Navigators (Kieler) Wochenbericht: Seefahrt, Volksfest, Forschung

Was dem Kölner sein Karneval, dem Münchener sein Oktoberfest, das ist dem Kieler seine “Kieler Woche“. Noch bis zum Sonntag dauert unsere “fünfte Jahreszeit” – und die Meereswissenschaften sind natürlich mittendrin.

Hervorgegangen ist die Kieler Woche ja aus den Segelwettfahrten einiger Marineoffiziere Ende des 19. Jahrhunderts. Bis heute spielt der Segelsport eine sehr große Rolle, die Kieler Woche gilt als eines der größten Segelsportereignisse weltweit. Olympische Segelklassen wie Laser, 470 und 49er sowie internationale Klassen wie 420er, Flying Dutchman-Jollen oder auch 29er wetteifern auf Kursen in der Innen- oder der Außenförde um Punkte, Zeiten und Rekorde. Dazu kommen Traditionssegler, Windjammer, historische Dampfschiffe und unzählige Freizeit-Kapitäne, die die Gewässer um Kiel bevölkern. Das hat für in der Ostsee arbeitende Forscher den Vorteil, dass es auf See neben den eigentlichen wissenschaftlichen Aufgaben auch viel zu sehen gibt. Einen Eindruck davon gibt zum Beispiel unser Blogbeitrag über den Ocean Sampling Day am Eröffnungstag der Kieler Woche (inkl. Film).

Für die Segelwettbewerbe der Kieler Woche ist viel Wind ideal. Foto: J. Steffen, GEOMAR

Für die Segelwettbewerbe der Kieler Woche ist viel Wind ideal. Foto: J. Steffen, GEOMAR

Kieler Woche Impressionen. Foto: J. Steffen

Kieler Woche Impressionen. Foto: J. Steffen

Neben der maritimen Komponente verwandelt sich auch die Kieler Innenstadt für zehn Tage in eine riesige Party- und Kulturmeile. Und da kommen wir direkt ins Spiel. Denn auch für den Wissenschaftsstandort Kiel ist das Volksfest ein tolles Schaufenster. Und die Meereswissenschaften sind nun einmal einer der Schwerpunkte in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt.

Traditionell bieten das GEOMAR und der “Ozean der Zukunft” von Montag bis Freitag Vorträge rund um aktuelle Forschungsthemen an. Da ging es in diesem Jahr um Gashydrate im Meeresboden, Plastikmüll im Meer, Evolution und „Die kleinsten Tagebücher der Ozeane“ (Gehörknöchelchen von Fischen). Das Interesse war groß, an einigen Tagen war der Hörsaal bis auf den letzten Platz gefüllt. Sogar zum Vortrag am Donnerstag kamen elf (!) Besucher. An normalen Tagen wäre das wenig. Doch an diesem Tag kickte die Fußball-Nationalmannschaft zeitgleich gegen die USA. Da waren elf Besucher nicht nur ein gutes Ergebnis, sondern geradezu ein Zeichen 🙂

Die traditionellen Kieler Woche Vorträge waren wieder gut besucht. Foto: J. Steffen, GEOMAR

Die traditionellen Kieler Woche Vorträge waren wieder gut besucht. Foto: J. Steffen, GEOMAR

Eine Chance gibt es übrigens noch für meereswissenschaftlich Interessierte: Heute Abend um 18 Uhr informiert Dr. Mark Schürch vom Geographischen Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Mitglied im Netzwerk “Ozean der Zukunft” über “Zwischen Land und Meer: Küstenfeuchtgebiete im Küstenraum der Nordsee unter dem Einfluss des globalen Klimawandels”. Und der Offene Kanal Kiel hat alle Vorträge aufgezeichnet.

Außerhalb unserer eigenen Vortragsreihe waren mehrere Kollegen auch im Zelt „Kieler Uni live“ der Christian-Albrechts-Universität engagiert, so dass auch dort die Themen Seebeben, invasive Arten und Klimawandel zu ihrem Recht kamen. Noch bis Sonntag sind dort Exponate des Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“ zu sehen. Wer immer schon mal messen wollte, wie groß ein Hering, ein Dorsch oder eine Scholle eigentlich sein dürfen, bevor sie auf unseren Tellern landen, der ist herzlich im Unizelt willkommen. Außerdem gibt es dort noch ein interaktives Poster, auf dem sich Besucher wie auf einem riesigen Smartphone Informationen zum Thema „Tsunamis und Hangrutschungen unter Wasser“ spielerisch erschließen können. Im ozean:labor der Kieler Forschungswerkstatt lernen Schülerinnen und Schüler mit eigenen Experimenten etwas rund um die Themen Ostsee, Plastik im Meer und Schall unter Wasser.

Zu den Highlights der Kieler Woche aus unserer Sicht zählt natürlich das Open Ship auf dem Forschungsschiff ALKOR. Kleine und große Besucher konnten hier Krebse, Seesterne und Fische der Ostsee hautnah erleben. Wer weiß schon, woran man eine männliche von einer weiblichen Krabbe unterscheidet? Ich wusste es ehrlich gesagt auch nicht, bevor ich vor einigen Jahren unsere Kollegin Heidi Gonschior kennenlernte. Sie ist ein wandelndes Lexikon der Ostseefauna und hat ihr Wissen auch in diesem Jahr an viele Besucher weitergegeben.


Natürlich nutzt auch die Politik die Kieler Woche für sich. So ist es Tradition, dass die schleswig-holsteinische Landesregierung das Diplomatische Corps in dieser Zeit nach Kiel einlädt. Zum Programm gehört jeweils eine Rundfahrt zu interessanten Orten im Land sowie ein Abendempfang. Für den hatte sich die Staatskanzlei in diesem Jahr etwas Besonderes einfallen lassen. Anstatt in einem Restaurant oder in einem Festsaal wurden die rund 200 Gäste in der Lithothek (Gesteins-Halle) des GEOMAR bewirtet. Für ein international agierendes Forschungs-Zentrum war das natürlich eine gute Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen oder zu vertiefen.


Ja, ganz schön ‘was los in Kiel. Da vergisst man fast, dass auch woanders in der Welt interessante Dinge geschehen. Zum Beispiel in Bremerhaven. Da hat in dieser Woche die Fotoausstellung „Ozeane – Expedition in unbekannte Tiefen“ mit Bilder von Solvin Zankl eröffnet. Die Ausstellung war vorher bei uns zu sehen. Deshalb der Tipp an alle Menschen aus Bremerhavener, Bremen und Umgebung: Schaut sie Euch an! Es lohnt sich.

Natürlich sind auch während der Kieler Woche Kolleginnen und Kollegen weltweit im Einsatz. So ist die SONNE am Wochenende planmäßig in Walvis Bay (Namibia) eingelaufen. Ein großer Teil des Wissenschafts-Teams ist von Bord gegangen. Mit neuen Kolleginnen und Kollegen an Bord ist das Forschungsschiff dann wieder Richtung Walvis Ridge ausgelaufen. Der Blog “Walvis II” läuft weiter. Allerdings müssen die “Neuen” sich erst einmal einarbeiten. Sie bitten um etwas Geduld bis zum nächsten Post. Er kommt bestimmt.

Außerdem gibt es Neuigkeiten von den Studenten des GAME-Programms, die weltweit die Folgen von Mikroplastik im Meer untersuchen. Mehr dazu im GAME-Blog. Und last but not least sind die Kieler Meereswissenschaften in Rio angekommen – weit eher, als die deutsche Nationalmannschaft!

Und damit erst einmal ein schönes Wochenende und bis nächste Woche,

Jan Steffen