Die Kernfabrik der Maria S. Merian

30°35,296’N 11°24,344’W, 2496 m Wassertiefe, 9:00 Uhr, 15.10.13

Wir befinden uns vor marokkanischen Küste. Die Maria S. Merian hält auf den Meter genau ihre Position, die vorher in intensiven Diskussionen basierend auf geophysikalischen Messungen festgelegt wurde. Hier soll in den nächsten Stunden mithilfe eines Schwerelotes ein bis zu 10m langer Sedimentkern entnommen werden.

Das „Coring Team“ steht an Deck und beobachtet wie das Schwerelot über die Reling gehievt wird und im tiefblauen Wasser verschwindet. Mit 1,3 m/s wird das Konstrukt, was im Wesentlichen aus einem langen Stahlrohr mit einem 2 Tonnen schweren Bleigewicht an dessen Oberseite besteht, durch die Wassersäule geführt und in den Meeresboden gerammt. Jetzt heißt es warten: Trifft das Rohr auf eine harte Sedimentschicht, die vorher in den geophysikalischen Messungen nicht sichtbar ist, kann dieses verbiegen und alle Mühe war umsonst. Auch das Rausrutschen von Sediment beim Hieven oder das zu weite Eindringen des  Schwerelotes kann dazu führen, dass die Station wiederholt werden muss. Heute läuft zum Glück alles gut. Puhh…

Nachdem das 10 m lange Schwerelot nach bis zu einer Stunde Aufstieg aus den Tiefen des Agadir Canyons wieder auftaucht,  schwebt es an einem Stahlseil über der Wasseroberfläche und wird mitsamt des sogenannten Absatzgestelles von zwei Kränen vorsichtig an Bord geholt. Danach beginnt die eigentliche Arbeit des „Coring Teams“, das nach anfänglichen Beschriftungsproblemen mittlerweile so eingespielt ist, dass die Arbeit wie am Fließband läuft.

Prozess der Kernbearbeitung

Ist der Kern an Deck muss zunächst die genaue Länge ausgemessen werden, sodass jedes 1m-lange Kernstück einheitlich beschriftet und nummeriert werden kann. Hier heißt es: Konzentration, möglichst keine Fehler machen und so Chaos vermeiden. Die Kernsegmente werden dann mit einer Kreissäge in zwei Hälften gesägt, wobei das Geräusch beim Zersägen des Plastiks erstaunlich unangenehm klingt. Erst dann beginnt der Marathon der eigentlichen Bearbeitung der Kerne.

  • Zunächst werden die Kerne beschrieben, wobei auf die Farbe der Sedimente, die Korngröße und besondere Merkmale wie Gänge von Würmern eingegangen wird.
  • Anschließend werden die Segmente fotografiert.
  • Danach werden Proben genommen, anhand derer später im Labor die genauen Korngrößen bestimmt werden können.
  • Im Folgenden werden für die Bestimmung der Porosität Sedimentproben entnommen, aus denen im Labor anhand des Wassergehaltes der Porenanteil abgeleitet werden kann. Zum Vergleich wird die Porosität zusätzlich über den elektrischen Widerstand gemessen, der abhängig vom Wassergehalt und somit vom Porenvolumen ist.
  • Darüber hinaus wird mithilfe von kleinen Metallkegeln die Scherfestigkeit des Sedimentes gemessen, die Aussagen über die Verfestigung der Sedimente zulässt.
  • Danach werden 1 cm dicke „Sedimentscheiben“ von der Kernoberfläche abgetragen, die später geröntgt werden. So entstehen Bilder, die die genaue Abfolge der Ablagerungen und die Dicke der einzelnen Schichten, sowie Gänge von Würmern oder Fossilfragmente zeigen.
  • Zu allerletzt werden dann noch Sedimentabstriche gemacht, die zur Datierung der Sedimente anhand von Mikrofossilien genutzt werden können.

Bei so vielen Bearbeitungsschritten ist jede Hilfe des gesamten wissenschaftlichen Teams willkommen. Alle packen mit an und sind am Ende des Tages ganz schön geschafft. Da reicht die Kraft gerade noch so für ein Tischtennismatch.

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Bild 1: Das „Coring Team“ bei der Arbeit.

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Bild 2: Scherfestigkeitsversuche.

Sinn und Zweck der Kernentnahme

In den letzten Tagen haben wir 15 Kernstationen größtenteils erfolgreich angefahren. Ziel der zahlreichen Untersuchungen ist es die geophysikalischen Daten mit den Sedimentkernen zu untermauern und so den Verlauf, die Art und die Transformation der Sedimentströme in der Region des Agadir Canyons zu rekonstruieren. Zusätzlich kann anhand der Sedimente das Alter und die Herkunft der Sedimentflüsse bestimmt werden. Die Entnahme von Sedimentkernen ist somit unerlässlich für eine genaue Interpretation der seismischen und hydroakustischen Messungen im Untersuchungsgebiet.

Mast- und Schotbruch

Isabell und Katrin

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Bild 3: Ein Kern aus 2500m Wassertiefe