Wertschätzung und Zusammenarbeit: Intergenerational bitte! / Appreciation and Collaboration: Intergenerational, Please!

von Lilly Rosenkranz

————————————————–english version below——————————————————————–

Im öffentlichen Diskurs nehmen intersektionale Perspektiven häufig die Diversitätsdimensionen Geschlecht, Race und Klasse in den Fokus. Neben diesen viel- und auch notwendigerweise diskutierten Dimensionen spielt auch das Lebensalter in sozialen In- oder Exklusionsprozessen eine Rolle.

Werden Menschen aufgrund ihres Alters ausgegrenzt oder benachteiligt, wird von Altersdiskriminierung gesprochen. Im englischsprachigen Raum gibt es dafür den Begriff „Ageism“ (lt.: eɪdʒɪzəm) oder „Ageismus“. Die WHO definiert sie als „Stereotype (wie wir denken), Vorurteile (wie wir fühlen) und Diskriminierung (wie wir handeln) gegenüber anderen oder sich selbst aufgrund des Alters“. Altersdiskriminierung wird oft im öffentlichen Diskurs über Diversität vernachlässigt, zeigt sich jedoch beispielsweise im Arbeitsleben oder in politischen Fragen. Betroffene erkennen die Diskriminierung selten, da Altersstereotype meist verinnerlicht sind.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat im Jahr 2022 eine Studie zu Altersbildern und Altersdiskriminierung durchgeführt. Eines der zentralen Ergebnisse war, dass der Beitrag alter Menschen zum gesellschaftlichen Fortschritt mehrheitlich als gering wahrgenommen wird. Dabei stimmte etwa jede zweite Person dieser und auch der Aussage zu, alte Menschen sollten beispielsweise nur bis zu einem bestimmten Alter politische Ämter haben dürfen. Spannungsfelder zwischen den Altersgruppen zeigt die Studie auch in der Einschätzung des politischen Einflusses der Generationen und bei Fragen des Klimaschutzes.

Mich erschreckt die große Zustimmung zu einer Altersbeschränkung von politischen Ämtern, auch wenn ich die Gründe dafür nachvollziehen kann. Im Kontext der Klimakrise schießen mir einige Gedanken durch den Kopf, die die Ergebnisse der Studie für mich nachvollziehbar machen: Wessen Zukunft und Lebensraum wird durch wen gestaltet? Macht es Sinn, dass zu großen Teilen Menschen ihre Wählerstimmen abgeben und damit über eine Zukunft entscheiden, die sie selbst nicht erleben werden? Können wir davon ausgehen, dass der Blickwinkel der heutigen Politik auch die Interessen der zukünftigen Generationen kennt und einbezieht? Werden dabei die relevanten Themen mit der nötigen Priorität berücksichtigt? Wer kann bestimmen, was Relevanz hat?

Mein Kopf dreht sich, immer mehr Fragen tauchen auf. Ein großer Teil meines Lebens liegt noch vor mir und meine Generation hat dabei (Grüße an den demographischen Wandel) an den Wahlurnen verhältnismäßig wenig richtungsweisende Möglichkeiten. Und das, obwohl viele der heutigen Entscheidungen die Gestaltungsmöglichkeiten unserer zukünftigen Lebensentwürfe formen. 

Dass 40 Prozent der befragten Menschen aus der Studie sagen, sie fühlen sich von der älteren Generation im Stich gelassen, folgt daraus, dass sie den politischen Einfluss der älteren Generation höher einschätzen als den der jüngeren Generation. Mit Blick auf den demografischen Wandel ist diese Perspektive durchaus nachvollziehbar. Die heutigen politischen Entscheidungen werden sich anders auf die Zukunftsgestaltung junger Menschen auswirken als auf das Erleben von den Menschen, die bereits ein höheres Alter haben und Zeugen der frühen Auswirkungen der Klimakrise werden, jedoch die längerfristigen Folgen nicht selbst erleben werden.

Doch Menschen aus älteren Generationen durch eine Altersbegrenzung von politischen Ämtern kategorisch abzusprechen, dass sie im Interesse ihrer Nachwelt handeln können, wäre falsch. Beispielsweise gibt es im Bereich des Graswurzelaktivismus der Klimabewegung Gruppen wie die Omas for Future oder die (Grand-)Parents for Future, die sich für die Sichtbarkeit von älteren Menschen in der Bewegung einsetzen. Sie nutzen ihre Erfahrung und Stimmen, um auf die Folgen des Klimawandels für zukünftige Generationen hinzuweisen und um eine gerechte und nachhaltige Zukunft für ihre Kinder und Enkelkinder zu unterstützen. Diese Gruppen arbeiten mit jüngeren Generationen zusammen, um das Verständnis für die Auswirkungen des Klimawandels zu fördern und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Als Vertreterinnen und Vertreter vergangener Jahrzehnte können sie eine wichtige Perspektive einbringen.

Dieses Beispiel soll nicht die Sorgen der jüngeren Altersgruppen entkräften. Der Konflikt zwischen quantitativen Mehrheiten in Wählerstimmen und der altersorientierten Repräsentation der Interessenvertretung der zukünftigen Generationen besteht. Doch der implizierte Ausschluss der Menschen von der Beteiligung an gesellschaftlich relevanten Themen beruht auf einer Annahme, dass Beiträge aus älteren Generationen die Interessen der zukünftigen Generationen nicht einbeziehen und Perspektiven aus diesen Generationen keinen relevanten Mehrwert für zukünftige Herausforderungen bilden.

