5000 Stunden unter dem Meer

JAGO – das einzige bemannte Forschungstauchboot in Deutschland! (Foto: JAGO-Team, GEOMAR) JAGO – das einzige bemannte Forschungstauchboot in Deutschland! (Foto: JAGO-Team, GEOMAR)

Egal, mit wem man sich hier am GEOMAR unterhält: Von JAGO reden alle, als wäre es der netteste und interessanteste Kollege, den es hier gibt. Und irgendwie stimmt das auch, denn er ist schon seit über 20 Jahren in der Meeresforschung tätig, jeder kennt ihn, und obwohl er gerade für Besucher etwas ganz besonderes ist, spielt er sich nie groß auf. Als ich vor ein paar Wochen mit meinem Praktikum am GEOMAR anfing, hörte ich jeden mal von ihm erzählen. Letzte Woche habe ich dann endlich die Zeit gefunden, ihn näher kennen zu lernen.
Darf ich vorstellen:

JAGO – das einzige bemannte Forschungstauchboot in Deutschland!

Es handelt sich hier also nicht um einen richtigen Kollegen, aber JAGO gehört zum GEOMAR einfach dazu. Um ein bisschen was über ihn zu erfahren, habe ich mich mit Jürgen Schauer getroffen. Im Moment ist er noch der einzige, der JAGO, das einzige bemannte Forschungstauchboot in Deutschland, steuern darf. Wenn man die Zeit zusammenrechnet, dann kommt man ungefähr auf ein halbes Jahr, das Jürgen mit JAGO unter Wasser verbracht hat. Das entspricht etwa 1.250 Tauchfahrten à drei bis vier Stunden.
Jürgen kennt jeden Hebel, jeden Knopf und jede Schraube: „Ich könnte JAGO im Schlaf bedienen“, erzählt er, denn schließlich hat er JAGO mitgebaut. Seit über 20 Jahren taucht Jürgen nun schon mit dem gelben Tauchboot bis in 400 Meter Tiefe in den sieben Weltmeeren umher. „Bis auf die Antarktis, das hat sich bis jetzt noch nicht ergeben. Wir tauchen aber nicht nur im Meer, sondern manchmal auch in Seen, sogar in einem Süßwasser-See in Neuseeland waren wir schon.“ Auch vor JAGOs Zeit ist Jürgen schon im Ozean unterwegs gewesen. Damals noch mit dem Vorgänger GEO, die allerdings nur halb so tief tauchte wie JAGO.

Auf Expedition

JAGO fährt etwa zwei bis drei Mal im Jahr auf eine zwei- bis vierwöchige Expedition. Dann wird das drei Tonnen schwere Tauchboot mit allem Drum und Dran in einen normalen Seefracht Container gepackt und zum eigentlichen Forschungsschiff verschickt. Um mit JAGO arbeiten zu können, braucht man an Bord des Schiffes einen großen Kran, der fünf bis sechs Tonnen heben kann. Dass der Kran mehr aushalten muss, als JAGO wiegt, liegt lediglich an den Sicherheitsfaktoren, die man mit einberechnen muss.
Sind Forschungsschiff, JAGO, Pilot Jürgen Schauer und Teamkollegin Karen Hissmann mitsamt den Wissenschaftlern am Expeditionsziel angekommen und es nicht stürmt, kann es losgehen. Dann taucht Jürgen zweimal am Tag für jeweils drei bis vier Stunden mit einem Wissenschaftler unter Wasser.

JAGO wird mit Hilfe eines Krans in’s Wasser gelassen. (Foto: Karen Hissmann, GEOMAR)

JAGO wird mit Hilfe eines Krans in’s Wasser gelassen. (Foto: Karen Hissmann, GEOMAR)

In der Tiefe: Der Pilot steuert, der Wissenschaftler staunt

Anders als beim Autofahren gibt’s hier weder ein Navi, noch Verkehr. Außer vielleicht die Meeresbewohner. Nur mit einem Kompass, einem akustischem Navigationssender und einer Funkverbindung zum Forschungsschiff schweben JAGO und sein Team durch den Ozean. Der Sprechkontakt nach oben läuft über die gleiche Frequenz, in der Wale und Delphine sich unterhalten. Von oben aus kommen dann Navigations-Infos von Karen. Das klingt dann in etwa so: „Noch hundert Meter geradeaus“, „Dreht euch mal nach rechts“ oder „Richtung Süden bitte“. In 400 Metern Tiefe kann man schon mal die Orientierung verlieren. „Das ist manchmal ähnlich wie im Wald, wenn dort alles gleich aussieht.. Aber auch dort unten gibt es manchmal Landmarken und markante Strukturen, an denen man sich orientieren kann. Das kann ein dicker Felsen sein, ein besonderes Riff oder ähnliches“, erzählt der Pilot. Mit Propellerantrieb geht es dann voran.

