Wassermassengrenzen hautnah erleben

Nachdem wir die ganze Nacht Transit gefahren sind, kamen wir gegen 8:00 Uhr im neuen Arbeitsgebiet, der Hudson Strait, an. Alle Wissenschaftler an Board fieberten diesem Moment entgegen, da wir mit nur acht Seemeilen Entfernung  zu Kanada in die Hudson Strait eingefahren sind. Leider konnten wir den Ausblick auf Kanada beim Einfahren in die Hudson Strait nicht genießen, da sich ein zäher Nebel über das 1°C kalte Wasser gelegt hat. Auch die Lufttemperatur ist im Vergleich zu Grönland (12°C) auf nasskalte 1°C abgesunken. Hier haben sich wieder die Vorzüge des Golfstromes gezeigt, der auch dafür verantwortlich ist, dass wir in Europa ein angenehm mildes Klima haben. Ein kleiner Teil des Golfstromes, welcher warmes und salziges Wasser aus dem Golf von Mexiko nach Europa transportiert, zweigt südlich von Island  in westlicher Richtung vom Hauptstrom ab und strömt entlang der Westküste Grönlands nach Süden  in die Labrador See. Dies führt dazu, dass die Wassertemperatur, sowie die Lufttemperatur, an der Küste Grönlands um einige Grad höher als auf der kanadischen Seite sind. Da auf dieser Seite der Labradorstrom kaltes Wasser aus der Arktis nach Süden, entlang der kanadischen Küste, transportiert. Den Übergang zwischen dem warmen Golfstromwasser und dem kalten Labradorstromwasser konnten wir während unserer Überfahrt sehr gut beobachten. In dem Mischungsbereich beider Strömungen fuhr das Schiff eine Art Schlangenlinie und musste immer wieder den Kurs korrigieren, da es durch kleinere Wirbel verdriftet wurde. Außerdem durchfuhren wir im Übergangsbereich der Wasserströmungen dichte Nebelbänke die sich aufgrund der unterschiedlichen Wassertemperaturen bildeten.

Die wesentlich kälteren Temperaturen machen das Arbeiten im Hangar und an Deck zu einem Kraftakt. Trotzdem ist das Sedimentteam unermüdlich dabei Kerne zu sägen und verschiedenste Proben aus den bereits gewonnenen Sedimentkernen zu entnehmen. Dabei liegt ein unangenehmer Geruch nach faulen Eiern in der Luft der sich nur schwerlich aus dem Hangar verzieht und den jeder marine Geologe allzu gut kennt. Das sogenannte „Faulgas“ entsteht, wenn organisches Material unter Ausschluss von Sauerstoff (so zum Beispiel am Meeresboden) durch Bakterien und Kleinstlebewesen zersetzt wird. Dabei bildet sich ein Gasgemisch aus Methan (CH4) und Schwefelwasserstoff (H2S), welches für den Geruch nach faulen Eiern verantwortlich ist. Es bleibt so lange im Sediment eingeschlossen, bis es durch die Kernbeprobung entweichen kann. Wir alle sind uns ziemlich sicher, dass uns dieser Geruch auch die nächsten Tage auf See begleiten wird, denn schon morgen früh werden die nächsten Sedimentkerne an die Oberfläche befördert.

[English]
Water currents and their accompaniments
After our transit from Greenland to the Canadian coast we reached our new working area (the Hudson Strait) at around 8 a.m. All cruise participants were excited to see how we cross the entrance of the Hudson Strait as well as the Canadian coast for the first time. Unfortunately there was a thick fog layer above the sea surface and the temperature decreased from around 12 °C in Greenland to damp 1 °C at the Canadian shelf. At this point we could experience the advantages of the golf stream which causes the balmy climate that we can observe in Europe and the southern tip of Greenland. A small percentage of the Gulf Stream which carries warm and salty water from the Gulf of Mexico to Europe branches of the main stream south off Iceland and flows westward along the south coast of Greenland into the Labrador Sea. Because of this the water and air temperature in Greenland is a few degrees higher than at the Canadian site where the cold Labrador Current flows from the Arctic southwards along the coastline. During our transit we crossed the transition zone from warm Gulfstream water and the cold Labrador Current water. In this mixture zone of both water currents the research vessel made a wiggly track as the ship had to correct its route many times due to small eddy drifts. The mixing of waters with different temperatures led to the fogbanks we pass through in the morning.

The significant colder temperatures made the work in the Hangar and at deck to a strenuous effort but the sediment core team worked tireless at the recovered sediment cores. While they sample the cores it smelled like rotten eggs which every geologist knows too good. The so called manure gas originates from the decomposition of organic material by microorganisms under anoxic conditions. As a product of the decomposition a gas mixture of methane (CH4) and hydrogen sulfide (H2S) which causes the horrible smell is generated. The manure gas is trapped in the sediment cores until they are opened from the sediment core team for sampling. We are all sure that this smell will accompany us for the next day´s because during the upcoming night the deck team will recover the next sediment cores in the Hudson Strait.

Stefan Reißig
GEOMAR