Dabei haben Menschen verschiedener Lebensalter ganz unterschiedliche Erfahrungs- und Wissensbestände. Während beispielsweise ein Teil der Menschen (um es anschaulich mit Stereotypen zu zeigen) mit digitalen Medien aufgewachsen ist und diesen das Erlernen von neuen Technologien leichter fällt, verfügen andere Menschen durch langjährige Berufserfahrung oder politisches Engagement über mehr Souveränität im Umgang mit schwierigen Situationen oder Wissen über die vorangegangenen Entwicklungen bei einem Thema. Interessierte, verständnisorientierte Gespräche können es möglich machen, herauszufinden, wie die Expertisen der verschiedenen Menschen positiv für die gemeinsame Sache genutzt werden können, sodass sie sich ergänzen und unterstützen können. Intergenerationale Zusammenarbeit und Wertschätzung könnte zudem auch den Ausblick auf das eigene Altern erhellen. Da haben wir alle etwas von!

Ob im Beruf, auf der Ebene des politischen Engagements oder in einem der vielen anderen Bereiche, die jeden Menschen in unserer Gesellschaft etwas angehen: Um miteinander und auch voneinander zu lernen, kann es wichtig und bereichernd sein, (alters)diskriminierende Verhaltensweisen aufzuspüren, eigene Vorannahmen wohlwollend anzuzweifeln, zu reflektieren und daran zu arbeiten, diese aufzulösen.

Ausgehend von den Studienergebnissen schlug die Antidiskriminierungsstelle übrigens vor, das „Lebensalter“ in den Artikel 3 des Grundgesetzes aufzunehmen, der das Verbot der Ungleichbehandlung aufgrund unterschiedlicher Diversitätskategorien regelt. Eine weitere Studie zur Diskriminierung junger Menschen ist ebenfalls in Planung.


—————————————-english version———————————————

In public discourse, intersectional perspectives often focus on diversity dimensions such as gender, race, and class. In addition to these frequently and necessarily discussed dimensions, age also plays a role in social inclusion or exclusion processes.

When people are excluded or disadvantaged due to their age, it is referred to as age discrimination. In the English-speaking world, the term for this is “ageism” (pronounced: ˈeɪdʒɪzəm). The World Health Organization (WHO) defines it as “stereotypes (how we think), prejudices (how we feel), and discrimination (how we act) against others or ourselves based on age.” Ageism is often overlooked in public discourse on diversity but is evident, for example, in the workplace or in political matters. Those affected rarely recognize the discrimination because age stereotypes are usually internalized.

In 2022, the German Federal Anti-Discrimination Agency conducted a study on age perceptions and age discrimination. One of the central findings was that the contribution of older people to societal progress is mostly perceived as minimal. Approximately half of the respondents agreed with statements suggesting that, for instance, older people should only be allowed to hold political offices up to a certain age. The study also revealed tensions between age groups in assessing the political influence of generations and in climate protection issues.

The significant support for age restrictions on political offices is concerning to me, even though I can understand the reasons behind it. In the context of the climate crisis, several thoughts come to mind that make the study’s results understandable for me: Whose future and living space are being shaped by whom? Does it make sense for a large part of the population to cast their votes and decide about a future they won’t experience themselves? Can we assume that today’s political perspective understands and includes the interests of future generations, prioritizing the relevant issues? Who can determine what is relevant?

My mind is spinning, more and more questions arise. A large portion of my life still lies ahead, and my generation has relatively limited influential opportunities (greetings to demographic change) at the ballot box. Yet, many of today’s decisions shape the possibilities for our future life paths. The fact that 40 percent of surveyed individuals feel abandoned by the older generation follows from the perception that the political influence of the older generation is held in higher regard than that of the younger generation. Given the demographic shift, this perspective is understandable. Today’s political decisions will impact the shaping of young people’s futures differently than the experiences of those who are already older and witnessing the early effects of the climate crisis but won’t personally experience its longer-term consequences.

However, categorically denying older generations the ability to act in the interest of future generations through age-based restrictions on political offices would be incorrect. For instance, within the grassroots activism of the climate movement, there are groups like “Omas for Future” (Grandmothers for Future) or “Parents for Future” who advocate for the visibility of older people in the movement. They utilize their experience and voices to highlight the consequences of climate change for future generations and to support a just and sustainable future for their children and grandchildren. These groups collaborate with younger generations to promote an understanding of the impacts of climate change and to develop solutions together. As representatives of past decades, they can contribute an important perspective.

This example is not intended to diminish the concerns of younger age groups. The conflict between quantitative majorities in voting and age-oriented representation of the interests of future generations exists. Yet, the implied exclusion of people from participating in socially relevant issues is based on an assumption that contributions from older generations do not consider the interests of future generations and that perspectives from these generations do not provide significant added value for future challenges.

People of different ages have vastly different reservoirs of experience and knowledge. While, for instance, a portion of people (to illustrate with stereotypes) have grown up with digital media and find it easier to learn new technologies, others, through years of professional experience or political engagement, possess more confidence in dealing with difficult situations or knowledge about past developments in a subject. Interested and understanding conversations can help uncover how the expertise of different individuals can be positively utilized for the common good, complementing and supporting one another. Intergenerational collaboration and appreciation could also shed light on our own aging process. We all have something to gain from that!

Whether in the workplace, in political engagement, or in one of the many other areas that concern every person in our society: To learn from each other and with each other, it can be important and enriching to identify (age) discriminatory behaviors, kindly question our own assumptions, reflect, and work on resolving them.

Building on the study’s results, the Federal Anti-Discrimination Agency also suggested adding “age” to Article 3 of the Basic Law, which regulates the prohibition of unequal treatment based on different diversity categories. Another study on the discrimination of young people is also in the planning stages.

Weiterführende Links:

Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Studie zu Ageismus (2022): https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/forschungsprojekte/DE/Studie_Ageismus_Altersdiskr_Dtl.html

(Grand-)Parents for Future: https://www.parentsforfuture.de/de/%C3%BCber-uns