Mikroplastik in Ackerböden – Die übersehene Verschmutzung?

Ivy Harms bestimmt am FT-IR-Spektroskop aus welchen Polymeren die gefundenen Partikel bestehen. Foto: Saskia Trögell Ivy Harms bestimmt am FT-IR-Spektroskop aus welchen Polymeren die gefundenen Partikel bestehen. Foto: Saskia Trögell

Mikroplastik wurde bereits im Meer, in Seen und in Flüssen gefunden. Doch wie sieht es eigentlich auf dem Land, insbesondere in den zur Nahrungsmittelproduktion genutzten Ackerböden, aus? Hierzu wissen wir noch so gut wie nichts.

Deutschlandweit gibt es zurzeit nämlich erst eine Studie zum Thema Mikroplastik in Ackerböden. Und das obgleich mehr als 50% der Fläche Deutschlands landwirtschaftlich genutzt werden und Ackerland mit über 11 500 ha den größten Anteil dieser genutzten Fläche einnimmt. Ein Forscherteam der Universität Bayreuth hat 2018 auf einer Ackerfläche in Bayern Bodenproben aus einer Tiefe von 5 cm genommen, die enthaltenen Kunststoffteile von den organischen und mineralischen Komponenten des Bodens getrennt und mit spektroskopischen Methoden identifiziert. Gefunden haben sie 206 Mikroplastikteile pro Hektar und konnten damit für Ackerböden ein bisher ungeahntes Maß an Kontamination durch Kunststoffe aufzeigen. Die gefundene Menge ist insofern besonders beunruhigend, da auf der untersuchten Fläche in den letzten Jahren weder Mulchfolien noch Düngemittel, wie Klärschlamm oder Kompost, verwendet wurden. Diese wurden in der Vergangenheit nämlich in verschiedenen Studien als Senken für Mikroplastik identifiziert. Als Abfall, der bei der Abwasserbehandlung entsteht, besteht Klärschlamm aus organischen und mineralischen Stoffen und beinhaltet zudem die Kunststoffe, die ins Abwassersystem gelangen. Dies sind z.B. Fasern aus synthetischer Kleidung, die beim Waschen frei werden, oder kleine Peelingkörper aus Kosmetika. Kompost ist der geschredderte und kompostierte Biomüll von Haushalten und aus der Industrie. Leider wird er vor der Entsorgung nicht immer ausgepackt und die Verpackung ist dann Teil des Abfalls bzw. es wird fälschlicherweise Kunststoffmüll in die Biomülltonne geschmissen, so dass dieser dann mit in die Kompostierung gelangt und schlussendlich auf den Äckern landet.

In unseren Masterarbeiten untersuchen wir – Ivy Harms und Saskia Troegel – nun ein größeres Gebiet als die Bayreuther Kollegen und führen eine Datenerhebung für ganz Schleswig-Holstein durch. Ivy wird dabei die räumliche Verteilung des Mikroplastiks auf den Ackerschlägen untersuchen und stellt sich vor allem die Frage, ob die Plastikpartikel über die drei Tiefen, aus denen wir Bodenproben genommen haben, sowie innerhalb eines Schlags gleichmäßig verteilt sind. Darüber hinaus wird sie ermitteln, ob die Zusammensetzung der gefunden Partikel auf allen beprobten Feldern die gleiche ist und ob es Plastikpolymere gibt, die besonders häufig auftreten.

Den Einfluss von Landschaftskontext und Management auf das Vorkommen und die Zusammensetzung des Mikroplastiks in den Böden wird Saskia betrachten. Sie will wissen, wovon die Kontamination mit Mikroplastik abhängig ist und wird deshalb die Faktoren Straßennähe und das Düngemanagement genauer unter die Lupe nehmen. Die Düngemittel lassen sich wiederum nach der Tierart, von der der Dünger stammt (Rind, Schwein, Pferd), und nach der Ausbringungsart (Gülle, Jauche, Mist, Klärschlamm, Kompost) differenzieren. Da auf einigen der Untersuchungsflächen auch Kompost und Klärschlamm ausgebracht wurden, stellt sich nun die Frage, ob diese Untersuchungsflächen tatsächlich auch stärker mit Mikroplastik verunreinigt sind als die anderen Flächen. Insgesamt haben wir 15 Standorte beprobt und dabei alle drei Landschaftsformen Schleswig-Holsteins – Geest, Marsch und Jungmoränenlandschaft – abgedeckt. Dafür gewährte uns das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) Zugang zu Boden-Dauerbeobachtungsflächen. An jedem der Standorte wurden an den vier Eckpunkten der jeweiligen Fläche drei Beprobungen durchgeführt. Dabei wurde Ackerboden aus den Tiefen 0-10 cm, 10-20 cm und 20-30 cm entnommen, so dass wir pro Feld 36 Einzelproben von jeweils etwa 200 g gewonnen haben. Rechnet man das auf alle Felder hoch, untersuchen wir 540 Einzelproben mit einem Gesamtgewicht von ca. 108 kg.

