Kurs Malaga – der letzte Teil der Reise hat begonnen

Foto: Ulrike Panknin Foto: Ulrike Panknin

Vor vier Tagen haben wir unser Untersuchungsgebiet südlich der Azoren verlassen und befinden uns nun auf dem direkten Weg zu unserem Zielhafen Malaga an der Südspitze Spaniens. Die wissenschaftliche Crew wird dort von Bord gehen und die FS POSEIDON wird nach kurzem Aufenthalt ins westliche Mittelmeer aufbrechen, um dort mit Wissenschaftlern der Universität Oldenburg eine neue Forschungsmission zu beginnen. Da für uns auf dieser Transitstrecke keine weiteren wissenschaftlichen Arbeiten mehr anstehen, haben wir bereits damit begonnen, unsere Ausrüstung einzupacken, und die Labore aufzuräumen, die in den letzten 3 Wochen unser Arbeitsplatz waren. Das ist ein guter Moment, um eine Bilanz zu ziehen. Hat sich dieser große Aufwand, der mit der Nutzung eines Forschungsschiffes und der Arbeit der gesamten Schiffscrew sowie vieler WissenschaftlerInnen und TechnikerInnen verbunden war, gelohnt? Mit Blick auf die Menge an Proben, die wir haben gewinnen können, kann man diese Frage ganz klar mit „Ja“ beantworten. Dieser Teil der Mission war ein großer Erfolg. Wie ich allerdings in den letzten beiden Blogs bereits erläutert habe, werden wir erst in einigem zeitlichen Abstand zur Fahrt die ersten gesicherten Ergebnisse zur Belastung der nord-östlichen Sargassosee mit Mikroplastik haben. Denn dafür wird noch viel Laborarbeit vonnöten sein. Nehmen wir die Proben aus der Wassersäule, die wir mit dem Bongo-Netz gewonnen haben, hierfür einmal als Beispiel.

Das Bongo-Netz taucht beim Einholen seitlich vom Schiff wieder aus dem Wasser auf. Foto: Mark Lenz/GEOMAR
Das Bongo-Netz taucht beim Einholen seitlich vom Schiff wieder aus dem Wasser auf. Foto: Mark Lenz/GEOMAR

Wie mit diesem Netz gearbeitet wird, hatte ich im letzten Blog bereits beschrieben. In ihm findet man nach dem Einholen vor allem Krebstiere, Quallen und Manteltiere. Die allermeisten dieser Organismen sind übrigens sehr klein und können nur unter einer Stereolupe sicher erkannt werden. Die Quallen haben wir sofort nach dem Fang aus den Proben herausgesammelt, um sie separat einzufrieren. Sie werden, sobald die FS POSEIDON im Dezember wieder in Kiel einläuft, von einer Kollegin von der Universität Odense abgeholt und bearbeitet. Sie wird untersuchen, ob sich in den Mägen dieser Tiere Mikroplastik befindet. Genau das gleiche haben wir mit den Krebstieren vor, die die größte Gruppe innerhalb unserer Fänge bilden. Zurück am GEOMAR müssen die Proben, die dann immer noch alles bis auf die Quallen enthalten, aufwändig gesichtet und sortiert werden. Dabei werden wir die Tiere in taxonomische Gruppen aufteilen, um diese dann getrennt auf Mikroplastik zu untersuchen.
Um das Mikroplastik zu finden, das sich möglicherweise im Magen oder im Darm der kleinen Tiere befindet, müssen wir den organischen Teil der Probe, also das Gewebe und vor allem die Panzer der Krebse, auflösen. Ihr Außenskelett besteht aus Chitin und Kalk und kann, genau wie das weichere Gewebe, von Enzymen sowie von Säuren und Basen zersetzt werden. Dieser Vorgang entspricht im Prinzip dem, was in unserem Magen und Darm mit unserem Essen geschieht. Erst wenn dieser Verdau abgeschlossen ist, kann mit der Analyse der Proben fortgefahren werden. Vor allem das Arbeiten mit Enzymen ist aufwändig, denn man muss das Probenmaterial bei einer bestimmten Temperatur, bei der das eingesetzte Enzym optimal arbeitet, für längere Zeit inkubieren. Oft kommen auch mehrere verschiedene Enzymen nacheinander zum Einsatz, weil ein Enzym allein nur eine Stoffgruppe abbauen kann. Erst nach dem Reinigen der Proben und dem anschließenden Filtrieren des verbleibenden Materials kann mit der eigentlichen Identifizierung der Mikropartikel mit Hilfe des Raman-Spektroskops begonnen werden. Die Proben haben also auch nach unserer Reise noch einen weiten Weg vor sich.

