FS Sonne, 29. Dezember 2014, 10° 15.61′ N 32° 20.77′ W

Vesicomya (Tiefseemuschel) von der Seite / Vesicomya deep-sea mussel) from the side. ©Torben Riehl Vesicomya (Tiefseemuschel) von der Seite / Vesicomya deep-sea mussel) from the side. ©Torben Riehl

Vema-TRANIST – Kann eine Tiefsee-Expedition als Sanatorium dienen?

Meiner Meinung nach ja. Ihr mögt Euch fragen wie und im Folgenden werde ich Euch meine Ansicht erklären.

Ich bin eine Wissenschaftlerin mittleren Alters mit gleichzeitiger Projekt- und Mitarbeiterverantwortung, inclusive der unvermeidbaren Verwaltungspflichten, und die meiste Zeit des Jahres an Land im Büro, vor dem Computer  sitzend, anzutreffen. Während ich versuche zu klären, warum das Online-Bestellsystem des Institutes mal wieder nicht funktioniert, warum die seitenlangen Formulare der Verwaltung immer ohne Vorwarnung kommen und innerhalb von 24 Stunden ausgefüllt sein müssen und ich die Budgetausgaben bis zum Ende des Finanzjahres voraussagen muss, frage ich mich, warum ich vor 21 Jahren Biologie studiert habe. Die Antwort ist, ich wollte Meeresbiologe werden und die wirbellosen Tieren, die am Meeresboden leben, im Südozean um die Antarktis herum, studieren. Und das habe ich dann auch gemacht und mit viel Glück eine unbefristete Wissenschaftlerstelle bekommen, die über die Jahre die Management- und Verwaltungsaufgaben mit sich brachte.

So, warum genieße ich dann die Zeit auf See so sehr? Nicht nur weil ich auf dem Meer an Bord eines Forschungsschiffes bin, sondern auch weil ich die Zeit dafür habe, das zu tun, weshalb ich Biologie studiert habe – um die Meerestiere und ihre Gemeinschaften und den Lebensraum zu erforschen und um die ersten Einblicke in die Tiefen des Ozeans mit Kollegen und Freunden an Bord zu diskutieren. Wie zuvor schon im Blog erwähnt wurde, ist der Tag an Bord gut strukturiert durch die festgesetzten Essenszeiten, daher kann man gut darum herum planen. Das Leben an Bord hat auch den Vorteil, dass das Zuhause (Kabine) und der Arbeitsplatz (Labor oder Deck) nah beieinander sind und es weniger als 5 Minuten dauert, um von einem zum anderen zu kommen. Kein Sitzen im Auto, während man sich dem allmorgendlichen Stau auf dem Weg ins Büro anschließt. Das ist eine gesparte Stunde, die ich versuche für mich zu verwenden und ich tue so, als würde ich jeden Tag in den Dienst und nach Hause radeln. FS Sonne hat einen Sportraum, der mit Fahrrädern, Rudermaschine, Gewichten und Bänken ausgestattet ist. Dieser Raum wird nicht nur benötigt, um fit zu bleiben, sondern auch um gegen die extra Pfunde anzukämpfen, die als dunkle Wolke über einem hängen, verursacht durch das leckere Essen. Zu Hause kann ich mich selten zwischen einem gekochten Frühstück und 5 verschiedenen Brot- und Brötchensorten entscheiden – dies würde zeigen dass ich zu viel Zeit mit dem Einkauf von Lebensmitteln verbracht habe. Und die Variabilität an schmeckendem und gesundem Essen zieht sich durch die Mahlzeiten – und jeder hat die Wahl, ob er die Standfestigkeit hat diesen Versuchungen zu widerstehen oder nicht. Auf dieser Expedition versuche ich zu widerstehen und darum plane ich schon den nächsten Besuch des Sportraumes.

