Jules Verne wird 186 Jahre alt! Ein Exklusiv-Interview

Jules Verne im Alter von etwa 50 Jahren. (Foto: Félix Nadar via wikimedia commons) Jules Verne im Alter von etwa 50 Jahren. (Foto: Félix Nadar via wikimedia commons)

Also nicht wirklich natürlich. Aber theoretisch schon. Morgen wäre der 186. Geburtstag des Science Fiction- und Abenteuer-Schriftstellers. Wir sagen: Herzlichen Glückwunsch! 🙂
Zum Glück haben wir auf die schnelle noch einen Interview-Termin bekommen und können nun exklusiv berichten…

Für diejenigen unter euch, die noch nie von Jules Verne gehört haben und sich gerade fragen, was ein französischer Autor mit Ozeanforschung und Meereswissenschaften zutun hat: Jules Verne (geboren am 8. Februar 1828 in Nantes, gestorben am 24. März 1905 in Amiens) war nicht nur ein Schriftsteller, sondern vor allem ein Visionär. Er baute technische Geräte aus seinem Zeitalter (dem 19. Jahrhundert) in seine Geschichten ein, vergrößerte und veränderte sie und ließ seine Helden damit Abenteuer erleben, wie man es sich damals kaum vorzustellen wagte. Von ihm stammen Werke wie „Reise um die Welt in 80 Tagen“ (1872), „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ (1864) und eben auch „20.000 Meilen unter dem Meer“ (1870). Einige seiner Bücher wurden gleich mehrfach verfilmt. Welche Bedeutung seine Ideen heute noch haben und wie aktuell einige der Themen sind, die er in „20.000 Meilen unter dem Meer“ anspricht, das erklärt uns Jules Verne jetzt höchst persönlich:

Monsieur Verne, wie schön, dass Sie es so passend zu ihrem 186. Geburtstag geschafft haben einen Termin mit uns einzurichten. Wir freuen uns, dass Sie hier bei uns sein können.
Ich freue mich auch sehr! Wie oft bekommt man in meiner Lage schon die Möglichkeit, mit Menschen aus der Zukunft zu plaudern? Und dann auch noch mit welchen, die an einem Zentrum für Ozeanforschung arbeiten?!

Erzählen Sie uns doch bitte von Ihrem Buch „20.000 Meilen unter dem Meer“. Ich befürchte, nicht alle unsere Leser kennen dieses Buch…
Nun, in dieser Geschichte geht es um den Meerskundler Professor Aronnax, der auf eine Expedition geschickt wird. Sein Auftrag ist es, herauszufinden, warum es immer mehr rätselhafte Schiffsunglücke auf unseren Weltmeeren gibt. Die Menschheit spekuliert auf unbekannte Seeungeheuer oder ein „Unterwasserfahrzeug mit außerordentlicher mechanischer Kraft“. Nach einigen Wochen auf See stoßen Aronnax und seine Kollegen tatsächlich auf ein aus Eisen gebautes Unterseeboot. Es versenkt das Kriegsschiff, mit dem Aronnax unterwegs ist. Der Professor und zwei Mitstreiter können sich auf das U-Boot retten, werden aber von der Besatzung festgehalten. Im Inneren Bootes werden sie dem Kapitän Nemo vorgestellt. Kapitän Nemo erklärt, er habe dem Festland abgeschworen und versorge sich, seine Mannschaft und das Unterseeboot namens Nautilus ausschließlich aus den Schätzen des Meeres. Doch niemand darf von diesem Geheimnis erfahren, und deshalb sind Aronnax und seine Begleiter gezwungen, eine Weltreise unter Wasser mitzumachen. Welche Abenteuer sie dabei erleben, möchte ich jetzt nicht vorweg nehmen.

Das Buchcover von 20.000 Meilen unter dem Meer, wie es zu Vernes Lebzeiten von seinem Verleger Pierre-Jules Hetzel veröffentlicht wurde. (Quelle: Public Domain via Wikimedia Commons)

Das Buchcover von 20.000 Meilen unter dem Meer, wie es zu Vernes Lebzeiten von seinem Verleger Pierre-Jules Hetzel veröffentlicht wurde. (Quelle: Public Domain via Wikimedia Commons)

Sie waren Ihrer Zeit also voraus – denn Unterseeboote gab es damals zwar schon, aber diese waren technisch noch nicht so weit entwickelt, oder?
In der Tat, ich habe oft Wissen und Innovationen aus meinem Jahrhundert genommen und weitergesponnen. Aber ein bisschen Fantasie gehörte auch dazu. Schließlich hatten die Menschen noch keine Ahnung von der Tiefsee, als ich das Buch geschrieben habe. Erst zwei Jahre später haben die Briten die Dampfkorvette „Challenger“ um die Welt geschickt. Bei dieser Expedition wurden erstmals Proben aus mehreren tausend Metern Wassertiefe hoch geholt. Aber wenn ich das mit den Geräten vergleiche, die ich bei Ihnen so sehe, dann war das damals natürlich noch sehr einfach. Ich habe mich vor diesem Interview natürlich ein bisschen auf ihrem sogenannten Blogportal Oceanblogs umgesehen – wir würden ja einfach von einem Forscher-Tagebuch sprechen, aber Sie brauchen ja wohl immer neumodische Wörter. Da bin ich auf viele interessante Geräte und Techniken gestoßen. Ein Text heißt ja sogar so ähnlich wie mein Buch: 5000 Stunden unter dem Meer. Ich fühle mich geschmeichelt.

