FS Sonne, 17. Januar 2015, 16° 41.64′ N 59° 57.35′ W

Dieses Angebot in der Messe rettet mir jede Nacht das Leben. / This arrangement in the mess-room saves my life every night. ©Meike Klischies Dieses Angebot in der Messe rettet mir jede Nacht das Leben. / This arrangement in the mess-room saves my life every night. ©Meike Klischies

Ein Nachteulenbericht

Des Nachts, wenn die Musik im Hangar verstummt, die Labore und Flure wie ausgestorben erscheinen oder alle gemeinsam das neue Jahr begrüßen, dann beginnt meine Arbeit. Regelmäßig erschreckt meine nach Kaffee suchende Erscheinung Mitglieder der Besatzung, die zu solcher Stunde nur selten mit wachen Wissenschaftlern rechnen. Meine wissenschaftlichen Kollegen verwirre ich mit meiner unregelmäßigen Anwesenheit zu Meetings und Mahlzeiten und sorge auf abendlichen Veranstaltungen mit einem verschlafenen Blick für Verwunderung. Ich bin Meike Klischies, Masterstudentin an der Uni Kiel, arbeite als „HiWi“ am Geomar und hier an Bord überwache ich das Fächerecholotsystem (kurz „Multibeam“ vom engl. multi-beam echosounder) von Mitternacht bis sechs Uhr morgens.
Seitdem wir die ökonomische 200-Meilenzone (engl.: exclusive economic zone = EEZ) der Kapverden verlassen haben, kartieren wir mit dem Multibeam kontinuierlich den Meeresboden unter uns. Zwar arbeitet das System überwiegend automatisch und auch sehr zuverlässig, doch Systemabstürze gibt es hin und wieder, weshalb das System ständig überwacht werden muss. Da ein Hauptziel dieser Expedition eine möglichst großflächige Kartierung des Meeresbodens entlang der Vema-Transformstörung ist, müssen wir für möglichst lückenlose Daten sorgen. Deshalb behalten wir das System ständig im Auge – auch nachts, über die Weihnachtstage oder Neujahr.
Wir, das ist das Bathymetrie-Team, bestehend aus insgesamt vier Geowissenschaftlern mit unterschiedlichsten Spezialisierungsbereichen, aber einem gemeinsamen Interesse an der Ozeanbodenkartierung mit Schiffsdaten sowie Daten vom AUV (autonomes Unterwasservehikel). So habe ich mich in meinem Masterstudium nicht nur auf die geologische Interpretation von bathymetrischen Daten spezialisiert, sondern beschäftige mich auch mit hydrothermalen Systemen und Erzlagerstätten am Meeresboden. Um sechs Uhr früh werde ich von Dr. Nico Augustin abgelöst. Er ist Geologe am Geomar und auf die Kartografie und Interpretation tektonischer und vulkanischer Prozesse in aktiven Riftzonen spezialisiert (besonders interessiert ihn das Rote Meer, das genau wie der Mittelatlantische Rücken zu den langsam spreizenden Rifts gehört). Am Nachmittag, von 12 bis 18 Uhr, überwacht Dr. Isobel „Izzy“ Yeo das Multibeam. Sie ist Vulkanologin und interessiert sich für die Bildung ozeanischer Kruste an Mittelozeanischen Rücken. Außerdem arbeitet sie mit bathymetrischen Daten und Seitensichtsonar-Daten des AUV. Zusammen mit Nico leitet sie unser Team. Sie koordinieren die Kartierungen zusammen mit dem Fahrtleiter und den Wissenschaftlern anderer Fachbereiche für die Stationsarbeiten. Dirk Metz, Doktorand für marine Geologie und Geophysik an der Universität Oxford, komplettiert unser Team und löst Izzy um 18 Uhr mit seiner Schicht ab, um dann um Mitternacht wieder an mich zu übergeben.
Während unseren Schichten greifen wir regelmäßig die Rohdaten des Multibeam ab und erstellen als erstes (und wichtigstes) Sicherheitskopien. Danach bereinigen wir die Daten von Ausreißern und Fehlmessungen. Dieses (sehr Zeitintensive) prozessieren der Daten erfordert ein fundiertes Verständnis über die Struktur und die Geologie des Meeresbodens. Aus den „geputzten“ Daten erstellen wir dann digitale Geländemodelle (engl. digital elevation models = DEM), die wir in unser Geoinformations-System (GIS) einpflegen. In diesem Projekt sammeln wir alle verfügbaren Daten, erstellen Karten und planen auf Grundlage dessen die weitere Kartierroute und die Stationsarbeiten.
Außerdem berechnen wir für unsere eigene Forschung mit diesen Höhenmodellen verschiedenste Geländestatistiken und vieles mehr. So werten wir z.B. auch die Rückstreuungsdaten des Multibeam (engl. backscatter) aus, quasi die akustische Reflektivität des Meeresbodens. Zusammen mit Gesteins- und Sedeimentproben der Petrologen und Biologen, können wir dann die Backscatterdaten und das Geländemodell geologisch interpretieren. Ein Ziel dieser Ausfahrt ist es, die Entstehung ozeanischer Kruste über die Zeit zu rekonstruieren. Die älteste von uns kartierte Kruste ist etwa 110 Millionen Jahre alt und zu einer Zeit entstanden, als Dinosaurier die Erde bewohnten. Im Moment befinden wir uns genau über dem Rift des Mittelatlantischen Rückens, wo ganz neue ozeanische Kruste gebildet wird – genau jetzt.
Heute Nacht beginnt die Stationsarbeit im aktiven Zentrum der Vema-Verwerfungszone am Mittelatlantischen Rücken und ich bin einmal nicht als einzige Wissenschaftlerin wach. Während wir auf Station sind und ortsfest bleiben, haben wir Bathymetriker Zeit, die neuesten Daten zu prozessieren, Karten vorzubereiten, die für die Stationsarbeit benötigt werden und ich habe etwas Zeit diesen Blogeintrag zu schreiben. Dann werde ich gleich mit den anderen „Spätstücken“ und den Tag verschlafen.