Was die wissenschaftlichen Arbeitstage angeht, so kann man sie in zwei Kategorien einteilen: 1) die Tage auf Station, an denen die benthischen Geräte ausgesetzt werden, Proben an Bord gebracht und für die weiteren Analysen zu Hause fixiert werden, und 2) die „Transittage“ zur nächsten Station, „Transittage für die Biologen, da die Geophysiker und Geologen dann den Meeresboden kartieren, an denen die Proben der vorherigen Station sortiert werden.

Für mich ist das Sortieren der Meeresbodensedimente und das Heraussammeln der Tiere zwischen den Sandkörnern und Foraminiferenschalen eine Belohnung, da ich dafür zurück im Institut kaum Zeit finde. Hier bekomme ich ein Fenster in die Gemeinschaften der kleinen Tiere, die zusammenleben, zu sehen. Später im Institut werde ich nur die vorsortierten Gläschen mit meiner Interessengruppe, den Muscheln, bekommen, um sie auf Artniveu zu bestimmen und ihre molekularen Beziehungen zu analysieren. Am Binokular sitzend finde ich nicht nur Muscheln (bisher noch nicht allzu viele von ihnen), sondern auch kleine Würmer mit Igel-gleichen Stacheln auf dem Rücken und kleine Krebstiere, die wie Kommas (Cumaceen) oder Ausrufezeichen (Asseln der Familie Ischnomysidae) aussehen. Die nächste Aufgabe ist für mich die Muscheln in morphologische Arten aufzuspalten (gleichaussehende Muscheln in ein Gläschen), Torben zu bitten, einzelne Tiere zu fotografieren und an Bord die DNA aus diesen Tieren zu extrahieren. Wieder ein Arbeitsschritt der mir, an Bord gemacht, für zu Hause Zeit spart. Zurück im Institut werde ich über die nächsten Monate an den Muscheln der Vema Transform arbeiten, die Anzahl ihrer Arten zählen, ihr Vorkommen an Stationen notieren und die Unterschiede in der Artenzusammensetzung und den Häufigkeiten zwischen den Stationen analysieren. Die extrahierte DNA wird dazu benutzt werden, ausgewählte Gene zu sequenzieren und mit Sequenzen von Muscheln derselben Gattung aus dem Antarktischen Ozean und der Tiefsee des Südatlantiks, zu vergleichen. Zu meinem Glück teilen sich die Antarktischen Muscheln viele Gattungen mit der weltweiten Tiefsee und daher habe ich schon viele bekannte Formen gesehen.

Der andere Unterschied zu zu Hause ist, dass ich mich hier auf die fast täglichen wissenschaftlichen Sitzungen freue – während zu Hause über Budgets, Arbeitspläne und Sitzungsprotokolle diskutiert wird – werden wir hier über die neusten Ergebnisse aus den Laboren informiert, über die Planung der nächsten Station und über die speziellen Forschungsthemen der Kollegen. Auf einer Expedition die sich aus Biologen, Protozoologen, Ozeanographen, Geologen und Geophysikern, sowie den Meerestechnikern des AUVs (Autonomous Underwater Vehicle) zusammensetzt, hört und lernt man viel über verschiedene Disziplinen und Wissenschaftsrichtungen, was weitere Ideen und Diskussionen anregt.

An diese Stelle werde ich den Blog beschließen und mich wieder der Wissenschaft widmen.
Katrin Linse
British Antarctic Survey, Cambridge

 


[English]

Vema-TRANIST – can a 24/7 deep-sea expedition act as health spa?

My opinion is “Yes, it can”. You might want to know how and in the following I will explain my view to you.

I am a middle-aged scientist with project and staff management responsibilities, including administration inevitable tasks, and based most of the year in an office on land, sitting in front of a computer. While sorting out why the institutional online ordering system failed, why multi-page long administration forms appear without notice and to need to be submitted within 24 hours and forecasting the budget spent until the end of the financial year, I ask myself why I studied biology 21 years ago. The answer is, I wanted to became a marine biologist and study the invertebrates that live on the seafloor in the Southern Ocean that surrounds Antarctica. And so I did and I was even lucky enough to get an open-ended research position, which over the years brought the management and administration tasks with it.

