Projektwirren – Projektchancen

Seit September 2020 baue ich die Öffentlichkeitsarbeit für die drei ozeanischen Projekte REEBUS, CUSCO und EVAR auf. Interessierte finden die Projekte bereits auf Twitter, Instagram und Facebook. Auch dieser Blog soll ein Weg für Menschen sein, tiefer in den wissenschaftlichen Alltag einzutauchen und hinter die Kulissen von Wissenschaft zu blicken. Doch wie kommt es dazu, dass überhaupt drei Projekte eine eigene Wissenschaftskommunikation erhalten? Und wieso sind zwei davon (REEBUS und CUSCO) hauptsächlich am GEOMAR in Kiel angesiedelt und eins davon (EVAR) am IOW – Institut für Ostseeforschung in Warnemünde?

Das kleine Einmaleins der Projektförderung

Wenn ein Institut ein wissenschaftliches Projekt gefördert bekommen möchte, muss es einen Förderantrag bei einer offiziellen Förderstelle einreichen. Dort wird das Vorhaben geprüft. Zum Beispiel, ob die veranschlagten Kosten gut abgeschätzt und belegbar sind. Ob das beantragte Projekt erfolgsversprechend ist; also, ob daraus neue wissenschaftliche Erkenntnisse erwachsen, die veröffentlicht werden können. Ob diese Erkenntnisse anwendbar sein werden und wie die ethischen Rahmenbedingungen sind.

Wer eine Förderung in der Ozeanforschung beantragt, muss viel nachweisen, denn es geht um viel. Oftmals um Förderperioden von mehreren Jahren, die Bezahlung von Stellen, um Forschungsexpeditionen per Schiff, um Laborausrüstung und die Untersuchung von Proben. Und um Öffentlichkeitsarbeit. Die rückt manchmal etwas in den Hintergrund, weil sie nicht per se in der klassischen Wissenschaft angesiedelt ist. Aber mehr und mehr geht es auch um sie. Da kommt schon einiges an Finanzen zusammen, die gefördert werden müssen, damit wissenschaftliche Einrichtungen überhaupt im heutigen Umfang arbeiten und forschen können.

Nur einige wenige Förderstellen können diese großen Fördersummen zur Verfügung stellen, die mehrjährige Projekte in der ozeanischen Wissenschaft benötigen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung – bekannt unter dem Kürzel BMBF – ist so eine Stelle. Verwaltet werden die Ausschreibungen des BMBF, und auch die Bewerbungen darauf, zum Beispiel durch den Projektträger Jülich. Sozusagen die Schnittstelle zwischen Auftraggeber und den Zuwendungsempfänger*innen. Und sowohl die Leitung von Projekt EVAR als auch die von CUSCO und REEBUS haben im selben Förderzeitraum ihr Projekt bei einer Förderausschreibung des Projektträgers Jülich eingereicht.

Was drei Projekte trennt – und vereint

Anträge für drei Projekte, die unterschiedlicher nicht sein könnten. REEBUS untersucht die Funktion ozeanischer Wirbel (Strömungen) bei Cap Verde. CUSCO schaut sich mit speziellen ozeanischen Forschungsstrukturen – so genannten Mesokosmen – eines der produktivsten Fischereigebiete der Welt vor der Küste Perus genauer an. Und EVAR erforscht sowohl Wasser- als auch Sedimentproben des Benguela Systems in der Küstenregion vor Südwestafrika.

Doch eins eint alle drei Projekte: Sie alle wollen herausfinden, wie der Klimawandel auf diese verschiedenen, doch jeweils für die Fischerei hochwichtigen Meeressysteme einwirkt. Ob er sie verändert. Und wenn ja, zu unseren Gunsten oder zu unseren Ungunsten.

Dieses Potential hat auch der Geldgeber, das BMBF, erkannt – und die Projekte schlicht zusammengepackt. Zumindest, was die Förderung betrifft. Und kommuniziert werden, sollen die drei Projekte auch. Das war Bestandteil der Bewilligung. Es sind schließlich ziemlich aktuelle Themen, um die es da geht. Klimawandel. Nahrungsmittelversorgung.

Eine unerwartete Situation für die drei projektleitenden Professor*innen, die erst einmal nur ihr eigenes Projekt bei der Beantragung im Kopf hatten. Das Umdenken waren sie dank jahrelanger Erfahrung in ihren wissenschaftlichen Positionen zum Glück gewohnt. Das Umgehen mit Herausforderungen auch. Nach einer kurzen Phase der Neuorganisation wurde die Situation als Vorteil begriffen, regelmäßiger Austausch vereinbart und eine Person für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gefunden (hier komme ich ins Spiel).

Inzwischen haben auch die Wissenschaftler*innen in den drei Projekten ihre Gemeinsamkeiten entdeckt. So wurden auf einem kürzlich durchgeführten Projekte-Meeting die ersten Ergebnisse vorgestellt und die Schwierigkeiten besprochen, die durch Corona entstanden sind (alle drei Projekte mussten und müssen tiefgreifenden Veränderungen begegnen). Aber vor allem – und hier zeigt sich, wie sehr Wissenschaft Menschen verbindet – wurden freimütig Daten zwischen den Wissenschaftler*innen der so verschiedenen scheinenden Projekte ausgetauscht. Das ist ungewöhnlich. Oftmals stehen Daten erst nach einer offiziellen Veröffentlichung zur Verfügung. Eine Riesenchance, denn dies brachte die Zielsetzungen mehrerer Teilprojekte unerwartet ein gutes Stück nach vorn.

Letztlich entpuppt sich die ungeplante, anfänglich verworrene Entwicklung also als Vorteil für drei Projekte (und natürlich für mich). Aber vor allem entpuppt sie sich als eine schöne Metapher dafür, wie Wissenschaft das Potential bietet, die größtmögliche Vielfalt von Menschen nahe zusammenzubringen. Sogar online.


Autorin: Ann Kristin Montano

Ehemalige Wissenschaftlerin, die lange genug in anderen Bereichen gearbeitet hat, um Klischees über Wissenschaftler*innen aufzubauen. Arbeitet jetzt gern unter Wissenschaftler*innen, um die Klischees wieder abzubauen. Hat sich beim Schreiben dieses Artikels gefragt, wo man als Professor*in die Motivation hernimmt, immer wieder neue Großprojekte zu beantragen.

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