Beprobte Standorte in Schleswig-Holstein. Kartengrundlage LLUR, 2019.
Beprobte Standorte in Schleswig-Holstein. Kartengrundlage LLUR, 2019.

Ab April 2019 sind wir gemeinsam mit einem Probennahmeteam des LLUR, einem Doktoranden der CAU Kiel aus dem Fachbereich Bodenkunde und einer Studentin aus Berlin etwa einen Monat lang durch Schleswig-Holstein gefahren. Wir haben die Vormittage auf den Ackerflächen verbracht, um die Proben aus den verschiedenen Tiefen und von den verschiedenen Positionen auf den Äckern zu entnehmen. Die Probenentnahme gestaltete sich recht einfach. Nur besonders lehmige Böden und das Wetter machten uns ab und an Schwierigkeiten. Vor allem bei nass geregneten Lehmböden hatten wir Probleme, die Bohrstange zur Entnahme der Bodenproben in den Boden zu treiben, wieder rauszuziehen und das Material aus den Stangen zu bergen. Im feuchten Zustand verdichtet das Material schnell, wird dann sehr kompakt und ist schwerer zu verarbeiten.

Die Bodenproben werden zunächst mit Wasser versetzt und dann durch ein Sieb gegeben. Dadurch wird alles feinkörnige Material unterhalb von 1000 µm entfernt. Foto: Ivy Harms
Die Bodenproben werden zunächst mit Wasser versetzt und dann durch ein Sieb gegeben. Dadurch wird alles feinkörnige Material unterhalb von 1000 µm entfernt. Foto: Ivy Harms

Mitte Mai war die Probennahme dann abgeschlossen und es folgte die Vorbereitung der Proben für die Analyse. Dafür wurden alle Bodenproben mit Leitungswasser versetzt und dann mit einem Schneebesen sorgfältig umgerührt. Anschließend wurde das Gemisch durch ein 1000 μm Sieb filtriert, um alle kleineren Partikel auszuschließen. Zur weiteren Untersuchung wurde das Siebgut dann in Petrischalen überführt. Bei stark lehmigen oder tonigen Böden, aber auch bei solchen, die reich an organischem Material waren, dauerte das Sieben übrigens doppelt so lange wie bei sandigem Material.


Um die Mikroplastikpartikel von den mineralischen und organischen Bestandteilen zu trennen, haben wir die Petrischalen dann unter einem Mikroskop untersucht. Kunststoffe lassen sich am Typ (Folien, Fasern), an ihrer Färbung, ihrer Form (eingerollte Kanten, gerade Bruchkanten) oder ihrer Konsistenz (mineralische Bestandteile geben nicht nach) erkennen und von natürlichen Partikeln unterscheiden. Manche Kunststoffe können jedoch erst auf den zweiten Blick erkannt oder sogar übersehen werden. Daher wurden alle Proben von uns beiden untersucht und somit zweimal betrachtet. Beim zweiten Durchsehen wurden jeweils nur sehr wenige Partikel gefunden, die bei der ersten Durchsicht übersehen wurden. Das gibt uns Grund zu glauben, dass wir für die Untersuchung unserer Bodenproben die richtige Herangehensweise und die richtige Partikelgröße gewählt haben und nur wenige Kunststoffpartikel übersehen haben. Im Zweifel wurden verdächtige Fragmente oder Fasern immer mit in die Analyse aufgenommen, da anschließend alle extrahierten Partikel mittels Fourier-Transformations-Infrarot-Spektroskopie identifiziert wurde. Sofern es sich um Plastik handelte, wurde dabei dann auch der Polymertyp identifiziert.

Was haben wir bisher gefunden? Wir können schon verraten, dass wir an jedem der Standorte Mikroplastik gefunden haben, und dass der Hauptanteil der identifizierten Partikel aus Polyethylen bestand. Türkise Partikel, gelbe Partikel, rote Partikel, Folien, Fasern und Fragmente – wir haben alles gefunden!

In dieser Bodenprobe erkennt man das Mikroplastik mit bloßem Auge. Bei dem roten Partikel am rechten Rand des Siebes handelte es sich tatsächlich um Kunststoff. Foto: Saskia Trögell
In dieser Bodenprobe erkennt man das Mikroplastik mit bloßem Auge. Bei dem roten Partikel am rechten Rand des Siebes handelte es sich tatsächlich um Kunststoff. Foto: Saskia Trögell

Nach der Identifizierung des Mikroplastiks können wir uns nun den individuellen Fragestellungen widmen und eine statistische Auswertung vornehmen, um ggf. bestehende Zusammenhänge zwischen der Belastung mit Mikroplastik und beispielsweise der Nutzungsform aufzudecken. Anfang November werden unsere Masterarbeiten abgeschlossen sein und dann wollen wir die Ergebnisse zur Publikation in einer wissenschaftlichen Zeitschrift vorbereiten.

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