Also dann… Guten Morgen!
Meike Klischies, Geomar – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.


[English]

A night owl’s report

At night, when the music dies away in the hangar, the labs and corridors are deserted or everybody welcomes the New Year – then, my work begins. My appearance from the shadows in search of coffee regularly shocks crew members that do not expect to see an awake scientist during the depths of night. My colleagues are confused by what seems like my random attendance at meetings or meals and astonished by my sleepy look during evening events. I am Meike Klischies, a master’s student at the University of Kiel, working as a “HiWi” at Geomar and here on board, I monitor the multi-beam system from midnight until 6 a.m.
Since we left the exclusive economic zone (EEZ) of the Cape Verdes, we have been mapping the seafloor underneath the ship with the multi-beam echosounder continuously. Although the system dominantly works automatically and is very reliable, such systems can crash, so they must be monitored continuously. As a main goal of this cruise is to map the seafloor along the Vema Fracture Zone extensively, we need to avoid gaps in the data – this means the system must be watched all the time, even during the night, on Christmas and New Year.
We, the bathymetry team, consist of four geoscientists with different backgrounds and research profiles, but all of whom have an interest in seafloor imaging, both using ship data and the Autonomous Underwater Vehicle (AUV). During my master’s studies, I specialized in hydrothermal systems and ore deposits on the seafloor, besides the geological interpretation of bathymetric data. At 6 a.m., Dr. Nico Augustin takes over, geologist at Geomar, focusses on the cartography of tectonic and volcanic processes in active rift zones (in particular the Red Sea, a slow-spreading rift like the Mid-Atlantic Ridge). In the afternoon, from noon till 6 p.m., Dr. Isobel Yeo “Izzy” watches the multi-beam system. She is a volcanologist focussing on how new ocean crust is constructed at mid-ocean ridges and works predominantly with ship multibeam and AUV sidescan sonar data. Together with Nico, she leads our team. They are responsible for the coordination and planning, alongside the chief scientist and the scientists of other disciplines, of the station work. Dirk Metz is a PhD student in marine geology and geophysics at the University of Oxford, and completes our team, covering the watch from 6 p.m. until midnight.
During our shifts, we regularly copy the raw data from the system and, first and most importantly, produce backup copies. Then we process the data. For this (very time consuming) editing process a firm foundation in morphology and structure of the seafloor is necessary, so that just outliers and wrong soundings are rejected. Based on this “cleaned” data we calculate a digital elevation model (DEM) and load this into a geoinformation system (GIS) project. In there, we collect all available data, produce maps and plan the next mapping surveys and work stations.
Moreover, we use the DEM for diverse geomorphological statistics for our own reearch. We also examine the so called backscatter information from the multi-beam system (basically the reflectivity of the seafloor). This data is used in combination with the information from rock and sediment sampling to interpret our bathymetric model in terms of geology. One aim of this cruise is to reconstruct the formation of oceanic crust over time. The oldest seafloor we mapped so far is about 110 million years old and was formed at a time dinosaurs inhabited the Earth. At this moment, we are directly above the rift of the Mid-Atlantic Ridge, where brand-new oceanic crust is beeing formed, right now.
Tonight, our station work begins within the active center of the Vema Transform Fault at the Mid-Atlantic Ridge, and, unusually, I am not the only scientist awake! During working station, we do not change our position and this gives us bathymetrists the time to process data, produce the maps that are needed for station work and I can write this blog entry. After that I am going to have “latefast” and then it’s off to bed for me, just as the other scientists are getting up for the day.

