4. Wochenbericht, 13.10.13 – 20.10.13

Abb. 1: Seismisches Profil über den Agadir Canyon. Mächtige Schuttströme (Debrite) befinden sich am Canyon-Boden.

Am 12.10.2013 hatten wir eine kombinierte TOBI- und Seismik Vermessung begonnen, um das Fließverhalten von Massenströmen im Agadir Canyon zu untersuchen. Geplant waren zwei parallele Profile entlang des Canyon-Bodens, gefolgt von einem Profil über das Eintrittsgebiet der Massenströme in den Canyon, der ca. 10 km breit ist. Das erste Canyon-Profil konnte bis zum Abend des 13.10. wie geplant abgefahren werden. Auf dem Gegenprofil war es aufgrund starker Strömungen nicht mehr möglich, die Seismik parallel zum TOBI zu schleppen. Zusätzlich frischte am 14.10. der Wind zunehmend auf und erreicht am Abend des 14.10. im Mittel Beaufort 7. Da Wind und Strom direkt von der Seite kamen, war es trotz der hervorragenden Manövrierbarkeit der Merian nicht mehr möglich, bei 2.5 Knoten den durch den Canyon vorgebeben Kurs zu halten. Insofern wurde die TOBI-Vermessung an diesem Punkt abgebrochen. Die Bergung des Gerätes in Dunkelheit und bei sich zunehmend aufbauender See wurde von der Mannschaft extrem professionell gehandhabt. Die Nacht auf den 15.10. wurde dann für seismische Messungen über den Canyon genutzt. Die kombinierten akustischen Daten geben uns einen sehr detaillierten Einblick in die Prozesse am Canyon- Boden. Die Seismik (Abb. 1) zeigt den tief-eingeschnittenen Canyon. Am Canyon-Boden befinden sich mehrere bis zu 80 m mächtige transparente Einheiten, die wir als Schuttströme interpretieren.

Die TOBI Daten zeigen ein komplexes Bild von Ablagerungen am Boden des Agadir- Canyons. An manchen Stellen dominieren sandige Ablagerungen (hohe Rückstreuung), während andere Bereiche durch tonige Schuttströme und Hintergrundsedimente charakterisiert sind (geringe Rückstreuung). Ein axialer Kanal stellt den Haupttransportweg für sandige Turbiditströme dar. Die TOBI-Daten zeigen ebenfalls, dass zahlreiche kleinere Rutschungen von der Seite in den Canyon gelangen.

Abb. 2: TOBI Daten vom Boden des Agadir-Canyons.

Abb. 2: TOBI Daten vom Boden des Agadir-Canyons.

Basierend auf den neuen Daten wurden vom 15. – 17.10. zahlreiche Kerne in verschiedenen Bereichen des Canyons genommen. Nachts wurden die seismischen und hydroakustischen Daten komplementiert. Am 15.10. beprobten wir den Bereich des Canyons, in dem große Rutschungen seitlich in den Canyon eintreten. Die Kerne zeigen, dass sandige Turbidite insbesondere aus dem oberen Bereich des Canyons selbst kommen, während die seitlich eintretenden Rutschungen beim Eintritt in den Canyon Bestand haben und sich noch nicht mit Seewasser durchmischen, d.h. noch keine Turbidite bilden. Die Turbidite aus dem oberen Bereich des Canyons sind jedoch zu klein, um die großen Turbidit-Ablagerungen im Agadir- Becken zu erklären. Insofern verfolgten wir die Rutschungssedimente weiter den Canyon hinunter. Dabei überquerten wir am 16.10. eine in den akustischen Daten deutlich sichtbare Grenze: Ein erster Kern an dieser Grenze brachte zwar nur ca. 2 m Kerngewinn, zeigte aber Schuttstrom- Ablagerungen mit fast senkrecht stehenden Klasten unterhalb von ca. 50 cm mächtigen hemipelagischen Hintergrundsedimenten. Dabei könnte es sich um einen ‚ausfrierenden Schuttstrom‘ handeln, der hier zum Stillstand gekommen ist. Am nächsten Tag (17.10.) zeigte ein Kern nur ca. knapp 10 km entfernt von dem vorherigen Kern keine Anzeichen für klassische Schuttstrom-Ablagerungen, aber ein gut durchmischtes Material, das auch Fragmente vom Schelf und Korallenstücke enthält. Dies deutet drauf hin, dass der Schuttstrom sich in diesem Bereich in einen Turbidit umwandelt und es zu einer sogenannten ‚Flow-Transformation‘ kommt. Dies passiert zu unserer großen Überraschung erst ca. 350 km von der Quelle der Rutschungen entfernt; auf diesem Weg tritt der Schuttstrom nach ca. 200 km in den Canyon ein und bewegt sich dann im Canyon für weitere 150 km ohne dass Mischungsprozesse auftreten. Die Transformation tritt in einem Bereich auf, in dem sich der Gradient des Canyons ändert. Ob dies Zufall ist oder im kausalem Zusammenhang zur Transformation steht, werden erst spätere Untersuchungen im Labor zeigen.

