Navigators Wochenbericht: Ein Golf im falschen Ozean

Ein Land und zwei Golfe: Mexiko liegt zwischen dem Golf von Mexiko und dem Golf von Kalifornien. Eigentlich nicht zu verwechseln. Oder doch? Image reproduced from the GEBCO world map 2014, www.gebco.net Ein Land und zwei Golfe: Mexiko liegt zwischen dem Golf von Mexiko und dem Golf von Kalifornien. Eigentlich nicht zu verwechseln. Oder doch? Image reproduced from the GEBCO world map 2014, www.gebco.net

Eigentlich war es ein Routinejob: Copy aus der Word-Datei, paste in das Textfeld: “Discovery of a large hot vent site in the Gulf of California”… Moment…

“Sch…”

Die Kollegin am anderen Schreibtisch schaut mich über den Rand ihres Bildschirms hinweg fragend an.

“Ich glaub ich bin im falschen…”

“Film?”

“Ozean…”

Gibt es etwas Peinlicheres für ein Ozeanforschungszentrum als im falschen Ozean zu sein? Kaum.

Was war passiert? Ich habe Mist gebaut. So einfach ist das. Am Mittwoch wollte ich eine der in der vergangenen Woche angekündigten Pressemitteilungen veröffentlichen. Darin ging es um die Expedition des Forschungsschiffs SONNE, die heute in Guayaquil (Ecuador) endet. Schon Ende vergangener Woche hatte der Fahrtleiter gemeldet, dass das Team ein ungewöhnlich großes Hydrothermalfeld im Golf von Kalifornien entdeckt hat. Gemeinsam haben wir daraus eine Pressemitteilung entwickelt. Aufgrund der Zeitverschiebung zum Ostpazifik und nicht immer optimaler Internetanbindung auf See dauerte die Abstimmung einige Zeit. Doch am Mittwoch waren wir endlich so weit, dass ich die PM verschicken konnte.

Der Vorgang ist recht aufwendig. Zunächst muss die Meldung auf unsere Webseite gestellt werden. Dazu müssen die Texte kopiert, Bilder formatiert und hochgeladen, Links eingebaut und viele andere Kleinigkeiten im Content Management System (Typo3) beachtet werden. Anschließend verschicken wir den Text als Mail an unseren Presseverteiler.  Als nächstes laden wir ihn beim Internetportal “Informationsdienst Wissenschaft” (idw) hoch, bevor zu guter Letzt unsere Accounts bei Twitter, Facebook und teilweise Instagram an die Reihe kommen. Dann beginnt das Prozedere  von vorne für die englische Version.

Genau an diesem Punkt war ich Mittwoch am frühen Nachmittag. Ich kopierte gerade die englische Überschrift “Discovery of a large hot vent site in the Gulf of California” in das entsprechende Textfeld für unsere englische Webseite. Da stutzte ich. “Gulf of California”? Ist richtig. Da fand die Expedition statt. Aber stand es es auch so in der bereits veröffentlichten deutschen Version? Eine schnelle Kontrolle brachte Sicherheit. Dort stand “Golf von Mexiko”. Der liegt – klar! – nördlich der Karibik, ist also ein Randmeer des Atlantiks. Falscher Ozean! Der Golf von Kalifornien liegt auf der Pazifikseite von Mexiko. Auch VOR Mexiko. Trotzdem ist es nicht der Golf VON Mexiko. Keiner hat’s gemerkt. Ich auch nicht. Obwohl ich für den Text verantwortlich war. “Sch…”

Hektische  Schadensbegrenzung: Korrektur-Tweet, Eintrag auf der Webseite ändern, Korrektur-Mail an den Presseverteiler. Schweiß auf der Stirn. Die erste Mail von einer Kollegin: “Ihr seid im falschen Ozean”. Ja, ich weiß, Korrektur ist eingeleitet. Alle Textversionen durchsehen, neue pdf-Dateien erstellen, neue pdfs für die Webseite hochladen.

Schließlich und endlich auch noch einen korrigierten Eintrag bei idw eingestellt. Dann endlich die englische Version auf den Weg gebracht. Alles gut? Fast…

Am Donnerstag folgte per Mail ein deutlicher Rüffel vom idw. Wenn’s  kommt, dann richtig.

Eigentlich sollen Pressemitteilungen dort nicht doppelt eingestellt werden. Nachträgliche Änderungen sind nur über einen Änderungsvermerk am Ende des Textes zugelassen. Das hat durchaus seinen Sinn. Einmal eingestellte Pressemitteilungen müssen verlässlich sein, unendliche Änderungen sorgen für Verunsicherung.

Da in diesem Fall der Fehler aber grundlegend war und ganz oben unübersehbar in der fetten Überschrift prangte, hielt ich den vorgesehenen Weg für unzureichend. Gerade weil nicht jeder Journalist die Zeit hat, alle Texte bis zum Ende zu lesen. Und auch die Überschrift verlässlich sein sollte. Dabei ging es mir nicht darum, den Fehler zu verschleiern. Ich glaube, ich habe deutlich genug darauf hingewiesen (falls nicht, würde ich mich über konstruktive Kritik freuen). Es ging mir nur darum, dass niemand meinen Unsinn auch noch übernimmt.

Was den idw offenbar beunruhigt hat, war die Tatsache, dass ausgerechnet am Mittwoch Pressestellen gleich reihenweise fehlerhafte Pressemitteilungen eingestellt und regelwidrig neue, korrigierte Fassungen hinterhergeschickt haben. Ob das am Wetter lag? Egal. Das Argument, dass diese Vorgehensweise nicht zur Gewohnheit werden sollte, kann ich gut nachvollziehen. Wobei mich – wenn ich gaaaaaanz ehrlich bin – die Fehler der anderen sogar ein bisschen beruhigt haben. Es ist einfach schöner, wenn man nicht alleine Unsinn verzapft 🙂

Jetzt müssten aber wirklich überall die richtigen Information stehen. Tolle Entdeckung im Golf von KALIFORNIEN!

Zum Glück hat mir eine Kollegin die Woche gerettet, indem sie mich heute auf den Blogbeitrag “10 Regeln für eine gute Wissenschafts PM”  von @thomasorthmann aufmerksam gemacht hat.  Da steht zwar nichts davon, dass man Journalisten verwirren soll, indem man Ozeane vertauscht.  Aber einige andere Dinge kommen mir ebenfalls bekannt vor. Lesenswert!

 

In diesem Sinne: Ein schönes Wochenende,

 

Jan Steffen