So… Good Morning!
Meike Klischies, Geomar – Helmholtz-Centre for Ocean Research Kiel

Meike überwacht die Monitore. / Meike on watch. ©Meike Klischies

Meike überwacht die Monitore. / Meike on watch. ©Meike Klischies

Nico erstellt gerade die Graphik für diesen Blogeintrag. / Nico is preparing the figure for this blog entry. ©Nico Augustin

Nico erstellt gerade die Graphik für diesen Blogeintrag. / Nico is preparing the figure for this blog entry. ©Nico Augustin

Izzy arbeitet an AUV-Seitensichtsonardaten. / Izzy is working on sidescan sonar data. ©Nico Augustin

Izzy arbeitet an AUV-Seitensichtsonardaten. / Izzy is working on sidescan sonar data. ©Nico Augustin

Dirk überprüft die Einstellungen am Multibeam. / Dirk is checking the runtime parameters of the multibeam system. ©Nico Augustin

Dirk überprüft die Einstellungen am Multibeam. / Dirk is checking the runtime parameters of the multibeam system. ©Nico Augustin

Links eine topographische Karte vom Kreis Plön und Kiel (Daten vom US Geological Survey) mit einer Auflösung von 30 m. Rechts ein Ausschnitt der Multibeam-Bathymetrie, die wir auf dieser Expedition in drei Linien (in Ost-West-Richtung) kartiert haben und in 60 m Auflösung darstellen können. Die Farbgebung der Karten ist an die jeweiligen Höhenunterschiede angepasst, der Maßstab ist jedoch bei beiden Karten gleich. / Left: A topographic map of the Plön-Kiel area (data from the US Geological Survey) in a 30 m spatial resolution. Right: A part of our multibeam bathymetry produced during this expedition that consists of three swath lines (trending east-west) and gridded in 60 m spatial resolution. The colour codes of the maps are adapted to the range in elevations (or depths), but the scales are the same in both maps. ©Nico Augustin

Links eine topographische Karte vom Kreis Plön und Kiel (Daten vom US Geological Survey) mit einer Auflösung von 30 m. Rechts ein Ausschnitt der Multibeam-Bathymetrie, die wir auf dieser Expedition in drei Linien (in Ost-West-Richtung) kartiert haben und in 60 m Auflösung darstellen können. Die Farbgebung der Karten ist an die jeweiligen Höhenunterschiede angepasst, der Maßstab ist jedoch bei beiden Karten gleich. / Left: A topographic map of the Plön-Kiel area (data from the US Geological Survey) in a 30 m spatial resolution. Right: A part of our multibeam bathymetry produced during this expedition that consists of three swath lines (trending east-west) and gridded in 60 m spatial resolution. The colour codes of the maps are adapted to the range in elevations (or depths), but the scales are the same in both maps. ©Nico Augustin

One thought on “FS Sonne, 17. Januar 2015, 16° 41.64′ N 59° 57.35′ W

  1. Liebes Sonne 237 Team,

    klasse dieser Blog-ich schaue regelmäßig rein und finde wirklich alles interessant! DANKE, dass ihr euch alle so viel Mühe gebt und diese tollen Einträge neben der Arbeit schreibt. Ich wünsche euch noch eine gute Fahrt und viel Erfolg bei allen Projekten.

    Viele Grüße aus Kiel!

    PS: Meikeeeeeee!!! Aufstehen!! =)

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