Am 17.10. um 16:00h machten wir uns auf den Weg zurück in das erste Arbeitsgebiet, um die Abrisskante der Rutschung mit TOBI zu vermessen. Der Weg dorthin wurde genutzt, um Lücken in der bathymetrischen Karte zu füllen. Auch das verspätete Bergfest wurde auf dem Transit mit einem Grillabend an Deck gefeiert; wie immer wurden wir von der Küchencrew bestens versorgt.

Am Abend des 18.10. wurde TOBI gemeinsam mit der Seismik bei optimalen Wetterbedingungen ausgesetzt, um zwei ca. 50 Seemeilen lange Profile über die Abrisskante und den oberen Rutschungsbereich aufzuzeichnen. TOBI zeigt in diesem Bereich relativ geringe, homogene Rückstreuwerte, was vermutlich an einer ca. 6 m mächtigen ungestörten Sedimentschicht oberhalb der Rutschungsablagerungen liegt. Die Seismik zeigt im Bereich der Abrisskante ein stufenförmiges Muster aus einer Reihe von rotierten Blöcken. Da die TOBI-Daten in dem Gebiet der Abrisskante im Vergleich zu den bathymetrischen Daten keine nennenswert neuen Informationen erbrachten, brachen wir den TOBI-Survey am Abend des 19.10. ab. Die Nacht wurde für weitere seismische Messung über die Rutschung genutzt. Am 20.10. hatten wir dann einen dicht gedrängten Geologie-Tag mit insgesamt 5 Kernstationen. Die ersten drei Kerne sind inzwischen geöffnet und der Transect zeigt einen extrem interessanten Übergang von Schuttstrom-Ablagerungen über leicht deformierte Schichten zu ungestörten Sedimenten (Abb. 3). Diese Kerne werden eine detaillierte Rekonstruktion des Fließverhaltens des Schuttstromes in diesem Bereich ermöglichen. Morgen werden wir einen letzten Kern im Bereich der Rutschung nehmen, bevor wir uns dann Richtung Schelf bewegen, um den Sedimenttransport vom Schelf in den oberen Bereich des Canyon zu untersuchen.

Abb 3: Intensive Diskussion der Kerne (links) die den Übergang von einem Schuttstrom (unten rechts) über leicht deformierte Sedimente (oben rechts) zu ungestörten Hintergrund- Sedimenten zeigen (Mitte rechts). Photos: Heiko Jähmlich und Russell Wynn.

Abb 3: Intensive Diskussion der Kerne (links) die den Übergang von einem Schuttstrom (unten rechts) über leicht deformierte Sedimente (oben rechts) zu ungestörten Hintergrund- Sedimenten zeigen (Mitte rechts). Photos: Heiko Jähmlich und Russell Wynn.

Das extrem ruhige Wetter der letzten Tage ermöglichte es uns auch, eine Vielzahl von Schildkröten (Caretta caretta) zu beobachten, die insbesondere in der Mittagszeit an der Oberfläche sind (Abb. 4). Die Vielzahl der Schildkröten deutet auf einen bisher wenig bekannten Migrationspfad dieser faszinierenden Tiere hin.

Abb. 4: Schildkröte (Caretta caretta) im Arbeitsgebiet. Photo: Russell Wynn.

Abb. 4: Schildkröte (Caretta caretta) im Arbeitsgebiet. Photo: Russell Wynn.

Die Stimmung an Bord ist nach wie vor prima und alle sind gespannt, was die nächste (und letzte Woche) noch bringen wird.

Es grüßt im Namen aller Fahrtteilnehmer,

Sebastian Krastel

Auf See, 30°02’N, 11°46’W

One thought on “4. Wochenbericht, 13.10.13 – 20.10.13

  1. Finde ich echt spannend – so nah vor meiner Haustuer. Ich wohne seid vier Jahren in Agadir und habe gerade eben den Bericht ueber den entdeckten Agadir Canyon gelesen.

    Guten Rutsch und frohes neues Jahr aus Agadir

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