Nachtschicht

Bohrplattformen in der Nordsee. Foto: Saskia Elsen Bohrplattformen in der Nordsee. Foto: Saskia Elsen

Der Meeresgott Poseidon hat Erbarmen mit unserer Poseidon und gibt uns endlich aus dem Sturm frei. Langsam wird das Meer ruhiger und wir wagen den Schritt raus aus der schützenden Landumgebung auf die offene Nordsee.

Doch alleine sind wir dort nicht. Als ich meinen Blick übers Wasser schweifen lasse, sehe ich plötzlich ein metallenes Ungetüm aus dem Wasser ragen. Riesengroß und mit Türmen und Spitzen. Und bald folgen immer mehr, mal kleinere, mal beeindruckend große. Es handelt sich jedoch nicht um Poseidons Transformer-Armee, sondern um Ölplattformen, die hier auf der Nordsee den begehrten Rohstoff fördern. Bei Nacht ist der Anblick besonders beeindruckend, wenn die Metall-Kolosse mit tausenden Lampen bestrahlt werden und wie ein Weihnachtsbaum beleuchtet in der Dunkelheit auftauchen.

Doch nicht nur die Ölplattformen beherrschen die Nordsee, auch Pipelines, unsichtbar fürs menschliche Auge unter dem Meeresboden vergraben, durchziehen das Gebiet. Sie liegen zum Teil schon sehr lange dort, die ersten wurden in den 1970er Jahren verlegt und in den 80er und 90er Jahren erfolgte ein Boom. Mittlerweile ist die Nordsee von Pipelines und Fördereinrichtungen durchzogen, sowie auch von Offshore-Windparks, Kiesgruben, etc. Wer sich tiefergehend dafür interessiert, findet z.B auf der Seite des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie Informationen und Karten zur deutschen Nordsee.

Bei unserer Expedition wollen wir auch den Einfluss von Methan-Leckagen am Meeresboden untersuchen. Dazu gehört auch diese zu detektieren. So fahren wir ein Gebiet mit bekannten Borlöchern an und überqueren dieses schleifenförmig. Mit dem eingebauten Echolot/ADCP können diese Gaslecks anhand der aufsteigenden Blasen der Gase erkannt und die Koordinaten vermerkt werden.

Unser Zeitplan sieht vor, dass wir Nachts dort ankommen und die Überquerung vornehmen, wofür wir Nachtschichten einteilen um die Detektierung sicher zu stellen.

Auch ich bekomme eine Schicht zugeteilt und so stelle ich mir den Wecker um pünktlich zu Schichtbeginn übernehmen zu können.

Nachts herrscht eine ganz andere Atmosphäre auf dem Schiff, nur das leichte Dröhnen der Maschinen und das Rauschen der Wellen durchdringt die Stille. Ich nehme meinen Platz vor dem Monitor ein, beginne meine Schicht. Tatsächlich überfahren wir auch ein Gasleck, dass ich aufnehme und vermerke.

Nachtschicht. Foto: Andrea Bodenbinder
Nachtschicht. Foto: Andrea Bodenbinder

Am nächsten Morgen möchten wir uns einen der Gasaustritte genauer anschauen und dort Proben nehmen. Dafür bereiten wir einen Kranzwasserschöpfer vor, der mit vielen Sensoren ausgestatten ist (CTD). Wenn ein Wissenschaftler spezielle Werte braucht, bringt er noch einen weiteren Messapparat an dem Metallkranz an. Außerdem ist auch eine Kamera mit Blick nach unten installiert und eine Pumpe mit einem langen Schlauch, um Wasser direkt aus der Tiefe nach oben zu fördern und zu untersuchen.

Wir schließen ein Massenspektrometer an den Schlauch an, um die im Wasser gelösten Gase direkt identifizieren zu können. Schließlich ist alles vorbereitet und die Video-CTD wird vom Windenausleger hochgehoben und zu Wasser gelassen.

Die VCTD kurz vor dem Aussetzen. Photo: Saskia Elsen
Die VCTD kurz vor dem Aussetzen. Photo: Saskia Elsen

Nachdem es die Wasseroberfläche durchbrochen hat und von Meer verschluckt wurde, gehe ich rein in das Labor mit der Kontrolleinrichtung, um mir die Aufnahmen der Kamera live anschauen zu können. Auffällig ist ein Strom von weißen Partikeln, die durch das Bild schweben. Passenderweise wird dieses Phänomen “marine snow” genannt und entsteht durch in oberen Wasserschichten abgestorbene Organismen, die als Nahrungsquelle für andere Lebewesen dienen.

Als die CTD am Meeresboden angekommen ist, bin ich ganz verzückt von dem Anblick der Videobilder im Labor. Ein Einblick in das Leben in 70 m Wassertiefe offenbahrt sich uns. Der Untergrund ist von Sand bedeckt, eine Scholle schwimmt erschreckt schnell weg, und mein persönliches Highlight ist ein Seestern der uns zuzuwinken scheint.

Blick auf den Meeresboden in 70 m Tiefe
Blick auf den Meeresboden in 70 m Tiefe

Mit diesen Eindrücken verabschiede ich mich für heute,

viele Grüße,

Saskia

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