Familientreffen

Blick in den “kleinen” Saal in der Nürnberger Meistersingerhalle. Foto: Gesine Born, Wissenschaft im Dialog

Ach da ist ja X! Kennen wir uns nicht vom Speed-Dating in Mannheim? Hat nicht die Kollegin dort drüben damals in Dresden so einen tollen Vortrag gehalten? Ah, ein Panel mit Y – ein absolutes Muss!

Das Forum Wissenschaftskommunikation, alljährlich zu Beginn des Advents von „Wissenschaft im Dialog“ ausgerichtet, ähnelt immer ein wenig einem Familientreffen. Auch bei rund 500 Teilnehmern kennt man sich unter den Wissenschaftskommunikatoren – zumindest vom Sehen oder Hören. Diesmal trafen wir uns in der Meistersingerhalle in Nürnberg. Dunkelbraune Assoziationen mit dieser Stadt versuchte Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly in einem launigen Grußwort zu zerstreuen – und uns zu einem Besuch auf dem größten und „vielleicht romantischsten“ Weihnachtsmarkt Deutschlands anzustiften.

Dazu zwei Fragen: Wann? Denn?

Wir hatten ein pralles Programm. Ich hatte mir verschiedene Sessions zu Wissenschaftsvideos herausgepickt und ließ mich außerdem von den Keynote Speakers inspirieren: Fergus McAuliffe vom University College Dublin erinnerte uns nochmal mit tollen Beispielen daran, wie wichtig Storytelling ist.

Das Forum ist internationaler geworden. Was allerdings nicht allseits auf Zustimmung traf. Ich finde das nur konsequent, denn auch die Wissenschaft an sich ist ja international ausgerichtet, und ein guter Teil der Kommunikation findet auf englisch statt (oder dem, was wir dafür halten).

Der zweite Keynote Speaker war dann auch der legendäre Simon Singh. Was genau er uns über gute und schlechte Wissenschaftskommunikation mit auf den Weg geben wollte, weiß ich nicht – aber: great show, Mr. Singh.

Simon Singh beim Forum Wissenschaftskommunikation. Foto: Gesine Born, Wissenschaft im Dialog

Simon Singh beim Forum Wissenschaftskommunikation. Foto: Gesine Born, Wissenschaft im Dialog

Meine Video-Sessions: Im „Crit Room“ wagten sich einige Mutige mit ihren Produktionen vor und stellten sich dem Urteil der Kreativberaterin Johanna Barnbeck, Lela Ahmadzai von 2470 Media, dem Kommunikationswissenschaftlers Dr. Klaus Rümmele vom Karlsruher Institut für Technologie und des Multimedia-Journalisten Stephan Bader.

Was ich mitgenommen habe: Es ist schön, wenn Wissenschaftler ihre Filmkommentare selbst sprechen. Es ist überzeugender, wenn ihre Statements persönlich und ein bisschen emotional rüberkommen. Ein Film ohne packende Aussage am Anfang ist die Mühe kaum wert, weil vor allem das Online-Publikum schnell gelangweilt wegklickt. Das war nicht neu – hat aber zu meinem Erstaunen aber die wunderbar selbstbewusste Reaktion ausgelöst: „Gebt doch den Wissenschaftlern mal Zeit, etwas zu erklären!“ Finde ich auch: Wir müssen uns nicht von Youtube und Sensations-Wissenschafts-TV herumschubsen lassen (sofern wir eine gute Geschichte zu erzählen haben). Und mit Blick auf die schicken Laborschwenks muss man sagen: HD-Look ohne verschiedene Schärfe-Ebenen geht gar nicht mehr! Weihnachtsmann, liest Du mit?

Was wir von englischsprachigen Wissenschaftskanälen auf Youtube lernen können, ließ uns Henning Krause, Online-Redakteur aus der Geschäftsstelle der Helmholtz-Gemeinschaft erarbeiten. Henning ist sowas von 2.0, dass er seine Arbeitsanweisung und Beispiele Online in seinem „Augenspiegel“-Blog veröffentlichte. Bitte unbedingt die (vorab synchronisierten) Videos zur Erforschung der Drehrichtung von Toilettenspülungswirbeln testen!

Und was können wir nun lernen? Vielleicht ein bisschen mehr Lockerheit und Verspieltheit an den Tag zu legen, unsere Themen durch kreative Ideen besser mit dem Alltag unserer Zielgruppe (die wir kennen sollten) zu verknüpfen und die Begeisterung für unsere Arbeit gnadenlos auszuleben. Allerdings erschien es mir etwas unfair, Filme unabhängiger Youtuber mit den Produktionen millionenschwerer, öffentlich geförderter Institutionen zu vergleichen. Unsere Ergebnisse sind auch im Internet für jeden nachzulesen.

Aus einem völlig anderem Blickwinkel schauten die Kommunikationswissenschaftler vom Karlsruher Institut für Technologie und der Universität Koblenz-Landau auf unsere bewegten Online-Formate. Schonmal was von „Scrollytelling“ gehört? Extrem schicke Sache, allerdings laut einer Untersuchung der Referenten am Beispiel des Online-Wissenschaftsmagazins „Substanz“ kein Mittel, um die Rezipierbarkeit von Texten, Filmen und Bildern zu optimieren.

Ausgehend von einer enorm anregenden Analyse des Films „Von der Natur lernen“ gelangten wir in eine Diskussion über die Vor- und Nachteile der Inszenierung und der realen Darstellung von Wissenschaft. Fazit: Wir brauchen „Differenzbewusstsein“ in Bezug auf Zielgruppen, wissenschaftliche Disziplinen, das gewählte Medium und den Zweck eines Beitrags. Sehr erfrischend, mal unabhängig von alltäglichen Produktionszwängen und Entscheidungshierarchien über Film nachzudenken!

Mit so viel Eindrücken, Positiv-Beispielen und neuem Wissen im Kopf fiel es mir ein wenig schwer, zur Preisverleihung im Videowettbewerb „Fast Forward Science“ hinüberzuwechseln. Und dort auch noch meinen quick & dirty produzierten Beitrag „JAGO – 25 Jahre unter Druck“ präsentiert zu sehen. Umso größer war meine Freude über den ersten Preis in der Kategorie „Superfast“, bei der allen Teilnehmern nur 48 Stunden für die Umsetzung blieben. Die Auszeichnung teile ich nur zu gern mit meinem Ko-Texter Jan Steffen, dem JAGO-Team (bitte einen Extra-Applaus für “Moderator” Peter Striewski) und unserem heißgeliebten gelben Tauchboot.

Maike Nicolai