Eine arbeitsreiche Woche liegt hinter uns, die uns aber auch viele neue Erkenntnisse gebracht hat. Die Kartierungen der letzten Woche haben deutlich gezeigt, dass das Herkunftsgebiet der in den Agadir Canyon einlaufenden großen Rutschungen ca. 150 km südlich des Canyons liegt. Das komplexe Muster von bis zu 100 m-hohen Abrisskanten zeigt, dass es sich um ein mehrstufiges Hangversagen handelt. Die Abrisskanten liegen teils in nur 500 m Wassertiefe. Hangrutschungen in diesen Wassertiefen sind dafür bekannt, in der Vergangenheit Tsunamis ausgelöst zu haben. Im oberen Bereich des Agadir Canyons selbst finden dagegen nur vergleichsweise kleine Rutschungen statt.
Im Laufe des Nachmittages des 6.10. nahmen wir drei Schwerelote unterhalb einer der Hauptabrisskanten. Auf den Rutschungsablagerungen liegen relativ mächtige ungestörte hemipelagische Sedimente, was die hydroakustischen Daten so nicht vermuten ließen. Im letzten Kern des Tages waren aber in einer Kerntiefe von ca. 5,70 m eindeutig debritische Ablagerungen über einer basalen Scherfläche zu finden. Die Nacht wurde für weitere hydroakustische Messungen im Bereich der Abrisskante verwendet, um am Morgen des 7.10. TOBI zur Kartierung des Rutschungskomplexes auszubringen. Einzelne Komponenten des TOBIs ließen sich jedoch nicht ansprechen, so dass das Gerät wieder geborgen werden musste. Ein Software-Fehler wurde als mögliche Ursache identifiziert, so dass TOBI am Nachmittag erneut ausgebracht wurde. Es ließen sich jedoch wiederum einzelne Komponenten nicht ansprechen und weitere fielen nach und nach aus, so dass ein Einsatz nicht möglich war. Nachdem TOBI wiederum an Bord war, wurden mittels drei weiterer Schwerelote erfolgreich verschiedene basale Rutschungsflächen beprobt. Da diese stratigraphisch in unterschiedlichen Tiefen liegen und teils deutlich jünger als die am Vortag beprobten Rutschungsflächen sind, konnte durch die Kerne bestätigt werden, dass es zu einem mehrstufigen Hangversagen gekommen ist. Eine der spannenden Aufgaben im Labor wird es nun sein, die einzelnen Ereignisse zu datieren, um sie dann mit Turbiditen im Agadir-Becken korrelieren zu können. In der Nacht zum 08.10. wurden seismische Daten über die Abrisskante aufgezeichnet. Erste Analysen zeigen, dass direkt unterhalb der Hauptabrisskante zahlreiche Diapire liegen und die Lage der Rutschungen möglicherweise kontrollieren. Die seismischen Messungen wurden bis zum Abend des 8.10. fortgesetzt.
In der Zwischenzeit wurde eine Leckage in einem der Druckgehäuse des TOBIs als Fehler identifiziert; da umfangreiche Arbeiten zur Reparatur notwendig waren, verließen wir zunächst des Herkunftsgebiet der Rutschungen, um deren Haupttransportweg weiter zu kartieren und die Rutschungsablagerungen selbst zu beproben. Die Daten zeigen eindeutig den Haupttransportweg des Rutschungsmaterials in den Canyon (Abb. 1). Wir vermuten, dass sich das Fließverhalten der Rutschungen bei Eintritt in den Canyon ändert und es dabei zu sogenannten Flow-Transformationen kommt, deren Untersuchung eines der Hauptziele der Fahrt ist. Die Kartierungen wurden am Nachmittag des 09.10. unterbrochen, um das reparierte TOBI-Druckgehäuse auf Dichtigkeit zu prüfen, indem es an der CTD befestigt auf etwa 2500 Meter Tiefe gebracht wurde. Dieser Test war erfolgreich und das TOBI-Team konnte damit beginnen, die einzelnen Komponenten wieder an das TOBI-Fahrzeug zu bauen. Die Nacht wurde zur Kartierung des Agadir-Canyons seewärts der Eintrittsstelle der großen Rutschungen genutzt, um so die geplanten TOBI-Messungen in diesem Gebiet vorzubereiten. Dabei sieht man bereits auf den hydroakustischen Daten einen zentralen Einschnitt und Hinweise auf unterschiedliches Fließverhalten der Sedimentströme im Agadir-Canyon.
Am Morgen des 10.10. wurden zunächst 2 Schwerelotkerne im Bereich des Haupttransportweges sowie ein Referenzkern aus ungestörten Sedimenten genommen. Die Kerne sind zwischen 8 und 9 m lang. Die beiden Rutschungskerne zeigen in ca. 6 m Sediment-Tiefe wunderschöne Schuttstromablagerungen; an einer Lokation liegt direkt oberhalb des Schuttstroms ein ca. 30 cm mächtiger Turbidit (Abb. 2). Der genetische Zusammenhang zwischen diesen beiden Strukturen sowie ihr Alter kann erst im Labor untersucht werden.
Nach der erfolgreichen Beprobung wurde am Nachmittag das reparierte TOBI ausgesetzt. Während unmittelbar nach dem Aussetzen alles OK schien, traten ab ca. 500 m Tauchtiefe zahlreiche Störungen in den Daten auf, so dass das Instrument wiederum geborgen werden mussten. Diesmal konnte der Fehler sehr schnell lokalisiert werden; das Kabel zwischen dem Instrument und dem Depressor war angebrochen und musste ausgetauscht werden.
In der Zwischenzeit sammelten wir seismische Daten über den Canyon und den Haupttransportweg der Rutschungsablagerungen. Die seismischen Daten belegen eindrucksvoll, dass der Transportweg schon seit langer Zeit aktiv ist. Er schneidet sich tief (bis zu 500 m) in die umgebenen ungestörten Sedimente ein (Abb. 3). Damit ist unsere Hypothese bestätigt, dass es sich um den zentralen Transportweg für Sedimente vom Kontinentalhang in das Agadir Becken handelt. Weiterhin zeigen die seismische Daten mächtige Schuttstromablagerungen im Canyon sowie wiederum zahlreiche Diapire. Von den Flanken der Diapire gehen zahlreiche kleinere Rutschungen ab.
Nach Beendigung der seismischen Messungen wurde am Morgen des 12.10. wiederum TOBI ausgesetzt. Diesmal funktionierte das Gerät einwandfrei. Seit dem 12.10. sammeln wir nun Sidescan-Daten von dem Boden des Agadir Canyons und eine erste Sichtung der Daten deutet bereits an, dass sich das Transportmuster im Canyon signifikant ändert. Parallel zu dem Sidescan läuft auch die Airgun-Seismik. Über erste Ergebnisse der kombinierte Sidescan- und Seismik-Messungen werden wir nächste Woche berichten.
An Bord sind nach wie vor alle wohlauf.
Es grüßt im Namen aller Fahrtteilnehmer,
Sebastian Krastel
Auf See, 31°15’N, 12°00’W