 Alle Mikropartikel, die wir in unseren Proben finden werden, müssen letztendlich mit spektroskopischen Methoden identifiziert werden. Hier sieht man Dr. Matthias Haeckel vom GEOMAR an einem Raman-Spektroskop. Foto: Mark Lenz/GEOMAR
Alle Mikropartikel, die wir in unseren Proben finden werden, müssen letztendlich mit spektroskopischen Methoden identifiziert werden. Hier sieht man Dr. Matthias Haeckel vom GEOMAR an einem Raman-Spektroskop. Foto: Mark Lenz/GEOMAR

Das gilt eigentlich für alle Proben, die wir auf unserer Fahrt gewonnen haben. Auch die relativ großen Plastikteile, die wir mit dem Katamaran-Trawl eingesammelt haben, müssen noch spektroskopisch untersucht werden, um eindeutig festzustellen, um welche Polymere es sich bei ihnen handelt. Anhand der Zusammensetzung der ‚Plastiksuppe‘, die wir befischt haben, lassen sich eventuell Rückschlüsse darüber ziehen, woher das Material kommt. Stammt das Plastik vom europäischen Festland, aus der Karibik oder von der nordamerikanischen Küste? Oder handelt es sich vielleicht in der Hauptsache um Schiffsmüll oder um verlorene Ausrüstung aus der Fischerei?

Kleine Partikel, bei denen es sich sehr wahrscheinlich um Plastik handelt. Dies sind die Funde aus einem Katamaran-Trawl. Foto: Mark Lenz/GEOMAR
Kleine Partikel, bei denen es sich sehr wahrscheinlich um Plastik handelt. Dies sind die Funde aus einem Katamaran-Trawl. Foto: Mark Lenz/GEOMAR

Weitere Proben, deren Analyse ebenfalls noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, haben wir mit den Unterwasserpumpen gewonnen. Diese wurden vom Schiff aus in verschiedene Wassertiefen hinabgelassen, wo sie jeweils für mehrere Stunden Meerwasser durch sehr feine Filter gepresst haben. Hierfür wurden mehrere Pumpen in regelmäßigen Abständen an einem Stahlseil befestigt, das mit einem Gewicht beschwert und vom Schiff aus langsam nach unten gelassen wurde.

Die Unterwasserpumpen befinden sich in dosenförmigen Edelstahlgehäusen am oberen Ende eines Gestells, das an einem Drahtseil befestigt und vom Schiff aus in eine bestimmte Tiefe hinabgelassen wird. Foto: Mark Lenz/GEOMAR
Die Unterwasserpumpen befinden sich in dosenförmigen Edelstahlgehäusen am oberen Ende eines Gestells, das an einem Drahtseil befestigt und vom Schiff aus in eine bestimmte Tiefe hinabgelassen wird. Foto: Mark Lenz/GEOMAR

Die Pumpen selber sind mit einer Zeitautomatik versehen, die dafür sorgt, dass sie erst zu arbeiten beginnen, wenn wirklich alle Einheiten ihre Einsatztiefe erreicht haben. Außerdem müssen sie natürlich mit dem Pumpen aufhören, bevor sie wieder an die Oberfläche geholt werden.
Sobald die Pumpen wieder an Deck waren, wurden die Filter entnommen und für die spätere Analyse konserviert. Auf ihnen befinden sich die mikroskopischen Partikel, die vorher in einer bestimmten Tiefe in der Wassersäule schwebten. Im Vergleich zu den Netzen sind diese Pumpen also ein Werkzeug mit dem sich sehr zielgenau Proben aus einem bestimmten Bereich der Wassersäule entnehmen lassen. Das ist für unsere Arbeit sehr wichtig, denn wir wollen ja herausfinden wo im weiten Raum zwischen Meeresoberfläche und Tiefseeboden sich Mikroplastik befindet. Der Einsatz der Pumpen verhält sich also zu den Netzen ungefähr so wie ein Skalpell zu einer Motorsäge. Allerdings haben die Pumpen den großen Nachteil, dass wir nur sehr kleine Wasservolumina damit beproben können. Pro Einsatz sind dies nur wenige hundert Liter, während das Bongo-Netz das Volumen eines Schwimmbeckens durchfischt. Beide Methoden haben also ihre Vor- und Nachteile und in dieser frühen Phase der Forschung zu Mikroplastik im Ozean ist es wichtig, beide Verfahren einzusetzen.

