Von Sinja Dittmann
Wer kennt sie nicht, die „Grashaufen“, welche im Spülsaum des Strandes angeschwemmt werden. Die Rede ist von Strandanwurf, auch Treibsel genannt, welches an der deutschen Ostseeküste meist aus Seegras (Zostera marina L.) und Algen (Fucus vesiculosus L. und Fucus serratus L.), sowie aus Muschelschalen und Treibholz besteht. Was vielen Seevögeln und Insekten als Lebensraum und Nahrungsquelle dient, stellt für den Tourismus eine große Herausforderung dar. Viele Strandbesucher fühlen sich durch Treibsel gestört, denn liegt dieses über längere Zeit am Strand, fängt es unter dem Einfluss des Sonnenlichtes und der Luft an zu riechen. Kurgemeinden sind deshalb gezwungen, ihre Strände aufwendig zu reinigen und das Treibsel zu entsorgen, was zeit- und kostenintensiv ist.
Früher war das noch anders, denn da wurde Treibsel vielerorts genutzt, um beispielsweise Dächer zu decken oder Matratzen zu stopfen. Auch in der Landwirtschaft wurde Treibsel verwendet, um den Ackerboden aufzulockern und somit die Bodenstruktur zu verbessern. Heute versucht man, diese Nutzungsmöglichkeiten wiederzubeleben und Treibsel als wertvollen Rohstoff weiterzuverarbeiten. Für die Nutzung von Treibsel in der biologischen Landwirtschaft wird aber Wissen über die genauen Inhaltsstoffe und auch über eine möglichen Verschmutzung mit Mikroplastik dringend benötigt, da die Sorge besteht, dass dieses aus dem Treibsel in den Ackerboden gelangen könnte.
Doch wie lässt sich Mikroplastik im Strandanwurf nachweisen und entfernen? Bevor potenzielles Mikroplastik aus Umweltproben analysiert werden kann, besteht der erste Schritt darin, dieses vom restlichen Probenmaterial, wie Sand und organischen Resten, zu trennen. Für Proben, die weitestgehend aus pflanzlichem Material bestehen, gibt es allerdings noch keine gängige Methode, die man für die Extraktion von Mikroplastik nutzen könnte. Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich deshalb mit Hilfe von Wiederfindungsexperimenten Methoden getestet, mit denen sich verschiedene Arten von Mikroplastik (PP, PS, EPS, PS – Rohgranulat) in unterschiedlichen Größenklassen (500 µm bis 5000 µm) aus Treibsel auswaschen lassen. Dies soll zum einen dabei helfen, im Rahmen von Monitorings die Menge an Mikroplastik im Treibsel zu ermitteln, und zum anderen soll eine Methode gefunden werden, mit der sich Treibsel kostengünstig und energiesparend reinigen lässt – wenn dies denn notwendig sein sollte.
Für die Experimente habe ich das Treibsel zunächst in seine Hauptfraktionen aufgeteilt, sodass ich jeweils entweder mit Seegras (Zostera marina) oder mit Algen (Fucus vesiculosus und Fucus serratus) gearbeitet habe. Jede dieser Fraktionen wurde im nächsten Schritt mit einer bekannten Anzahl an Mikroplastikpartikeln vermengt und mit Süß- oder Salzwasser bedeckt. Die Mikroplastikpartikel habe ich im Vorfeld aus verschiedenen, sortenreinen Plastikmaterialien mit einer feinen Schere ausgeschnitten oder im Handel erworben. Mit zwei Gittern, die in ein kleines Becken, das als Wasserbad diente, eingelassen wurden, wurde die Treibselmasse wie in einem Sandwich eingeschlossen und zusammengehalten. Dann wurde die Treibselmasse mit verschiedenen Techniken, wie z. B. manuellem Waschen (siehe Video) oder einer automatisierten Auftrennung mittels einer kräftigen Luftzufuhr, bearbeitet und das Mikroplastik so vom Treibsel getrennt. Das ausgewaschene Mikroplastik habe ich anschließend gezählt, um so die Effizienz der Methode zu überprüfen.
Insgesamt habe ich sieben unterschiedliche Methoden getestet, bei denen die Art des Waschens, die Waschflüssigkeit, die Waschdauer, die Treibselbeschaffenheit und der Probenumfang variiert wurden. Von all diesen Methoden erwies sich das manuelle Waschen als am erfolgreichsten und zeitsparendsten. Mit dieser Methode lag die mittlere Wiederfindungsrate bei 75%.
Dieses Verfahren habe ich dann im Folgenden genutzt, um Treibsel vom Strand auf seinen Mikroplastikgehalt zu untersuchen. Hierfür wurden an vier Standorten (Booknis, Dänisch – Nienhof, Schönberg und Hohwacht) Treibselproben genommen und anschließend im Labor gewaschen. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich erfreulich wenig Mikroplastik in den Treibselproben befand. Am Schönberger Strand wurde mit im Mittel 3,25 Partikeln pro 500 g Treibsel die höchste Verschmutzung gefunden. Diese Befunde beschränken sich jedoch zunächst nur auf vier Standorte entlang der schleswig-holsteinischen Ostseeküste und lediglich auf die Größenklasse > 400 µm, so dass kleinere Plastikpartikel nicht erfasst wurden. In einem letzten Analyseschritt muss für die gefundenen Partikel zudem noch, mithilfe eines Spektroskops, der Polymertyp bestimmt werden.
Liebe Sinja,
herzlichen Dank für diesen interessanten Artikel und besonders natürlich für die wissenschaftliche Arbeit zu diesem so unschönen Thema. Ich hoffe, dass es irgendwann im großen Maßstab anwendbare Verfahren zur Müllabtrennung geben wird, vor allem aber, dass wir in der Prävention weiterkommen.
Ich habe mir mal den Treibsel am “Wiker Strand” an der Kieler Innenförde angesehen. Dort liegt der Kunststoffanteil geschätzt zwischen 20 und 30 %, im wesentlichen Polystyrol. Der hohe Anteil ist sicher der Tatsache geschuldet, dass es sich um einer Treibgutfalle in einem strömungsarmen Bereich der Förde handelt. Trotzdem, – irgendwie erscheckend! Künftige Geologen werden das Anthopozän an der Zusammenstzung des Sedimentes erkennen können.
Für die weitere wissenschaftliche Arbeit wünsche ich viel Erfolg!
Peter S.
Lieber Peter,
vielen Dank für deinen Kommentar und den Hinweis zum “Wiker Strand”. Klingt interessant und alarmierend zugleich. Mikroplastikbelastungen und Treibselmengen können je Standort variieren, z.B. je nach Exposition des Strandes und in Abhängigkeit von der vorherrschenden Windrichtung. Neben wissenschaftlich neuen Erkenntnissen ist besonders die Sensibilisierung der Bevölkerung zu diesem Thema essentiell, um den Plastikkonsum zukünftig zu reduzieren.
Viele Grüße und ein schönes Wochenende,
Sinja
Liebe Sinja, ein wirklich interessanter Bericht! Da hoffe ich, dass es 1. bald ein gutes Verfahren gibt, um das Mikroplastik zu entfernen und 2. Gemeinden und Firmen doch bereit sind, das Treibsel einzusammeln und wiederzuverwenden.
Ich hoffe der Blog wird von vielen Menschen gelesen,so dass ein anderes Bewusstsein geschaffen wird! Weiterhin viel Erfolg!
Susanne D.