Foraminiferen: Klimarekorder aus dem Meer

Raster-Elektronen-Mikroskop Aufnahme der planktischen Foraminifere N. dutertrei. Das abgebildete Exemplar ist etwa einen dreiviertel Millimeter groß. Foto: T. Böschen, GEOMAR

Vor kurzem kontaktierte ein Kollege die Pressestelle mit der Idee für eine Pressemitteilung. Es ging um CO2-Konzentrationen und Foraminiferen. Aber was genau sind eigentlich Foraminiferen und warum sind sie so spannend? Eine gute Gelegenheit, dem Thema auf den Grund zu gehen.

Foraminiferen sind Einzeller und gehören zur Gruppe der Amöbenartigen. Dementsprechend sind sie meist winzig. Dennoch spielen sie gleich mehrere wichtige Rollen im Ozean.

Viele Arten bauen ein Gehäuse aus Kalziumkarbonat, das den Weichkörper der Einzeller vor Umwelteinflüssen schützt. Im Deutschen werden die Foraminiferen manchmal auch als Kammerlinge bezeichnet, weil ihre Gehäuse häufig aus mehreren, verschieden großen Kammern aufgebaut sind. Das Wort foramen kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Loch oder Öffnung. Es bezeichnet die Öffnung im Gehäuse der Foraminiferen, durch das der Weichkörper der Einzeller austritt. Aufgrund ihrer einzigartigen Anpassung an (zum Teil extreme) Umweltbedingungen sind Foraminiferen nahezu überall im Ozean zu finden (sogar in der Challenger Tiefe: 10.000 m).

Generell unterscheidet man zwischen planktischen Arten, die im Wasser treiben, und benthischen Arten, die auf oder im Meeresboden beheimatet sind. Die planktischen Arten sind zwar mengenmäßig wesentlich bedeutender, aber die benthischen Foraminiferen haben eine erheblich größere Artenvielfalt. Die meisten Foraminiferen sind sehr klein, viele haben eine Größe von weniger als einem Millimeter! Allerdings gab (und gibt) es zum Teil auch Arten die Größen von mehreren Zentimetern erreichen konnten. Man denke nur an die faustgroßen Nummuliten. Nicht schlecht für eine einzelne Zelle! Übrigens stellen Foraminiferen eine der größten Quellen für Kalkstein dar: Der Kalkstein, aus dem die Pyramiden gebaut wurden, besteht fast ausschließlich aus Nummuliten.


Foraminiferen sind eine sehr alte Gruppe, sie existieren seit mindestens 560 Millionen Jahren. Weil sie auch oft als Fossilien sehr gut erhalten sind, werden sie für einige Erdzeitalter als so genannte Leitfossilien verwendet. Leitfossilien sind Organismen, die für eine kurze Zeit möglichst weit verbreitet waren. So kann über das Auffinden von bestimmten Foraminiferen-Arten in einem Gestein eine ungefähre Aussage über dessen Alter gemacht werden.

In der aktuellen Pressemitteilung ging es darum, wie Foraminiferen auf veränderte und erhöhte CO2-Konzentrationen reagieren. Das ist ein spannendes Forschungsfeld, weil diese Gruppe von Einzellern ein so breites Spektrum von Lebensräumen bewohnt und als kalkbildende Gruppe auf die Ozeanversauerung besonders sensibel reagiert. Aber für welche Forschungsfragen nutzen Wissenschaftler die Foraminiferen außerdem? Eine Möglichkeit ist es, die Zusammensetzung der einzelnen Arten in einem bestimmten Meeresgebiet genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei  untersucht der Forscher, welche Art wie häufig in einer bestimmten Wassertiefe vorkommt. Dadurch erfährt man, in welcher Wassertiefe sich bestimmte Arten am wohlsten fühlen. Untersucht man im Folgenden Foraminiferen-Proben aus der Vergangenheit dann kann man vergleichen, ob sich die Häufigkeit von Arten verändert hat oder ob es neue gibt oder ältere Arten plötzlich nicht mehr da sind. Aus diesen zahlreichen Informationen können die Wissenschaftler Rückschlüsse über die Lebensbedingungen der Foraminiferen ziehen. Das Ganze gibt dann Aufschluss über Umweltveränderungen beispielsweise im Klima oder Meeresspiegelschwankungen. Aber gibt es die Möglichkeit, diese Veränderungen noch genauer zu untersuchen?

Die Gehäuse der Foraminiferen bestehen aus Kalziumkarbonat und speichern verschiedene Umweltfaktoren. Weil die Gehäuse abgestorbener Foraminiferen im Meeresboden häufig gut erhalten sind, stellen sie ein großes und vielfältiges Archiv für die Wissenschaftler dar. Eine Möglichkeit ist es, stabile Sauerstoffisotope in den Schalen zu messen. Bestimmte Isotopen-Verhältnisse sagen etwas darüber aus, wie die Wassertemperatur zur Lebenszeit der Foraminifere war oder ob eine Eiszeit herrschte.

G. ruber_U. peregrina

Planktische Foraminifere G. ruber und benthische Art U. peregrina.
Foto: T. Böschen, GEOMAR

Die Wissenschaftler möchten aber gerne noch genauer wissen, wie die Wassertemperaturen der Vergangenheit waren oder auch, wie sich der Salzgehalt des Meerwassers verändert hat. Dazu kann man an den Schalen der Foraminiferen noch eine andere Analyse machen. Foraminiferen bauen in ihre Schalen die beiden Elemente Magnesium (Mg) und Kalzium (Ca) temperaturabhängig ein. Bei kälteren Temperaturen wird weniger Magnesium eingebaut, bei wärmeren entsprechend mehr. Das Mg/Ca Verhältnis sagt also etwas über die Umgebungstemperaturen zu Lebzeiten der Einzeller aus – und zwar auf etwa zwei Grad genau. Diese Informationen tragen dazu bei, das Klima vergangener Zeiten zu kennen und seine Entstehung sowie seine weltweiten Auswirkungen besser kennen zu lernen. Das ist sehr spannend, weil man auf diese Weise ein Archiv in die Vergangenheit öffnen kann, das am Meeresboden liegt und nur darauf wartet untersucht zu werden.

Foraminiferen sind also alles andere als langweilige Einzeller. Sie sind eine sehr vielfältige Gruppe von Lebewesen, die nahezu alle Meeresgebiete bewohnen. Ihre Vielfalt und die gute Erhaltung ihrer Gehäuse im Meeresboden machen sie für die Wissenschaftler zu einem unschätzbar wichtigen Archiv. Sowohl um die Ozeane vergangener Zeiten besser zu verstehen, als auch um heutige Umweltbedingungen zu studieren und dadurch die Möglichkeit zu haben, Prognosen über die Zukunft unserer Ozeane zu geben.

 

Weitere Informationen zu Foraminiferen, ihrer Beprobung und Untersuchung hier!