Ähnlich filigran wie die Arbeit mit den Unterwasserpumpen ist die Probennahme mit den driftenden Sedimentfallen. Auch sie erlauben nur relativ kleine Probenumfänge, lassen sich dafür aber sehr zielgenau einsetzen. Ähnlich wie die Pumpen werden sie an einem Seil fixiert, das von einem Gewicht in die Tiefe gezogen wird. Auftriebskörper am oberen Ende des Seils verhindern, dass die ganze Aufhängung in die Tiefsee hinabsinkt. Wird das Seil schließlich zwischen Auftriebskörper und dem Gewicht gespannt, befinden sich die Sedimentfallen auf genau definierten Tiefenstufen. Dort verbleiben sie für mehrere Tage und sammeln Partikel ein, die sich auf dem Weg aus den oberen Wasserschichten in Richtung Meeresboden befinden. Bei diesen Partikeln handelt es sich in der Hauptsache um organisches Material, wie beispielsweise abgestorbene einzellige Algen. Dieser Partikelregen versorgt die Tiefsee mit Nahrung und stellt zudem eine wichtige Senke für Kohlenstoff auf unserem Planeten dar. Denn der Kohlenstoff, der in die Tiefsee hinunter ‚regnet‘, wird dort für sehr, sehr lange Zeit gebunden. Dies ist vor allem in Zeiten hoher CO2-Emissionen ein sehr wichtiger Mechanismus, der der Atmosphäre CO2 entzieht. Unser Verdacht, und auch der vieler anderer Wissenschaftler, ist, dass dieser Partikelregen auch zunehmend Mikroplastik enthält. Ob das so ist, wollen wir mit den Sedimentfallen herausfinden. Bei den Fallen handelt es sich um 80 cm lange Röhren, die nach oben hin offen sind.

Dr. Luisa Galgani und Jon Roa bereiten die Sedimentfallen für ihren Einsatz vor. Sie werden vor dem Aussetzen mit filtriertem Seewasser gefüllt. Die untere Schicht wird dabei mit Salz angereichert, um ihre Dichte zu erhöhen. Foto: Mark Lenz/GEOMAR
Dr. Luisa Galgani und Jon Roa bereiten die Sedimentfallen für ihren Einsatz vor. Sie werden vor dem Aussetzen mit filtriertem Seewasser gefüllt. Die untere Schicht wird dabei mit Salz angereichert, um ihre Dichte zu erhöhen. Foto: Mark Lenz/GEOMAR

In ihnen befindet sich eine Schicht aus gefiltertem Seewasser, das bereits vor dem Absetzen der Fallen hineingefüllt wurde. Darunter liegt eine weitere Schicht aus Meerwasser mit einem höheren Salzgehalt. Diese verbleibt, weil sie schwerer ist, im unteren Bereich der Röhren. Diese schwere Phase verhindert, dass Partikel, die einmal in die Falle gelangt sind, wieder ausgewaschen werden. Das spannendste an den Sedimentfallen war allerdings, dass sie unabhängig vom Schiff eingesetzt wurden. Sie drifteten für 5 Tage autonom durch das Meer und verrieten uns über Sender ihre Position, während die FS POSEIDON ihren Weg fortgesetzt hat, um uns an anderen Stellen im Seegebiet, die Probennahme zu ermöglichen.

Weg der Sedimentfallen zwischen dem 29. August und dem 3. September. Graphik: Mark Lenz/GEOMAR
Weg der Sedimentfallen zwischen dem 29. August und dem 3. September. Graphik: Mark Lenz/GEOMAR

Die entscheidende Frage war natürlich, ob wir die Fallen auch wiederfinden würden. Insgesamt zweimal haben wir während unserer Fahrt dieses Manöver durchgeführt, das aus dem Aussetzen und dem Einholen der Fallen bestand. Beides dauerte jeweils ungefähr eine Stunde. Die Bilder 7-9 zeigen den Ablauf und die Arbeitsschritte beim Aussetzen der Fallen.

Die einzelnen Röhren werden in kreuzförmigen Aufhängungen befestigt. Auf jeder Tiefenstufe werden mehrere Röhren ausgebracht. Foto: Mark Lenz/GEOMAR
Die einzelnen Röhren werden in kreuzförmigen Aufhängungen befestigt. Auf jeder Tiefenstufe werden mehrere Röhren ausgebracht. Foto: Mark Lenz/GEOMAR
Die einzelnen Kreuze mit den Röhren werden dann nacheinander gehievt und dann seitlich vom Schiff hinabgelassen. Für jede der folgenden Tiefenstufen wurde ein solcher Aufbau am Seil befestigt: 50 m, 100 m, 150 m, 200 m, 300 m, 400 m, 500 m und 600 m. Foto: Mark Lenz/GEOMAR
Die einzelnen Kreuze mit den Röhren werden dann nacheinander gehievt und dann seitlich vom Schiff hinabgelassen. Für jede der folgenden Tiefenstufen wurde ein solcher Aufbau am Seil befestigt: 50 m, 100 m, 150 m, 200 m, 300 m, 400 m, 500 m und 600 m. Foto: Mark Lenz/GEOMAR
Die ausgesetzten Fallen treiben davon. Mehrere Schwimmkörper halten das Seil in der Wassersäule und eine gelbe Boje mit einem Sender und einem Blinklicht markieren die driftende Konstruktion. Foto: Mark Lenz/GEOMAR
Die ausgesetzten Fallen treiben davon. Mehrere Schwimmkörper halten das Seil in der Wassersäule und eine gelbe Boje mit einem Sender und einem Blinklicht markieren die driftende Konstruktion. Foto: Mark Lenz/GEOMAR

