FS Sonne, 22. Dezember 2014, 10° 40.68′ N 29° 27.37′ W

Ein typisches Buffet zum Abendessen auf FS SONNE / A typical dinner buffet on RV SONNE. ©Torben Riehl Ein typisches Buffet zum Abendessen auf FS SONNE / A typical dinner buffet on RV SONNE. ©Torben Riehl

Ein Besuch in der Küche der Sonne

Übermorgen ist Weihnachten und auch auf dem neusten deutschen Forschungsschiff, der Sonne, herrscht festliche Stimmung – bei gleichzeitig weiterlaufenden Forschungsarbeiten. Neben festlichen Aktivitäten und Weihnachtsdekoration drückt sich das selbstverständlich auch an Bord eines Schiffes durch besonders gutes Essen aus. Ich nutze diese besondere Gelegenheit, um der Küche dieses Schiffes einen Besuch abzustatten und den Koch, sowie des 1. Steward zu interviewen. Ich schaue hinter die Kulissen und in einen Bereich des Schiffes, in dem uns täglich dreimal köstliche, vielfältige und frische Mahlzeiten zubereitet werden.
Die Kombüse, wie Schiffsküchen gemeinhin genannt werden, glänzt silbergrau. Sie ist größtenteils aus Edelstahl und anderen Metallen gefertigt. Alles sieht noch sehr neu aus auf dieser Jungfernfahrt der neuen Sonne. Ein großer Herd steht in der Mitte des großzügig gestalteten Raumes. Er ist von einer Reling umgeben, damit selbst bei starkem Seegang die Töpfe nicht durch die Kombüse fliegen.
Unser Koch auf der Vema-TRANSIT-Expedition heißt Willi Wieden. Er fährt bereits seit 1976 zur See, und zwar von Anfang an als Koch. Nachdem die Gastronomie an Land, in der er zunächst sein Geld verdient hatte, zu stressig wurde, wollte er „einfach nur raus“, so der 59-jährige, der grinsend über seine Brille hinweg schaut. Die Seefahrt bot sich an. Im Gespräch hört man heraus, dass die Arbeit für einen Koch in der Forschungs-Schifffahrt über die Jahre auch nicht einfacher geworden ist. „Inzwischen ist es hier auch stressiger geworden. Die Anzahl der Leute [an Bord] die sich gegenüber anderen Schiffen fast verdoppelt hat, die macht sich bemerkbar bei der Arbeit“ erzählt der österreichische Schiffsküchenchef verschmitzt lächelnd. Auch gegenüber dem Vorgängerschiff und Willi Wiedens vorherigem Arbeitsplatz, der alten Sonne, die von 1969 bis 2014 in Dienst war, hat sich das Arbeitspensum gesteigert, einfach weil mehr Leute bekocht werden müssen. Man sieht dem Koch allerdings an, dass er stolz darauf ist, auf der Jungfernfahrt dieses schwimmenden Großlabors die Küche einzuweihen, auszutesten und dem Schiff mit seiner täglichen Kochkunst das Leben einzuhauchen. „Es ist natürlich alles neu, man muss die Wege erstmal finden. Aber wir haben hier alles, was wir brauchen. So, wie hier die beiden Spitzenöfen Jaqueline und Chantal“ sagt er und wir brechen in Gelächter aus während er uns durch seinen Arbeitsplatz führt. Willi Wiedens Schicht beginnt bereits um vier Uhr in der Früh. „Wir arbeiten dann bis Mittag und dann von 15 Uhr bis 18 Uhr“, erklärt er. Damit auch die nachts arbeitenden Mannschaftsmitglieder nicht hungern müssen, gibt es einen geräumigen Kühlschrank in der Messe, an dem man sich jederzeit bedienen kann.
Willi bekommt auf der neuen Sonne in der Küche Unterstützung durch einen Kochsmaat und vier Stewards und sie schaffen es zusammen auch dem über die Jahre gestiegenen Bewusstsein für das Essen gerecht zu werden und Menschen mit unterschiedlichen Essgewohnheiten zufrieden zu stellen.
Der 1. Steward heißt René Lemm und hat sich ebenfalls zum Interview zur Verfügung gestellt. Neben den vielen anderen Servicetätigkeiten helfen die Stewards „morgens zwei Stunden, nachmittags eine Stunde“ in der Küche, so der Koch. Die Stewards helfen bei den Arbeitsintensiven Dingen, die in der Küche so anfallen, Kartoffelschälen zum Beispiel. „Es gibt frische Kartoffeln. Jeden Abend. Die werden immer frisch angeliefert. Die werden von Hand geschält. Zwiebeln, Kartoffeln, Knoblauch. Sachen, die so Zeitintensiv sind, die müssen die Stewards abnehmen“, ergänzt der Koch. Bei 70 bis 80 hungrigen Menschen an Bord, fällt davon eine Menge an. Fertiggerichte, oder vorgeschälte und vorgegarte Kartoffeln kommen auf der Sonne nicht auf den Tisch. Frisches Obst und Gemüse wird in jedem Hafen neu gebunkert. Die gesamte Vorausplanung, Organisation und Bestellung der Lebensmittel wird vom Koch Wieden durchgeführt. Es bedarf großer Erfahrung, um für mehrwöchige Reisen die Mengen richtig einzuschätzen. Willi Wieden plant nicht schon vor jeder Seereise die gesamte Menüabfolge. Er hat dafür das richtige Fingerspitzengefühl und überlegt sich in der Regel erst am Vortag, was es morgen zum Essen geben soll.
