do theses drawings carefully and with great attention to detail, I definitely noticed when I tried to sort EBS-samples with my very scarce knowledge about deep-sea fauna and used the drawings in the identification key to identify the unfamiliar animals. Often it is only a different number of antenna elements, the connection of the segments or other small details which separate one species from another. If they are not clearly illustrated in the figure, it makes it much more difficult to identify the species correctly.

The first step to a scientific drawing is a microscope with a special mirror, the so-called camera lucida. Through the mirror the light gets split on its way through the microscope so that one can see the animal and the paper to draw on at the same time. With this technique, a detailed pencil sketch is made, in which all lines of the animal can be traced at all focal levels. Thus the three-dimensional animal is transferred into a two-dimensional lifelike drawing, which is then processed for publication. The classic among scientific drawings are ink drawings, in which the prepared sketch is transmitted on tracing paper. One must be particularly careful, because mistakes are difficult to correct and sometimes you have to start all over again. To get a three-dimensional effect in the drawing, the shadowed parts of the body are “stippled” with many, closely packed, small dots to shade it darker. But the disadvantage of ink drawings is that they must be scanned for publications, which can cause a loss of quality in the drawing by zooming in and out. Therefore, more and more drawings are prepared directly on the digital drawing board with applications like Adobe Illustrator. These so-called vector graphics can be zoomed in and out with no loss of quality and all lines can be flexibly adapted at any time and corrected without having to create a new drawing. As practical and efficient this modern method is, I personally prefer the artistic character of the handmade ink or pencil drawings, because the digital figures seem to look almost too perfect, somewhat sterile. Actually, why don’t we take a photo with all details represented as accurately as possible? As you can see in the pictures below, most of the features in a drawing appear much clearer since there is no blur in the different focus levels and the drawing is reduced to the most important information for species identification.

Whether pencil, ink or digital drawing, you definitely need a lot of patience and concentration to bring the animal on paper. For me, it is a new challenge every time to draw as many details as accurately as possible, until the animal gets alive on the paper. This process fascinates me each and every time again and hence the pencil drawing will always be my favorite, though I will also take advantage of the digital drawing for my master thesis.

I’m really glad and thankful that I can connect my work and passion in taxonomy and for this great opportunity to join this unique experience and to be part of this expedition.

Nele Heitland, Master student, University of Hamburg

 

Ich, am digitalen Zeichenbrett / me working on the digital drawing board ©Nele Heitland

Ich, am digitalen Zeichenbrett / me working on the digital drawing board ©Nele Heitland

 

Foto einer Macrostylide / Foto of a Macrostylid ©Torben Riehl

Foto einer Macrostylide / Foto of a Macrostylid ©Torben Riehl

Die abgeleitete digitale Zeichnung der Macrostylide / Digital drawing of the Macrostylid ©Torben Riehl

Die abgeleitete digitale Zeichnung der Macrostylide / Digital drawing of the Macrostylid ©Torben Riehl

6 thoughts on “FS Sonne, 01. Januar 2015, 10° 26.09′ N 36° 6.27′ W

  1. Hallo Nele, seitdem ich in Kiel auf der Sonne war, verfolge ich eure Fahrt im Netz.
    Deine Beschreibung hat mir sehr gut gefallen – cool!
    Herzliche Grüße aus Schmalensee – Peter

  2. Hallo Nele und Team

    erst mal frohes neues Jahr! Es ist spannend Eure Reise mitzuverfolgen!Ich bin super stolz auf Dich!

    Bea

  3. Ich wünsch auch ein frohes Neues Jahr, und ich freu mich, Nele, dass dein Talent einen tollen Platz gefunden hat. Diese Zeichnungen bringen die nötige ästhetische Komponente in dieses Wissenschaftsgebiet, super gemacht!

  4. Deine liebe zum Detail ist außergewöhnlich. Respekt – auf dass du mit deiner Hingabe die Welt ein Stück besser verständlich machst. Ich kenn dich… 😀 und du rockst! Mach weiter so, du machst es richtig richtig gut!

Comments are closed.