Ödes Schulbankdrücken am GEOMAR? Von wegen!

Milla Bigus hat genaue Vorstellungen, wie die Dokumentation ihrer Arbeit aussehen soll. Der Versuchsaufbau zu ihrem Vorexperiment wird gut ausgeleuchtet fotografiert. Foto: B. König, GEOMAR Milla Bigus hat genaue Vorstellungen, wie die Dokumentation ihrer Arbeit aussehen soll. Der Versuchsaufbau zu ihrem Vorexperiment wird gut ausgeleuchtet fotografiert. Foto: B. König, GEOMAR

Schüler aus Gymnasien der Region kommen auch nach einer anstrengenden Schulwoche am Freitagnachmittag noch gerne zum Forschen ans GEOMAR

„Ich sage ihnen doch, dass sie sich umdrehen sollen – aber wieso rennen die denn nicht los?“ Phillipp Kloth hat scheinbar Nerven aus Stahl. Gelassen tüftelt der Schüler des Hans-Geiger-Gymnasiums Kiel an seiner Computer-Simulation herum, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen und tippt weiterhin geduldig irgendwelche Befehle auf „Programmiersprache“ in seinen Laptop. Seine virtuellen, peruanischen Krebse machen jedoch einfach nicht, was Phillipp will.

Nachdem ich den Schüler einige Minuten aus sicherem Abstand zu seiner Programmiersprache beobachte, möchte ich schließlich doch wissen, was genau Phillipp da treibt. Eigentlich ist das Verhalten der Krebse in Wirklichkeit ganz einfach gestrickt: Aufgrund ihrer roten Farbe müssen sie sich im Meer am Tag in tiefere, sauerstoffarme Wasserschichten bewegen, um sich vor Fressfeinden zu verstecken, erklärt mir Phillipp. In der Nacht tauchen die Krebse dann wieder Richtung Wasseroberfläche auf. Je tiefer die Tiere schwimmen, desto weniger Sauerstoff steht ihnen im umgebenden Wasser zur Verfügung. „Außerdem benötigen die Krebse Energie, um den Weg auf sich zu nehmen und, unten angekommen, die Luft anzuhalten“, fügt Phillipp hinzu.

Auf dem Computer klappt das Ganze jedoch noch nicht so einwandfrei. Der 16-jährige Schüler programmiert eine Simulation, die das Tag-/ Nachtverhalten der Krebse darstellen soll. Bis sein Modell perfekt ist, dauert es aber wohl noch eine Weile. „Phillipp ist der Einzige seines ursprünglichen Teams, der beim Modellieren geblieben ist, den anderen wurde das mit der Zeit dann doch zu trocken. Aber er beißt sich da durch“, lacht Joachim, Leiter des GEOMAR-Projekts „Freitagsforscherclub“ und Koordinator der Schulkooperationen des Helmholtz-Zentrums.


Eine Idee wird zum Erfolg

Zusammen mit der Meeresbiologin Sally Soria-Dengg, sowie zwei weiteren Mitarbeitern, der Gymnasiallehrerin Katja Pasdzierny und dem Diplom-Geologen Martin Behrens, betreut der Ozeanograph Joachim Dengg die Schulkinder jeden Freitagnachmittag am GEOMAR. Der Freitagsforscherclub entstand nach dem Vorbild des Physik Clubs in Kassel: Schüler sollten die Möglichkeit bekommen, fernab vom Schulalltag meereswissenschaftliche Experimente durchzuführen. „Ob das Konzept des Physik Clubs auch für uns funktioniert, war anfangs nicht so ganz klar“, erklärt mir Joachim. „In den Meereswissenschaften ist man doch sehr daran gebunden, mit was genau man experimentiert. Sind das Bakterien, die man vielleicht locker eine Woche stehen lassen kann? Oder sind das irgendwelche Organismen, die man täglich betreuen muss?“ Letztendlich gelang es dem vierköpfigen Team, im Anschluss an eine Sommerschule im Jahr 2013 einen ersten Versuch des Freitagsforscherclubs zu starten. Vor einem Jahr, im September 2013 fand der erste Forschungs-Freitag statt. Von den zwölf Schülern der vorangegangenen Sommerschule kam immerhin die Hälfte spontan wieder zurück an das GEOMAR, um gemeinsam mit Joachim, Sally, Katja und Martin zu forschen, und weitere Interessenten waren schnell gefunden. „Wir möchten dabei so wenige Vorgaben wie möglich machen. Ziel ist es, dass die Schüler allmählich ihre eigenen Forschungsinteressen entdecken und eigene Fragestellungen entwickeln“, betont Joachim.