Nur eine Woche bevor die Sonne den nächsten Hafen anläuft wird für die nächste Reise bestellt. Der Koch des modernsten Forschungsschiffes der Welt bestellt bei einem Vertragsschiffshändler in Rostock. Alle drei Monate beliefert dieser die Sonne von Rostock aus mit einer Containerladung gefrorener Lebensmittel und Konserven – deutsche Qualitätsprodukte. Darüber hinaus sucht dieser Händler sich „einen lokalen Schiffshändler [in der jeweiligen Hafenstadt] aus und dieser beliefert uns denn“ mit Obst und Gemüse, erzählt Willi Wieden routiniert von seiner verantwortungsvollen Aufgabe während er nebenbei fachmännisch weiter den Lauch zerkleinert. Denn dem Koch muss es schließlich gelingen, Mannschaft und Wissenschaftler an Bord zufrieden zu stellen. Mit hungrigem Bauch arbeitet es sich nicht gut und auf der Sonne wird rund um die Uhr gearbeitet. Für unsere sechswöchige Reise wurden alleine 4320 Eier eingekauft. Gleichzeitig muss er haushalten, den Verbrauch planen und darauf achten, dass immer das auf dem Buffet steht, was gerade reif ist. „Jetzt werdet ihr fünf Tage lang Kiwis essen“, ergänzt der Chefsteward „und dann werdet ihr Euch nach dem sechsten Tag wundern: oh, wir haben ja auch Melone“. Es ist erstaunlich, wie der Koch, der schon seit 25 Jahren auf Forschungsschiffen fährt, auch durch Weiterverwendung in geschmackvoll angerichteten kalten Platten das Verschwenden von Lebensmitteln minimieren kann. „Wenn Du eine ganze Wanne Salzkartoffeln übrig hast, dann schmeißen wir die ja nicht weg, sondern machen daraus zum Beispiel Bratkartoffeln“ erklärt René Lemm.
Der Arbeitsbereich der Stewards umfasst „das ganze Schiff, im Prinzip“. Neben der Hilfestellung in der Kombüse gehört das Servieren von „Frühstück, Mittag, Abendessen, Kaffee morgens, Kaffee nachmittags“ genauso dazu, wie das Reinigen der „Kabinen, Flure, Treppen, Decken, Wände, Bäder, alles, was irgendwie sauber zu machen ist“ Wohnbereich des Schiffes. „Also im Prinzip wird das hier geführt wie ein kleines Hotel.“
Koch und Steward führen mich dann noch in zwei der „Store“ genannten Lagerräume für Lebensmittel. Auf der Sonne gibt es fünf Kühllager, einen Gefrierraum sowie dutzende Stores von einem bis zehn Quadratmetern Fläche. Eine große Edelstahltür schwingt auf und öffnet uns den Zugang zu einem Kühlraum in unmittelbarer Nähe zur Küche. Auf Paletten und in Regalen stehen hunderte Gläser, Boxen und Dosen. In einer Ecke steht eine Kartoffelkiste. Ein großes und tiefes Regal ist allein dem Mehl vorbehalten. Ein schneller Blick, ein paar Fotos, dann müssen wir den gekühlten Raum wieder verlassen, damit die Temperatur nicht steigt. In einem weiteren Lagerraum liegen zahllose Flaschen Trinkwasser – insgesamt drei Paletten, die zusätzlich zum trinkbaren Leitungswasser für uns zur Verfügung stehen.
Zum Ende unseres Interviews bleibt nur noch eine Frage: Was wird es zu Weihnachten zu essen geben? Willi Wieden wird sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Er hat für Heiligabend den traditionellen Kartoffelsalat mit Bockwurst geplant. Außerdem wird er Weihnachtsgans mit Semmelknödeln für uns kochen. Die Messe hat allerdings normalerweise nur Platz für 45-50 Leute. Mehr ist eigentlich nicht nötig, denn wegen der Schichtarbeit kommen nie alle gleichzeitig zum Essen. Zu Weihnachten sollen aber alle untergebracht werden. Also wird die Messe um den anschließenden Seminarraum erweitert. So verbringen wir Weihnachten mitten auf dem tropischen Atlantik: mit unseren Gedanken nach Hause gerichtet zu Freunden und Familie, in guter Gesellschaft und bestens verpflegt.

