Winken, drehen, in die Flossen klatschen – Manege frei für Krümel & Co

Seehund Kielius spielt mit einem Rettungsring. Foto: G. Seidel, GEOMAR Seehund Kielius spielt mit einem Rettungsring. Foto: G. Seidel, GEOMAR

Der Himmel ist bewölkt, es ist ein grauer Nachmittag, an dem man nicht unbedingt vor die Tür möchte. Und doch haben sich etwa zwanzig Personen an der Kiellinie, der Kieler Uferpromenade, versammelt. Von kleinen Kindern bis hin zum älteren Pärchen ist hier jedes Alter vertreten. Sie alle schauen uns erwartungsvoll durch Glasscheiben und über zwei große Wasserbecken hinweg an, während Nicole mir noch ein paar Sachen erklärt. Nicole Fischer ist Tierpflegerin im Aquarium GEOMAR. Was wir an diesem Dienstagnachmittag um halb drei machen? Na, Seehunde füttern natürlich. Das weiß doch jeder Kieler! 😉 Jimmy, Kielius, Krümel, Luna und Sally tummeln schon erwartungsvoll durchs Wasser.

Hinter den Kulissen hat Nicole bereits eine „Platte“ tiefgefrorener Heringe aufgetaut, das sind etwa 18 Kilogramm für die fünf Seehunde. Aber bevor die an der Reihe sind, bekommt Abrax noch einen halben Hering. „Abrax ist eine ganz zutrauliche Rabenkrähe. Wir haben ihn und ein paar seiner Artgenossen angefüttert, damit sie die Möwen vertreiben. Die fangen die Fische sonst nämlich im Flug, wenn wir sie ins Seehundsbecken werfen“, erklärt Nicole. Zweimal am Tag gibt es hier eine Schaufütterung (um 10:00 und um 14:30) – nur nicht freitags. „In der Natur bekommen die Tiere ja auch nicht regelmäßig Futter, da können sie hier auch mal einen Tag aussetzen“, sagt Nicole.


Jetzt geht’s los

Dürfen wir vorstellen? Jimmy, Kielius, Krümel, Luna, und Sally – das sind die Seehunde des Aquariums und die Attraktion der Kiellinie. Mit der Pfeife im Mund und den ersten Heringen in der Hand steht Nicole oberhalb des Beckens, neben ihr die Studentin Paulina. Sie werfen den Seehunden ihr Futter zu und passen auf, dass jeder genug bekommt. Zwischendurch klatscht Nicole in die Hände, winkt oder dreht ihren Arm. Dann wissen die Tiere, dass sie es ihr nur nachzumachen brauchen, um noch einen Hering zu ergattern. „Die Tricks üben wir mit ihnen während  des Beschäftigungsprogramms. Das fängt so an, dass man schaut, was die Tiere von sich aus anbieten, und dann baut man das aus und belohnt sie dafür“, erzählt Nicole und bringt Krümel dazu, aus dem Wasser herauszuspringen. Sie wirft ihm einen Fisch zu, bevor sie weitererzählt. „Kielius zum Beispiel holt gern einen Rettungsring, spielt mit ihm und bringt ihn dann auch zu mir zurück.“ Daraufhin gehen wir ein paar Treppenstufen hinunter, zum anderen Becken. Die Seehunde können einfach unter der Trennwand hindurch tauchen. Hier liegen schon Tauchringe und besagter Rettungsring bereit.


Seehunde mit Charakter

Wenn man die Tiere so beobachtet, sieht man bald ein paar Unterschiede zwischen ihnen. Jimmy zum Beispiel ist eher anhänglich. Er ist der Rentner in der Gruppe, 37 Jahre ist er schon alt. In der freien Wildbahn werden Seehunde nicht so alt, ein Tier ist in einem Zoo aber schon mal 50 Jahre alt geworden. Sein Sohn, Kielius ist 16 Jahre alt. Er ist besonders engagiert und macht viele der Tricks mit. Krümel ist vor 13 Jahren hier im Aquarium geboren worden. Sie ist eine kleine Diva, die immer ein bisschen mehr Aufmerksamkeit haben möchte. Sally und Luna sind zwei Jahre alt und könnten unterschiedlicher nicht sein: Luna, aus dem Tierpark Neumünster, ist ziemlich frech, Sally, die aus St. Peter-Ording nach Kiel kam, ist sehr zurückhaltend. „Früher haben wir noch selbst Seehunds-Nachwuchs bekommen, wie man an Kielius sieht. Seit vielen Jahren schon bekommen unsere Tiere aber die Pille“, so Michael Gruber, der Leiter des Aquariums. „Seehunde werden ja in genügend Zoos nachgezüchtet. Da nehmen wir lieber Jungtiere von anderen Gehegen. Außerdem sind Geburten für eine solche Gruppe immer Stress – das Zusammenleben verändert sich“, erklärt er. Apropos Robben – gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen Robben und Seehunden? „Ja, den gibt es. Robben sind eine ganze Gruppe im Tierreich, Seehunde nur eine Art davon“, erklärt Michael. Alle Seehunde sind also Robben, aber nicht alle Robben sind Seehunde.

Kunststücke

Jimmy robbt jetzt langsam aus dem Wasser heraus und klatscht sich mit der Vorderflosse auf die Seite. „Hier, ich möchte noch einen Fisch haben bitte“, scheint er Nicole damit sagen zu wollen. Nicole hockt sich hin, um ihm einen Hering zu geben. Derweilen holt Kielius einen gelben Tauchring aus dem Wasser zurück und möchte nun ebenfalls eine Belohnung haben. Die Seehunde scheinen sich hier recht wohl zu fühlen: Futter, Spiele, Aufmerksamkeit – und echtes Ostseewasser. Über einen Zu- und Ablauf wird das Wasser im Becken ständig mit dem aus der nur zehn Meter entfernten Kieler Förde ausgetauscht.


Nicole ist übrigens gelernte Zoopflegerin und hat schon während ihrer Ausbildung in Neumünster mit Seehunden zusammen gearbeitet. Im Aquarium GEOMAR ist sie für die fünf Tiere verantwortlich, ebenso wie für ein paar weitere Becken und den Kulturraum. „Wir hältern hier einige Fische, die bald in die Schaubecken sollen und züchten Jungtiere heran“.
So langsam ist der Eimer leer, die Tiere sind auch schon etwas träge und machen nicht mehr ganz so motiviert mit. Für heute ist es genug. Die Seehunde tauchen unter, die Zuschauer verabschieden sich und Nicole hat jetzt Feierabend.

Auf Wiedersehen! Bis morgen Nicole! Foto: G. Seidel, GEOMAR

Auf Wiedersehen! Bis morgen Nicole! Foto: G. Seidel, GEOMAR