FS Sonne, 16. Januar 2015, 14° 8.55′ N 55° 34.12′ W

Größe der meisten Polychaeten im Vergleich zu meiner Fingerkuppe / The size of most polychaetes in comparison to my fingertip. ©Simon Bober Größe der meisten Polychaeten im Vergleich zu meiner Fingerkuppe / The size of most polychaetes in comparison to my fingertip. ©Simon Bober

Borstige Freunde

Auf die Frage, in welchem Bereich der Biologie ich arbeite, antworte ich mit Meeresbiologie bzw. – Ökologie. Der erste Gedanke der meisten Gesprächspartner geht dann sofort in Richtung „mit Delfinen schwimmen“, „Robben und Wale streicheln“ oder „Schildkröten retten“. Diese muss ich dann leider sofort berichtigen und erklären, dass ich auf Würmer spezialisiert bin. Genauer gesagt: sogenannte Vielborster/ Borstenwürmer (Polychaeten). Daraufhin reagiert die Mehrheit mit Ekel und Unglaube, da sich jeder gleich schleimige, hässliche Tiere vorstellt. Auch das kann ich dann in der Regel nicht auf mir sitzen lassen. Zugegeben, Polychaeten können etwas gruselig aussehen, aber ihre Erscheinungsformen sind auch extrem vielfältig und farbenfroh, wobei ich dabei bestimmt nicht objektiv bin. Viele Menschen haben beim Schnorcheln oder Tauchen sogar meist schon einige Borstenwürmer bestaunt ohne zu wissen, dass es sich bei den bunten, fächerförmigen Gebilden um solche handelt. Auch die bekannten Wattwürmer gehören zu den Borstenwürmern. Polychaeten spielen eine sehr wichtige Rolle im Ökosystem, da sie einen großen Teil der Nahrungskette ausmachen und den Meeresboden umgraben und dabei auflockern, was zur Bioturbation und so zur Versorgung des Meeresbodens mit Sauerstoff beiträgt. Manche Arten können große Riffe bilden, die zum Küstenschutz beitragen. In unserem Arbeitsgebiet, der Tiefsee, sind die Tiere, die wir finden meist eher farblos, dafür aber für mich mindestens genauso spannend wie ihre bunten Flachwasserverwandten. Man muss sich nur mal vorstellen, dass die Proben aus 5 km Tiefe kommen und viele Arten noch völlig unbekannt sind. Das heißt, dass ich Lebewesen zu sehen bekomme, die vor mir noch kein Mensch gesehen hat. Wer kann das schon von sich behaupten? Neben vielem anderen treibt diese Neugier auf Neues und teilweise noch Unerforschtes mich an. Jede kleine Entdeckung die wir hier auf der Fahrt machen bringt uns ein Stück näher an das Verständnis für unsere Umwelt, unsere Entstehungsgeschichte, sowie das Wissen über die zum größtenteils unbekannte Tiefsee, die einen so großen Teil unserer Welt ausmacht. Wale und Robben streicheln ist auf jeden Fall auch schön, doch für mich haben borstige Würmer einfach mehr Anziehungskraft!


[English]

Bristly friends

If I have to explain my field of scientific, my answer is always marine biology and ecology. Most people associate this with „swimming with dolphins“, „cuddling seals and whales“, or „saving sea turtles“. Unfortunately I have to proof them wrong immediately. I am studying worms. More precisely with so-called bristle worms (polychaetes). Then most people react with disgust and surprise, as they promptly think of ugly, slimy animals. Then I have to proof them wrong again. To be honest, polychaetes can look scary, but their appearance can also be very diverse and colourful, and I am definitely not objective. I’m sure a lot of people have been fascinated by bristle worms before, especially while they went snorkelling or diving, without even knowing that these brightly coloured, fanlike structures are bristle worms. The well-known lugworms are bristle worms, too. Polychaetes also play an important role in the ecosystem. They form a major part of the food web and they are burrowing through the seafloor which is causing bioturbation, supplying the sediment with oxygen. Some species can also build large reefs protecting coastal areas. In our current working area, the deep sea, the animals we find are mostly colourless, but they are as exciting for me as their relatives from shallower waters. You have to realise these samples are coming from 5 km depth and most species are still unknown. This means, I’m in the position to see animals which nobody has ever seen before. Who else has experienced this? This curiosity of discovering the unknown and the unstudied is my main driving force, next to many other reasons. Every little question we answer is part of the understanding of our surroundings and the way life has developed, as well as increasing knowledge about the deep sea, which is major habitat of our world. Of course cuddling whales and seals is nice, too, but studying bristle worms is much more attractive for me!

Theresa Guggolz, Universität Hamburg, Centrum für Naturkunde, Zoologisches Museum Hamburg

Ein sogenannter “Fächerwurm” (Sabellidae) aus der Tiefsee / So called “fan worms” (Sabellidae) of the deep sea. ©Torben Riehl

Ein sogenannter “Fächerwurm” (Sabellidae) aus der Tiefsee / So called “fan worms” (Sabellidae) of the deep sea. ©Torben Riehl

Typischer Mix von verschiedenen Polychaeten einer Station. / Typical mix of polychaetes from one station. ©Simon Bober

Typischer Mix von verschiedenen Polychaeten einer Station. / Typical mix of polychaetes from one station. ©Simon Bober

Einer meiner Würmer (Opheliidea) / One off my worms (Opheliidea). ©Simon Bober

Einer meiner Würmer (Opheliidea) / One off my worms (Opheliidea). ©Simon Bober

Beim Sortieren einer Probeim Labor / Sorting a sample in the lab. ©Marina Malyutina

Beim Sortieren einer Probeim Labor / Sorting a sample in the lab. ©Marina Malyutina