Torben Riehl, Centrum für Naturkunde, Zoologisches Museum Hamburg

[English]

A visit in the galley of SONNE

It is Christmas and on the latest addition to the German research fleet, the brand new RV Sonne a festive mood has spread while at the same time research is conducted without interruption. Next to Christmas decoration and celebration this is of course expressed also in the festive meals that are prepared for us.
I took this special opportunity to pay a visit to the ship’s kitchen just before Christmas and to interview the cook and the first steward about their work here onboard this ship. I look behind the scenes into facilities of Sonne where the three delicious, fresh and diverse daily meals are cooked for us. The ship’s kitchen, or galley as it is commonly called, is shining silver-grey. It is manufactured from stainless steel and other metals and still looks shining new on this first deep-sea expedition of Sonne. A large stove is located right in the middle of a spacious main part of the galley. It is surrounded by a railing to prevent pots and pans from taking off during heavy sea conditions.
This is the workplace of Willi Wieden, our cook during the Vema-TRANSIT-Expedition. He is very experienced working at sea since 1976, a cook from the first day at sea. Following a period of working in gastronomy on land, this became too stressful for the chef so he wanted to simply „break out“ of this system, as the 59 years old explains smiling. Seafaring offered what he seeked for. During our conversation I can filter out that since then, a ship’s cook’s job has not become easier either. “Meanwhile it has become more stressful even here. The number of people on board has almost doubled when compared to other ships – this is reflected in our workload” says the Austrian chef grinning mischievously. The capacity has also increased compared to the old RV Sonne which was active from 1969 to 2014, Willi`s previous workplace. That is simply because the number of people onboard has increased. At the same time one can feel that the cook is proud get the galley tested and running on this maiden voyage of Sonne, to breathe first life into this 116 m long swimming laboratory. “Of course everything is new. You have to find your ways. But we have everything that we need, such as the two top ovens Jaqueline and Chantal over here“, he states pointing to two large industrial instruments and we burst out laughing about the nicknames while he shows us through his kitchen. Willi Wieden‘s work day starts at 4 am. “We then work until lunch and again from three to six in the afternoon“, he explains. For the night shifts, there is a fridge in the mess room as well as a microwave for self service during very early or late hours.
On RV Sonne, the cook receives assistance from a cook’s mate and four stewards. Together, this team of six manages to satisfy all variety of eating habits and to take into consideration even the awareness regarding comestibles that has risen a lot over the years.
Our first steward is René Lemm who kindly joined in on this interview. The steward department covers all sorts of duties. Amongst these, they assist in the galley, “two hours in the mornings and one in the afternoon“, the cook clarifies. The stewards help with the time-consuming work such as peeling potatoes. “We cook fresh potatoes every dinner. They are delivered fresh and are peeled manually. Onions, potatoes, garlic. Things that cost a lot of time have to be taken over by the stewards“, the cook adds. There is a lot of such work given 70 to 80 hungry crew and scientists on this ship. Convenience foods or pre-peeled potatoes are not used here. Fresh vegetables and fruit are delivered in ever harbor instead. All the planning, organization and placing of orders are done by Willi Wieden. A lot of experience is required to estimate the right amounts for multi-week cruises such as ours. He does not plan the order on meals in but relies on his sure instinct and understanding. Usually he only plans one day ahead when it comes to the menu.
Always a week before RV Sonne will reach the next harbor, the orders for the follow-up cruise are placed. The cook of this cutting-edge vessel works with a contract ships supplier in Rostock, Germany. Every three months, a container load of frozen items and canned foods is send to Sonne from Rostock – German quality produce. Beyond these deliveries from home, “the appointed dealer organizes deliveries of fresh fruit and veg from local dealers around the respective harbors”, Willi describes his responsibilities while cunningly cutting leech. The responsibility he bears is great. He has to manage satisfying crew and scientists who do not like working hungry. And on this ship, people are working around the clock. For our six-weeks cruise alone, 4320 eggs were ordered. Simultaneously, he has to budget consumption, plan ahead and take care that always those products are brought to the buffet that have reached maximum quality and ripeness. “Now you will eat Kiwi fruit five days in a row”, the first steward adds. “And then you will be surprised at the sixth day that we also have melons, for instance.”
It is spectacular how the cook, who has worked on research vessels for 25 years, manages to recycle warm foods of yesterdays on tasty and aesthetics cold platters of todays. This way, wasting of groceries is minimized. “When you have a whole tray of salt potatoes left over we don’t through them away. We prepare fried potatoes instead” explains René Lemm.
Stewards like René work the whole ship. Next to helping out in the galley, serving food at the buffet is amongst their duties. “Breakfast, lunch and dinner, coffee break in the morning and the afternoon” belong to their realm as well as cleaning “hall ways, living quarters, stair ways, walls and ceilings. In principle, this business is run very similar to a small hotel”, René says.
Now, cook and steward guide me to two of their many stores where food and drink are kept under optimal conditions. RV Sonne is equipped with five large cool rooms, one freezer room and dozens of regular stores at various sizes between one and ten square meters. A large steel door swings open and we access a large store in close proximity to the galley. On palettes and in shelves of this cool room hundreds of cans, glasses and boxes are sorted. In one corner I can see a potato crate. One large shelf is reserved for flour alone. One quick overview, a few photographs, then we have to leave this room again for it to maintain the optimal temperature. Afterwards, in a second store, uncountable bottles of drinking water are kept which are available in addition to the potable water from the tab.
To the end of our little tour through the gastronomy of RV Sonne, one important question remains: What will be served for Christmas? Willi is going to remain down-to-earth. For Christmas Eve, he plans to serve typical German potato salad with Wiener sausages.  On the first day of Christmas, we are going to be indulged with Christmas goose and dumplings. Usually, the mess room has space for not more than 50 people, which is sufficient since there are always some people at work or at sleep. But for Christmas it is going to be special and the kitchen crew is going to join the mess room with the adjacent seminar room to be able to serve everybody at once. This way, we are celebrating Christmas somewhere far out on the tropical Atlantic with our thoughts directed home to friends and family, in good company and very well fed.

