Navigators Zwischenbericht: Nein, ich bin kein Delfin-Experte!

Ein großer Tümmler (Tursiops truncatus). Foto: NASA via Wikimedia Commons Ein großer Tümmler (Tursiops truncatus). Foto: NASA via Wikimedia Commons

Aufmerksame Leser haben vielleicht (hoffentlich…) bemerkt, dass am vergangenen Freitag der Wochenbericht des OceanNavigator-Blogs ausgefallen ist. Das hatte einen einfachen Grund: Es hätte zu viel zu berichten gegeben. Oder anders ausgedrückt: Wir waren voll im Stress. In so einer Situation wäre der Wochenbericht natürlich besonders spannend. Aber dann ist es leider auch so, dass die Zeit knapp ist. Im Moment ist sie mal wieder besonders knapp.

Es gab in der vergangenen Woche aber auch ein etwas skuriles Thema, über das ich gern berichten möchte: Wie wird man in zwei Tagen zum gefragten Experten für Meeressäuger (Stichwort: Delfine)?

Alles begann am vergangenen Dienstag. Unter den gefühlten 300 Mails, die nach dem langen Pfingstwochenende in unserem Presseaccount auf Abarbeitung warteten, war auch eine von einer Kielerin, die das lange Wochenende offenbar auf einem Boot auf der Ostsee verbracht hatte. Im Anhang befanden sich ein Foto und ein kurzes (Handy-?) Video von zwei…sagen wir, kleinen Meeressäugern. In der Mail schrieb die Absenderin, dass sie die Tiere vor Fehmarn gesehen habe und sie fragte, ob es sich um Delfine handeln könne.

Schon an dieser Stelle muss ich zugeben, dass Anfragen zu Meeressäugern bei uns nicht gerade Freude auslösen. Natürlich sind die Tiere spannend und faszinierend. Aber nicht jeder Ozeanforscher kennt sich automatisch mit Walen aus. Am GEOMAR (und seinen Vorgängerinstituten) gibt es seit Jahren keine wissenschaftliche Arbeitsgruppe mehr, die sich mit Walen, Delfinen oder anderen Meeressäugern beschäftigt. Die wissenschaftlich spannenden Themen, in denen aktuell neue Erkenntnisse zum Verständnis des Systems Erde erwartet werden, liegen nun einmal woanders. Trotzdem: Wir versuchen so weit wie möglich zu helfen und ein klein wenig kennen sich einige Kolleginnen und Kollegen des Forschunsgbereichs “Marine Ökologie” auch in der Ostsee aus. Sie bestätigten, dass der Schweinswal die einzige Delfin-ähnliche Tierart ist, die dort dauerthaft zuhause ist. Da die Fotos keine anderen Schlüsse nahelegten, leiteten wir diese Information an die Absenderin der Mail weiter.

Fertig? Oder doch nicht ganz. Am Nachmittag desselben Tages rief eine Kollegin des NDR bei mir an. Sie hatte ebenfalls Bilder und Videos von Seglern zugespielt bekommen. Dieses Bildmaterial hatte eine bessere Qualität. Es zeigte eindeutig die langgestreckten Schnauzen der Tiere. Da reichte ein Blick in die Wikipedia um zu sehen – es waren keine Schweinswale!

Nun bin ich ja kein Biologe und wollte mich deshalb wiederum bei einer Kollegin aus der “Marinen Ökologie” rückversichern. Die bestätigte, dass es sich um Delfine handelt und tippte auf Große Tümmler. “Ich bin aber auch keine Expertin”, sagte sie. Gemeinsam versuchten wir eine zweite Art auszuschließen, konnten aber keine Sicherheit erlangen. Wie gesagt: Forscherinnen oder Forscher, die sich explizit mit Meeresäugern beschäftigen, gibt es am GEOMAR nicht.

Mit diesen Informationen (Plural!) meldete ich mich beim NDR zurück: 1) Ja, es sind Delfine 2) Wir haben keine echten Experten zur Verfügung. Wahrscheinlich handelt es sich um Große Tümmler, den Gemeinen Delfin würden wir aber nicht ganz ausschließen 3) Da es sich hier um Vermutungen von Nicht-Experten handelte, schlug ich vor, echte Experten zu fragen und nannte einige Namen bzw. Adressen.

Wahrscheinlich hätte ich es bei 3) belassen sollen. Denn am Abend erschien auf der NDR Webseite ein Artikel , in dem ich zum Thema Delfine in der Ostsee zitiert wurde, und zwar im Sinne von 1) und 2).

Glücklicherweise wurde in dem Artikel auch Prof. Dr. Boris Culik zitiert, ein ehemaliger Kollege des Instituts für Meereskunde (IfM) und echter Experte für Meeressäuger. So gesehen war ja fundiertes Fachwissen vertreten.