Es ist aber nicht nur die Technik von heute, die Sie damals in ihren Geschichten „vorausgesehen“ haben. Hier am Zentrum für Ozeanforschung in Kiel beschäftigen sich viele Wissenschaftler mit den „Rohstoffen aus der Tiefe“. Auch dazu hatten Sie damals schon ein paar Ideen…
Oh ja, es hat mir eine besondere Freude bereitet, als ich gehört habe, dass heute tatsächlich an Erzen aus der Tiefsee geforscht wird. Mein lieber Kapitän Nemo… wie ließ ich ihn noch sprechen? „Für’s erste will ich Ihnen sagen, dass es auf dem Grund des Meeres Zink-, Eisen-, Silber, Goldminen gibt, deren Ausbeutung gewiss sehr ausführbar wäre.“ Ich habe gehört, Sie kennen heute sogar drei verschiedene Arten von Erzlagerstätten in der Tiefsee. Das wäre etwas für Nemo! Auch schrieb ich damals von „seltsam gestalteten Lavablöcken“, die Sie heute Kissenlava nennen.

Ich erinnere mich an den Satz „So bereitet die Natur einen kostbaren Vorrat für die Zeit, wann die Menschen die Gruben des Kontinents werden ausgebeutet haben.“ Konnten Sie sich damals wirklich vorstellen, dass die Menschen irgendwann Bergbau in der Tiefsee betreiben?
Nun, das 19. Jahrhundert war eine Zeit rasanter Entwicklungen. Alles schien früher oder später möglich. Und die Ozeane bedecken nun einmal den größten Teil der Erde. Also: Warum nicht? Aber natürlich finde ich es sehr spannend, dass sich Forscher heute tatsächlich damit auseinandersetzen. Ich habe unter anderem von Massivsulfiden gelesen. Sie sollen sich an eben jenen Schwarzen Rauchern befinden, diese sulfidischen Ablagerungen, in denen zum Teil sehr hohe Konzentrationen verschiedener Elemente nachgewiesen wurden. Neben den Rauchern habe ich auch von Manganknollen und Kobaltkrusten gehört. Diese Rohstoffe „wachsen“ zwar, aber nur wenige Millimeter in einer Million Jahren, deshalb kann man leider nicht von „nachwachsenden Rohstoffen“ sprechen – einem Begriff, der in der heutigen Zeit sehr wichtig ist. Ich finde das alles unheimlich spannend! Aber wie ich höre, ist noch sehr umstritten, ob Antriebsmitteln und Metalle aus der Tiefsee irgendwann Rohstoffe vom Land ersetzen können. Wohl eher nicht, was ich so höre. Vielleicht ist das auch gut so, bedenkt man nur die Umwelt und welchen Schaden das alles anrichten könnte… Aber ich bin ja kein Forscher, nur Schriftsteller.

Wie kamen Sie denn überhaupt auf das Thema „Meer“?
Ich bin ja nun im Reederviertel der Hafenstadt Nantes aufgewachsen, und hab dadurch schon früh eine Verbindung zu Schiffen und dem Meer. Nach meinem Jurastudium in Paris (1849) habe ich mich im Schreiben verschiedener Genres versucht und mich mit gänzlich anderen Themen als dem Ozean beschäftigt. In den Jahren 1859 und 1861 machte ich mit einem Freund einige Schiffsreisen nach Schottland und Norwegen. Dort verliebte ich mich endgültig in das Meer und ich lernte viel über die Seefahrt.

Haben Sie auf einer dieser Reisen nicht sogar in Kiel Halt gemacht?
Ja, da haben Sie recht. Es geschah sogar zwei Mal, dass meine Wege mich durch diese Stadt führten. Das erste Mal 1861, auf einer Seereise nach Skandinavien mit zwei Freunden… In meinem Tagebuch schrieb ich damals: „Wir laufen in die Bucht (Förde) ein, an deren Ende die Stadt Kiel liegt. Ein schöner Anblick. Die Kirche (Nikolaikirche). Ein dicht belaubter Wald. Die Promenade. Landhäuser mit ihren Badehäusern am Meer. Das Städtchen.“ Doch damals hatten wir nur eine Stunde Aufenthalt, bis es weiterging. Immerhin sah ich den Bahnhof, der so praktisch gelegen war.
Meine zweiter Besuch dauerte schon etwas länger. Auch 1881 war es eine Skandinavienreise, auf deren Fahrt wir in Kiel festmachten. Auch hier eine Tagebucheintrag… Moment… Ah, ja. Freitag, 17.Juli 1881: „Wir sind in der Kieler Bucht angekommen und übernehmen einen anderen Lotsen. Die Bucht ist herrlich. Um 5 Uhr gehen wir vor Anker. Wir machen einen Stadtspaziergang. Die Gartenanlage und die Musik. Um 10 Uhr gehe ich schlafen.“ Und weiter: „Die Bucht von Kiel (…), ist unstreitig eine der schönsten und eine der sichersten, die es in Europa gibt. In diesem geräumigen Hafenbecken könnten alle Flotten der Erde vor Anker gehen und bequem manövrieren. Kiel liegt am äußersten Ende der Reede, von dort gesehen ein wenig nach rechts, mit einem Hintergrund von grünenden Gehölzen.“ Damals schrieb sogar die Kieler Zeitung über meinen Besuch!

Da Sie ein ganzes Buch der „Meeresforschung“ gewidmet haben – was bedeutet denn der Ozean für Sie, Monsieur Verne?
Wie ich in eben jenem Buch schon schrieb:
„Das Meer ist alles. Es bedeckt sieben Zehntel der Erde. Sein Atem ist rein und gesund. Es ist eine immense Wüste, wo ein Mann nie alleine ist, in dem er fühlen kann, wie das leben aller in ihm bebt. Das Meer ist ein Behälter für alle die ungeheuren, übernatürlichen dinge, die darin existieren, es ist Bewegung und Liebe, es ist die lebende Unendlichkeit.“

Vielen Dank für dieses schöne Schlusswort!