Torben Riehl, Centre for Natural History, Zoological Museum Hamburg

Die Kombüse von FS SONNE mit Chefsteward René Lemm und Koch Willi Wieden (mitte und rechts) / The Galley of FS SONNE with first steward René Lemm (mid) and cook Willi Wieden (right). ©Torben Riehl

Die Kombüse von FS SONNE mit Chefsteward René Lemm und Koch Willi Wieden (mitte und rechts) / The Galley of FS SONNE with first steward René Lemm (mid) and cook Willi Wieden (right). ©Torben Riehl

Lebensmittelkühlraum auf FS SONNE / A food store on RV SONNE. ©Torben Riehl

Lebensmittelkühlraum auf FS SONNE / A food store on RV SONNE. ©Torben Riehl

Mehlvorrat im Kühlraum auf FS SONNE / Flour reserves in RV SONNE store. ©Torben Riehl

Mehlvorrat im Kühlraum auf FS SONNE / Flour reserves in RV SONNE store. ©Torben Riehl

 

René Lemm öffnet die Tür zum Gemüseraum auf FS SONNE / René Lemm provides access to veg store on RV SONNE. ©Thomas Walter

René Lemm öffnet die Tür zum Gemüseraum auf FS SONNE / René Lemm provides access to veg store on RV SONNE. ©Thomas Walter

Der sorgfältig gestapelte Wasservorrat ist vom Seegang durcheinander geraten / The carefully stowed away drinking-water supplies got “disarranged” by the rocky sea. ©Torben Riehl

Der sorgfältig gestapelte Wasservorrat ist vom Seegang durcheinander geraten / The carefully stowed away drinking-water supplies got “disarranged” by the rocky sea. ©Torben Riehl

Willi Wieden, der Koch des Tiefseeforschungsschiffes Sonne, kontrolliert das Sauerkraut / Willi Wieden, the cook on the deep-sea RV SONNE, preparing Sauerkraut. ©Thomas Walter

Willi Wieden, der Koch des Tiefseeforschungsschiffes Sonne, kontrolliert das Sauerkraut / Willi Wieden, the cook on the deep-sea RV SONNE, preparing Sauerkraut. ©Thomas Walter

 

2 thoughts on “FS Sonne, 22. Dezember 2014, 10° 40.68′ N 29° 27.37′ W

  1. Tolles Schiff, tolle Bilder!!

    Ich wünsche schöne Weihnachten euch allen.
    Ganz lieben Gruß an Nils, fühl dich gedrückt Bruderherz…:)
    Corinna

  2. Vielen Dank für die sehr interessanten Informationen
    und die schönen Fotos von “Innen und Außen”. Wir verfolgen
    alles sehr gespannt und wünschen der gesamten Mannschaft (besonders einem alten Seebären) ein wunderschönes besonderes Weihnachtsfest.
    Monika und Peter

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