Der Inhalt der Sedimentfallen wird nach dem Einsammeln abfiltriert und die Filter dann konserviert. Auch ihre Analyse erfolgt erst nach unserer Rückkehr ans GEOMAR in Kiel.

Die einzigen Daten, die wir sofort auswerten können, sind die aus den Müllzählungen, die wir während unserer Fahrt durchgeführt haben. Insgesamt haben wir 50 Stunden lang die Meeresoberfläche neben dem Schiff beobachtet und dabei alles an treibendem Müll gezählt. Ich möchte hier einige Ergebnisse aus diesen Müllzählungen vorstellen. Erst einmal hat sich gezeigt, dass der allergrößte Teil des treibenden Mülls tatsächlich aus Plastik besteht. 99% dessen, was wir auf dem Wasser gesehen haben, war mutmaßlich Kunststoff. Die restlichen 1 % waren Holzteile und Glasflaschen. Dann waren die Müllteile vor allem sehr klein. Nur 27% des Mülls waren größer als 10 cm und 50% sogar kleiner als 5 cm. Außerdem war der Müll nicht gleichmäßig auf dem Meer verteilt. Die Karte 2 zeigt die Fahrtabschnitte auf denen wir Müll gezählt haben und die dazugehörige Grafik gibt die Häufigkeit von Müllsichtungen entlang dieser Transekte wieder. Warum wir keine homogene Verteilung des Mülls gesehen haben, können wir momentan noch nicht erklären. Hierfür müssen die Beobachtungen noch mit Strömungs- und Winddaten abgeglichen werden.

Positionen der Litter Monitoring Transekte. Graphik: Mark Lenz/GEOMAR
Positionen der Litter Monitoring Transekte. Graphik: Mark Lenz/GEOMAR
Müllmengen pro Stunde. Graphik: Mark Lenz/GEOMAR
Müllmengen pro Stunde. Graphik: Mark Lenz/GEOMAR

All diese Aktivitäten sind nun abgeschlossen und wir werden die Zeit während des Transits nach Malaga für das Schreiben erster Fahrtberichte und für Organisatorisches zu nutzen. Die Logistik einer solchen Expedition ist aufwändig und unsere ganze Ausrüstung muss in Malaga auf ein anderes Schiff verladen werden, das sie dann wieder zurück nach Kiel transportiert. Die FS POSEIDON braucht nämlich wieder Platz für neues Gerät, das auf der nachfolgenden Expedition zum Einsatz kommt. Unsere Fahrt nach Malaga gestaltet sich übrigens recht schaukelig, denn es ist Wind aufgekommen und der Atlantik ist nun deutlich rauer als zur Zeit unserer Probennahmen. Wir merken jetzt auch, wieviel Glück wir eigentlich mit dem Wetter hatten.
Zum Ende dieser Fahrt möchte ich mich noch einmal ausdrücklich bei der Mannschaft der FS POSEIDON für die großartige Zusammenarbeit bedanken. Es war für uns alle aus dem wissenschaftlichen Team eine tolle Erfahrung so professionell und uneingeschränkt unterstützt zu werden.

Ich werde in Zukunft noch des Öfteren über die nachfolgenden Analysen und später dann auch über die Ergebnisse unserer Untersuchungen auf oceanblogs.org berichten. Behalten Sie Mikroplastik54°N im Auge. Im nächsten Beitrag wird es übrigens bodenständig. Es wird dann wieder um Schleswig-Holstein gehen und um Mikroplastik in unseren Ackerböden. Einen größeren Kontrast zu dem, was wir hier gemacht haben, kann ich mir gerade nicht vorstellen.

Blick über das Arbeitsdeck in die untergehende Sonne. Foto: Mark Lenz/GEOMAR
Blick über das Arbeitsdeck in die untergehende Sonne. Foto: Mark Lenz/GEOMAR

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