Eine Seefahrt, die ist…

Wer Fische fangen will, muss vor den Möwen aufstehen: Mein Wecker klingelt um 4 Uhr. Als ich anderthalb Stunden später in Maasholm ankomme, brennt nur in einem Haus am Hafen Licht – dem Haus von Kapitän Henning Petersen. Er nimmt heute den GEOMAR-Fischereibiologen Dr. Christoph Petereit, ein Team vom Schleswig-Holstein Magazin des NDR und mich mit auf Fangfahrt. Christoph will uns zeigen, wie er laichreife Schollen, Flundern und Dorsche sammelt und Eier befruchtet. Er hat mit Hilfe von Laborversuchen herausgefunden, dass die Fischeier aufgrund ihrer unterschiedlichen Dichte in verschieden salzhaltigen Wasserschichten der Ostsee „schweben“ und nur bei einem bestimmten Salzgehalt überleben. Kollegen haben seine Daten in ein Computermodell eingespeist und mehrere Strömungs-Szenarien durchgerechnet. Jetzt wissen sie: Der unterschiedliche Salzgehalt kann verhindern, dass sich Bestände aus verschiedenen Regionen der Ostsee vermischen und voneinander profitieren.

„Seid Ihr seefest“, rufen uns andere Fischer zu, als Hennings Sohn Daniel die Leinen der „Goodenwind II“ loswirft – irgendwie muss es sich in dem Dörfchen doch herumgesprochen haben, dass die Petersens heute Gäste an Bord haben… „Wird sich zeigen“, rufen Caroline Ebner vom NDR und ich gleichzeitig zurück. „Na, denn man to!“

Na, denn man to. An der Hafenausfahrt erwartet uns die Brandung. Die Goodenwind klettert eine Welle hinauf und lässt sich mit dem Bug in die nächste hineinfallen. Gischt spritzt über das Vordeck, wo Christoph sein Freiluft-Labor eingerichtet hat. Ich würde jetzt gern auf den Horizont schauen – aber dafür ist es noch zu dunkel. Wir schaukeln zu den Fischgründen und lassen im ersten Morgengrauen das Netz übers Heck ins Wasser. „So. In dreieinhalb Stunden wird gehievt“, meint Henning knapp und lehnt sich am Steuer zurück. Daniel verschwindet nach achtern.

Vorn im Bug haben die Petersens im besten Sinne „klar Schiff“ gemacht und ordentlich eingeheizt. Wir sinken in die Kojen und machen es uns zwischen Rettungswesten und Tauwerk bequem. Nach gefühlten zehn Minuten schrecke ich hoch: Die Goodenwind schwankt nicht mehr. Wir müssen zurück im Hafen sein. Ich habe alles verpasst. Da steckt Christoph den Kopf um die Ecke. „Wünsche angenehm geruht zu haben. In einer Stunde kommt das Netz an Deck.“ Der Tag ist immer noch jung. Frühstück.

Endlich: Daniel schmeißt die Winde an und schiebt das ratternde Drahtseil mit einer Stange mal nach rechts und mal nach links, damit sich nichts vertörnt. NDR-Kameramann Kevin Laske und ich suchen uns am Heck eine gute Position. Neben mir donnert ein Scherbrett an die Bordwand. Mittendrin sein? Oder doch lieber die Linse sauber halten? Seewasser, Schmodder vom Meeresboden, Algen, Möwendreck und wer weiß was pladdert auf uns herab. Christoph packt überall mit an und schnappt sich die dicksten Fische, als das Netz mittschiffs geöffnet wird. Er muss schnell zugreifen, denn Henning und Daniel sortieren Schollen, Klieschen, Flundern, Steinbutte, Seezungen, Dorsche und einen Seehasen ruck-zuck in die bunten Kunststoffkisten. Eine nach der anderen füllt sich und wird beiseite gewuchtet. Zwischendurch fliegt den Möwen, die über uns kreisen, etwas zu. Mittendrin sein? Oder doch lieber die Linse…? Wir stürzen uns auf die Bilder, lassen uns nass spritzen, trocknen Kameras und sind gleich wieder ganz nah dran.

„Geht los hier“ ruft Christoph vom Bug, während ich immer noch fasziniert zappelnde Plattfische und blitzschnelle Hände verfolge. Er hat ein fettes Flunder-Weibchen und ein stattliches Männchen dazu gefunden, gibt einige Eier in seinen Versuchszylinder, aktiviert ein wenig Sperma mit Seewasser und fügt es hinzu. Zwei Minuten warten – dann können die befruchteten Eier für die Versuche am Folgetag abgefüllt werden.

Noch einmal wird das Netz ausgeworfen. Noch einmal tuckern wir dreieinhalb Stunden übers Meer. Und noch einmal wird der Fisch an Deck unter dem Geschrei der Möwen in Windeseile sortiert. Als die letzte Kiste voll ist, passieren wir den Leuchtturm Schleimünde. Es wird schon wieder dunkel… Jetzt ein Fischbrötchen.

Film über die Fangfahrt und Laborarbeiten am GEOMAR