„Forschung soll ja nicht bequem sein!“

In JAGO hat man etwa drei Kubikmeter Platz. Die Sitze, auf denen sich der Wissenschaftler und Jürgen niederlassen können, sind leicht versetzt hintereinander angebracht. „Das ist zwar nicht super bequem, aber so soll Forschung ja auch nicht sein“, sagt Jürgen. „Wenn man dort unten ist und völlig neue Welten entdeckt – dann vergisst man all das Unwichtige. Auch die Rückenschmerzen, die man vielleicht hat.“ Dann werden Proben von Organismen, Gesteinen oder Sedimenten genommen, Fotos und Videos gemacht und der Tauchgang gut dokumentiert. Mit LED-Leuchten ist dort alles klar und deutlich sichtbar. Damit die Wissenschaftler die Größe der einzelnen Objekte besser einschätzen können, gibt es sogar zwei Laserpunkte, die einen Abstand von 50 Zentimetern zueinander haben und so am Meeresboden als Maßstab dienen.

Das JAGO-Team Jürgen Schauer und Karen Hissmann. (Foto: Maike Nicolai, GEOMAR)

Das JAGO-Team Jürgen Schauer und Karen Hissmann. (Foto: Maike Nicolai, GEOMAR)

Auftauchen, bitte

Sind dann alle Proben und Daten gesichert, macht JAGO sich wieder auf den Weg an die Oberfläche. Wenn der Seegang nicht zu stark ist, ist dieses Auftauchen relativ problemlos. Das Tauchboot wird wieder an einem Haken befestigt und mit Hilfe des Krans an Deck des Forschungsschiffes gezogen. Bevor die Luke aufgeht, muss keinerlei Druckausgleich oder ähnliches erfolgen. Denn die drei Kubikmeter Luft in JAGO sind hermetisch abgeriegelt. Das heißt, sobald der Deckel runterklappt, wird der Atmosphärendruck im Inneren eingeschlossen und die Besatzung kann ganz normal atmen. „Wir lassen permanent fein dosierten Sauerstoff in den Kabinenraum strömen und haben einen Filter für die Kohlenstoffdioxid-Absorption dabei. So können wir ständig frisch-gefilterte Luft atmen.“
Wieder an Bord kann anschließend das Material gesichtet und sich auf die nächste Fahrt vorbereitet werden.

Dies ist zunächst nur ein kleiner Einblick in die Welt vom einzig bemannten Forschungstauchboot in Deutschland. Welche wissenschaftlichen Wunder JAGO schon so alle entdeckt hat und was er mit dem sonntäglichen Tatort zu tun hat, gibt es hier zu lesen.

Viel Spaß beim Abtauchen 😉
Gesa

– Übersicht: Hinter den Kulissen des GEOMAR

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Steckbrief

Name: JAGO
Titel:  Einziges bemanntes Forschungstauchboot Deutschlands
Größe: Länge 3,0 Meter, Breite 2,0 Meter, Höhe 2,5 Meter
Gewicht in der Luft: 3 Tonnen
Tauchtiefe: 400 Meter
Geschwindigkeit: 1 Knoten ( etwa 1,852 Kilometer pro Stunde)
Besatzung: 1 Pilot und 1 Beobachter
Ausrüstung: Unterwassernavigations- und Positionierungssystem, Kompass, Tiefenmesser, vertikales und horizontales Sonar, Unterwasserkommunikation UT, Scheinwerfer, Blitze, Laser-Vermessung,   hydraulischer Greifarm, digitale video- und Fotokameras, CTD, Sammelanlage für Organismen, Gas, Wasser, Fluide, Sedimente, Gesteine
Aufenthaltsorte: Je nach Aufgabe: Unter Wasser, auf Schiffen oder in einer Halle des TLZ
Transport: Wenn es auf Expedition geht, dann wird JAGO in einen 1×20’ ISO Container verpackt und verschifft

2 thoughts on “5000 Stunden unter dem Meer

  1. Wunderbarer geschriebener Artikel, so stelle ich mir Werbung für ein Forschungsinstitut vor! Ich freue mich schon sehr, mehr über das GEOMAR zu erfahren 🙂

    • Danke schön Petra 🙂
      Die “Hinter den Kulissen des GEOMAR”-Reihe ist noch lange nicht zuende, also schau hier ruhig öfter mal vorbei oder behalt Twitter im Auge 😉
      Viele Grüße nach Darmstadt!
      Gesa

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