So, why do I enjoy the time at sea so much? Not only because I am at sea on board of a research vessel but also because I have the time to do what made me study marine biology in the first place – to investigate the marine animals and their communities and habitat and to discuss these first glimpses into the depth of the ocean with colleagues and friends on board. As mentioned before, a day on board is well structure by set meal-times so you can plan around it. To live on the ship has the advantage that your home (cabin) and workplace (lab or deck) are close to each other and so it takes less than 5 minutes to get from one to the other. So no sitting in a car, joining the daily traffic jam in the morning on the way to the office. This is an hour saved that I try to use for myself and pretend to cycle into work and home every day. RV Sonne has a gym that is equipped with exercise bikes, rowing machine, weights and benches. This room is not only needed to stay fit but also to fight the extra pounds off that hang like a dark cloud above caused by the delicious food that is served. I rarely at home have the choice between a cooked breakfast and 5 different types of bread and rolls –this would imply too much time spent (food) shopping. And that variety of tasty and healthy food items run throughout the different meals – and it is your choice or stamina to resist these temptations or not. I try to resist during this expedition and then plan another session in the gym.

Regarding the scientific work days, they are split into two categories: 1) the days on stations, when the benthic equipment is deployed, the samples are retrieved on board and need to be prepared and fixed for further analyses at home, and 2) the days “in transit” to the next stations, well “in transit” transit for the biologists as this is the time when the geophysicists and geologists run their bathymetric surveys, when the samples from the previous stations are being sorted. For me sorting the seafloor sediment and picking the animals between the sand grains and foraminiferan shells is a treat, as I barely find time for this back in the institute. Here it gives me a window into the communities of the small-sized macrofauna animals that live together. Later in the institute I will receive the pre-sorted vials of my group of interest, the bivalves (e.g. clams, mussels, oysters), to identify to species level and to analyse their molecular relationships. Sitting at the stereomicroscope on board, I do not only find bivalves (and not many of those until now) but also small polychaetes (worms) with hedge-hog like bristles on the back and small crustaceans looking like commas (cumaceans) or exclamation marks (isopods the family Ischnomysidae). The next process for me will be to divide the bivalves into morphospecies level (everybody looking alike into one vial), to ask Torben to photograph single specimens and to extract their DNA on board, again for me a step done on board is time saved at home. Back in the institute and over the next months I will work on the Vema Transform bivalves, count their species numbers, record their presence at stations and analyse the differences in species composition and abundance between stations. The extracted DNA will be used to sequence selected genes and compare them with sequences taken from bivalves of the same genus from the Southern Ocean and South Atlantic deep sea. Luckily for me, Antarctic bivalves share many genera with the global deep sea, so I have seen many familiar shapes already.

Another difference to home is that I am looking forward to the almost daily science meetings – while at home budgets, forward job plans and meeting notes are discussed – here we are updated on the latest results from the lab, the plans for the next stations and on our colleagues’ special subject areas. And on an expedition comprising benthic biologists, protozoologists, oceanographers, geologists and geophysicists as well as marine technicians for the AUV (Autonomous Underwater Vehicle), you hear and learn a lot about different disciplines and science subjects that spark further ideas and discussions.

And on this note, I will close the blog and go back to do science.
Katrin Linse
British Antarctic Survey, Cambridge

 

Beim Sortieren der Proben / Sorting the samples ©Thomas Walter

Beim Sortieren der Proben / Sorting the samples ©Thomas Walter

 

Das Sortierlabor / The sorting laboratory. ©Thomas Walter

Das Sortierlabor / The sorting laboratory. ©Thomas Walter

 

Ich auf dem Heimtrainer / Me on the exercise bike. ©Thomas Walter

Ich auf dem Heimtrainer / Me on the exercise bike. ©Thomas Walter

 

Heute! Das erste Schiff das wir “sehen” / Today! The first time we see another ship. ©Thomas Walter

Heute! Das erste Schiff das wir “sehen” / Today! The first time we see another ship. ©Thomas Walter

 

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