Ein Abend im Geiste der Nachhaltigkeit

Christoph Corves zum Nachhaltigkeitsbegriff (Foto: Friederike Balzereit, Future Ocean)

Im Rahmen der Ringvorlesung des Exzellenzclusters Future Ocean fand am Dienstagabend die vierte Veranstaltung unter dem Titel „Ozean der Zukunft – Nachhaltigkeit als Kompass“ statt. Ungefähr 150 Gäste hatten den Weg ins Audimax der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel gefunden, um unter der Moderation von Frau Dr. Barbara Neumann einer vierköpfigen Expertenrunde zum Thema Nachhaltigkeit beizuwohnen. Das Konzept der Ringvorlesung sieht vor, dass jedem der vier Gastredner ein Zeitfenster von zehn Minuten zugeschrieben wird, innerhalb dessen ein kurzes Plädoyer zum jeweiligen Thema formuliert wird. Im Anschluss an die Plädoyers erfolgt dann eine offen geführte Diskussion zwischen Plenum und Vortragenden.

„Inflationäre Verwendung.“

 Den verbalen Aufschlag in die Diskussion lieferte Prof. Dr. Konrad Ott, seines Zeichens Philosoph und Ethiker an der CAU. „Nachhaltigkeit“, so Ott, sei zunächst ein Ausdruck, der „inflationär verwendet“ werden würde; sie sei praktisch eine ungeschützte Markenbezeichnung die sich ein Jeder nach gut dünken auf die Fahne schreiben könne. Doch: „Mit inflationärer Verwendung wächst der Umfang eines Begriffs wodurch seine Bedeutung sinkt.“ Was also tun, um sich dem Phänomen zu nähern? Ott führte das Plenum an Hand von vier Büchern durch einen philosophischen Begriffsbildungsprozess und bildete damit das theoretischen Fundament für die weiteren Wortbeiträge.

„Das interessiert hier keine Sau.“

Norman Laws von der Leuphana Universität in Lüneburg griff diesen Gedanken auf, und transformierte die abstrakte Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit auf die praktische Ebene der nachhaltigen Entwicklung. Im Rahmen einer für den WWF angefertigten Studie hatte Laws den normativen Wert nachhaltiger Entwicklung im politischen Berlin untersucht. „Nachhaltigkeit sollte einen strategischen Stellenwert haben“, so die Grundannahme der Forscher. Das Ergebnis der Studie, welche unter nachfolgendem Link eingesehen werden kann, fiel deutlich ernüchternder aus. „Das interessiert hier keine Sau“, so das wörtliche Zitat eines Referenten auf Ministerialebene. Laws schlussfolgert: Da der politische Stellenwert von Nachhaltigkeit kaum existent sei, wären politische Implikationen nachhaltiger Entwicklung grundsätzlich schwierig umzusetzen.

„Nachhaltigkeit lernen.“

Dass nachhaltiges Handeln auch umgekehrt funktionieren kann demonstrierte Prof. Dr. Christoph Corves von der Kiel School of Sustainability. Unter der Frage „Kann man Nachhaltigkeit lernen?“ begegnet Corves dem Gebiet der nachhaltigen Entwicklung auf gesellschaftlicher Ebene im Sinne des „Grassroot“-Gedankens. So ginge es bei tragfähigen Nachhaltigkeitsprojekte weniger um einzelne (politische) Individuen sondern viel mehr darum, Strukturen zu verändern. An exemplarischen Gründungsprojekten entsprungen aus dem „YOOWEEDOO“-Gründungskonzept für nachhaltige Entwicklung demonstrierte Corves eindrucksvoll, was damit gemeint war. Von alten Plastiktüten, die in modische Taschen verwandelt werden, über Honig aus dem Kieler Stadtgebiet bis zum fair gehandelten Bambus-Fahrrad entwickeln in Kiel Studenten unter der Anleitung von Corves tragfähige Modelle für nachhaltiges Leben.

„Nachhaltigkeit als Prozess.“

Als letzter Redner griff Jens Amsdorf den Corves’ Gedanken auf, und schlussfolgerte in einer retrospektiven Betrachtung von „Grenzen des Wachstuns“ (1972) und „Our Common Future“ (1982), dass Nachhaltigkeit als Prozess betrachtet werden müsse, der im Bezug auf den Ozean auch systemische Zusammenhänge an Land mit berücksichtigen müsse.