Trotzdem riefen am Mittwoch etliche andere Redaktionen wieder bei uns am GEOMAR – letztendlich bei mir – an. Ich habe allen erklärt, dass am gesamten GEOMAR niemand über Wale oder Delfine forscht. Dabei habe ich aber wohl einen entscheidenden Fehler gemacht: Ich habe bestätigt, dass es sich bei den Tieren “wahrscheinlich um Große Tümmler” handelt. Das hatte Prof. Culik beim NDR ja auch gesagt. Aber ich habe alle Anrufer gebeten, sich diese Information zum Beispiel bei ihm oder den Kollegen vom Ozeaneaum in Stralsund bestätigen zu lassen.

Vielleicht war ich dabei nicht deutlich genug. Denn über den Ticker einer großen Deutschen Presseagentur lief noch am Mittwoch eine Meldung, in der wieder das GEOMAR als Referenz für die Bestimmung der Delfine angegeben wurde. Dass diese Meldung oft aufgegriffen wurde, kann man sich ja vorstellen (zum Beispiel hier). Ja, und jetzt bin ich Delfin-Experte und überlege, ob ich in Talkshows aufreten sollte…

Falls Journalistinnen bzw. Journalisten diesen Post lesen sollten: Bitte nicht missverstehen. Das soll keine Medienschelte sein! Ich habe früher selbst bei einer Tageszeitung gearbeitet und kenne die Situation sehr gut. Wenn die Zeit drängt und die echten Experten nicht erreichbar sind, dann reicht der Sprecher einer großen Meeresforschungseinrichtung. Ganz klar. Falsch waren unsere Auskünfte nicht. Und ehrlich: Es gibt deutlich schlimmere Dinge als mit Delfinen in Verbindung gebracht zu werden. Ich hätte sie auch gern live auf der Ostsee gesehen.

Warum wäre es mir trotzdem lieber gewesen, wir wären in diesem Zusammenhang nicht in Erscheinung getreten? Weil ich die echten Fachleute verstehen kann. Sie beschäftigen sich jahrein, jahraus mit einem Thema, widmen diesem Thema teilweise ihr Leben, dann kommt dieses Thema plötzlich in die Medien, und dort werden Menschen zitiert, die eigentlich keine große Ahnung haben. Als Öffentlichkeitsarbeiter kennen wir ja auch den umgekehrten Fall. Da hat man eine echte Koryphäe für ein Thema am eigenen Zentrum sitzen, der aber einen Tag lang nicht erreichbar ist, wenn sein Thema gerade aktuell wird. Dann werden andere Wissenschaftler befragt, die das Thema nur am Rande kennen, aber ab sofort als Experten gelten. Das ist schon ärgerlich.

Im Großen und Ganzen ist die Delfin-Geschichte also ein weiteres, zum Glück harmloses Lehrstück, wie Kommunikation funktioniert und dass am Ende nicht unbedingt das heraus kommt, was man am Anfang hinein zu geben glaubt.

Wie auch immer, für Talkshows bewerbe ich mich natürlich nicht 🙂 Dafür hätte ich derzeit auch gar keine Zeit. Wie anfangs schon erwähnt haben wir im Moment ganz andere Dinge zu tun. Der “Ozean der Zukunft” zeigte in der vergangenen Woche seine Ausstellung “Future Ocean Dialogue” zum 350. Jubiläum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel  im AudiMax der CAU. Einen Vormittag habe ich bei der Betreuung geholfen. Die Ausstellung wird auch wieder zur Kieler Woche Ende Juni zu sehen sein. Die bereichern wir außerdem mit Vorträgen und Open Ship auf FS ALKOR. Das muss alles vorbeitet werden. Details geben wir in den kommenden Wochen hier natürlich bekannt. Meine Kollegin Maike war in der vergangenen Woche noch beim aktuellen Mesokosmen-Experiment in Bergen (Norwegen). Gleichzeitig rückt die Deadline für den nächsten GEOMAR-Newsletter bedrohlich näher. Und last but not least gibt es auch aktuelle Meldungen zu Themen, an denen wir wirklich forschen, die wir schreiben und verschicken müssen.

Plastikmüll im Meer ist eines der Themen der Ausstellung "Future Ocean Dialogue". Foto: J. steffen, GEOMAR

Plastikmüll im Meer ist eines der Themen der Ausstellung “Future Ocean Dialogue”. Foto: J. Steffen, GEOMAR

Trotzdem geloben wir Besserung. Der nächste reguläre Wochenbericht kommt bestimmt.

Wir freuen uns, wenn viele sich schon einmal den Termin Kieler Woche und das Zelt der kieler uni live vormerken. Denn, es ist seit Jahren wieder das erste Mal, dass die Kieler Meereswissenschaften eine eigene Ausstellung während der Kieler Woche vom 20. bis 28. Juni auf der Kiellinie präsentieren und damit die Kieler Öffentlichkeit und die Gäste der Stadt mit aktuellen Inhalten aus dem spannenden Feld der Ozeane begeistern wollen. Mehr dazu auf den Seiten des Exzellenzclusters “The Future Ocean” unter www.futureocean.org oder www.futureocean.org/dialogue/de

In diesem Sinne bis bald,

Jan Steffen, Friederike Balzereit und Mette Lüning