Viel Trubel im Praktikumsraum

Auch wenn sich die Projektleiter der „Freitagsforscher“ über mehr verfügbare Plätze freuen würden, langweilig wird ihnen mit ihren derzeitig elf Schülern sicher nicht. An den Schulbänken wird fleißig gewerkelt.

An einem weiteren Mosaiksteinchen forschen zurzeit Jule Tölke (15), vom Ernst-Barlach-Gymnasium, und Linnea Rulle (17), vom Gymnasium Wellingdorf. Als ich zu ihrem Experimentierplatz komme, sitzen sie in einer Reihe mit Betreuerin Katja am Tisch und gucken konzentriert in ihre Lichtmikroskope.

Zusammen mit Katja haben Jule und Linnea Bewuchsplatten in der Kieler Förde ausgehängt. Die Schülerinnen erstellen nun Bestimmungstafeln für die Benthos-Organismen. Durch regelmäßiges Mikroskopieren beschreiben sie den Jahresverlauf der in der Ostsee vorkommenden Tiere und Pflanzen, die sich auf den Bewuchsplatten niederlassen. „Wir skizzieren die Organismen und beschriften die Zeichnungen, suchen Informationen aus teilweise englischer Fachliteratur heraus und stellen die Informationen in einem Heft zusammen“, erklärt mir Jule stolz.

Offenbar haben die beiden Nachwuchsbiologinnen Spaß am Mikroskopieren und bei genetischen Analysen von Mikroorganismen! Ein anknüpfendes Projekt des Dreiergespanns befindet sich bereits in der Anfangsphase. „Wir experimentieren demnächst mit Phytoplanktonpopulationen aus der Ost- und Nordsee, um sie auf die Anpassungsfähigkeit gegenüber verschiedenen Parametern des Klimawandels zu testen, beispielsweise höhere Temperaturen und steigende CO2-Werte“, freut sich Katja.


Neben den einzelnen Experimenten findet einmal im Monat auch eine Messung in der Kieler Förde am GEOMAR-Anleger statt. Je nach Aufgabenschwerpunkt sammelt jedes Schülerteam seine Daten: Untersucht wird das Ostseewasser beispielsweise auf Chlorophyll-Anteil, pH-Wert, Sauerstoffkonzentration, Temperatur und Salzgehalt. In einer internen Datenbank werden die Ergebnisse dann sorgfältig eingetragen und in einer gemeinschaftlichen Runde besprochen – Für mich klingt das nach Wissenschaft, wie sie vorbildlicher nicht sein könnte!

Der Freitagsforscherclub soll noch erfolgreicher werden

Der Forscherclub bietet derzeit Platz für zwölf Teilnehmer aus den Schulklassen 7 bis 12. Für mehr reichen momentan die Kapazitäten noch nicht aus. Die Finanzierung des Freitagsforscherclubs ist im Moment geteilt. „Einige Gelder kommen aus Mitteln, die wir für Schulprojekte bei großen Forschungsprojekten eingeworben haben, zum Beispiel beim Sonderforschungsbereich 754 oder dem Schwerpunktprogramm 1689 Climate Engineering der DFG. Mehrere Geräte und die Schränke für unser Equipment konnten wir durch das Sponsoring des Frank Schätzing Schulprojekts Meeresforschung finanzieren“, sagt Joachim.

Für den Dauerbetrieb sind neben Fördergeldern aber sicher auch weitere Betreuungspersonen nötig…? „Genau. Wir würden daher zukünftig gerne Wissenschaftler mit in die Betreuung einbinden und auch Lehrkräfte. Wenn wir dann noch einen weiteren Raum zum Arbeiten finden könnten, hätten wir auch die Möglichkeit, die Teilnehmerzahl zu erweitern “, stimmt Joachim zu.

Die Schüler sind sich jedenfalls schon sicher, dass sich ihre Forschung am GEOMAR lohnt und sie möchten auch weiterhin am Freitagsforscherclub teilnehmen. Für einige von ihnen gehen ja bereits auch schon die Planungen für ihre nächsten Experimente los…

An welchen meereswissenschaftlichen Untersuchungen und Projekten die anderen Schüler derzeit arbeiten, könnt ihr hier sehen und lesen: