Schmelzendes Meereis: Auch eine gute Nachricht?

Moostierchen - hier in ihrer vielleicht berühmtesten Darstellung durch Ernst Haeckel - könnten dazu beitragen, dass der Klimawandel aufgehalten wird. Bild: Ernst Haeckel "Kunstformen der Natur" 1904, Tafel 23 Bryozoa Moostierchen. Via wikimedia commons, gemeinfrei Moostierchen – hier in ihrer vielleicht berühmtesten Darstellung durch Ernst Haeckel – könnten dazu beitragen, dass der Klimawandel aufgehalten wird. Bild: Ernst Haeckel “Kunstformen der Natur” 1904, Tafel 23 Bryozoa Moostierchen. Via wikimedia commons, gemeinfrei

Meereis, das durch den Treibhauseffekt abschmilzt, kann indirekt die globale Erwärmung wieder verlangsamen. Lebewesen in der Westantarktis, wo das Meereis besonders schnell zurückgeht, entfernen mutmaßlich große Mengen des Treibhausgases aus der Atmosphäre. Damit gehört dieses Gebiet zu den wenigen Regionen weltweit, die langfristig Kohlenstoffdioxid binden. Forscher haben nun herausgefunden, woran das liegt.

Es gibt nicht viele positive Meldungen, die den Klimawandel und dessen Folgen betreffen. Es gibt viele Beispiele für regelrechte Teufelskreise, bei denen ein Anstieg des ausgestoßenen Kohlenstoffdioxids zu einer Kaskade an Effekten führt, durch die schlussendlich noch mehr Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre gelangt. Ein Beispiel hierfür stellt der schmelzende Permafrost in Sibirien dar. Schon ein geringer Anstieg der Umgebungstemperaturen durch den Treibhauseffekt könnte dieses Eis tauen lassen und Unmengen von derzeit dort gebundenem Kohlenstoffdioxid freisetzen, was wiederum den Klimawandel befeuert.

Umso erfreulicher, dass es auch eine Auswirkungen des Treibhauseffekts zu geben scheint, die den Klimawandel ein wenig aufhalten könnte. Wie Forscher bereits im Jahre 2010 zeigen konnten, sorgt der Rückgang des Meereises in der Antarktis dafür, dass in diesen Bereichen vermehrt Kohlenstoffdioxid durch Flora und Fauna gebunden wird.

Wissenschaftler aus Cambridge und Southampton haben in einer jüngst erschienenen Studie erforscht, weshalb die Westantarktis eine sogenannte „Senke“ für Kohlenstoffdioxid darstellt. Demnach führt das schmelzende Meereis dazu, dass mehr Licht vorhanden ist und winzig kleine Algen in der Wassersäule länger blühen können. Diese Mikroalgen bieten Futter für Tiere. „Längere Algenblüten bedeuten längere Fraßzeiten für Tiere, die dadurch vermehrt wachsen“, erklärt David Barnes, Erstautor der Studie. Besonders Tiere, die Kalkschalen oder Skelette aus Kalk aufbauen, können langfristig dafür sorgen, dass Kohlenstoffdioxid aus dem System entfernt wird. Diese Strukturen aus Kohlenstoff sinken nach dem Tod der Tiere auf den Meeresboden und verweilen dort für lange Zeit, bis sie abgebaut werden und das Kohlenstoffdioxid wieder in die Umgebung abgegeben wird.

Barnes und seine Kollegen haben exemplarisch das Wachstum sogenannter Moostierchen in Augenschein genommen. Diese mikroskopisch kleinen Organismen leben meist in Kolonien zusammen. Man erkennt sie als häufig strukturierte Krusten auf Steinen, Algen und Schalen anderer Tiere. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass umso mehr Kohlenstoff durch Aufbau der Moostierchenschalen im Wasser gebunden wird, desto länger die Algenblüte in der Westantarktis dauert.

Bei allem Optimismus müssen die Forscher jedoch zugeben, dass ihre Berechnungen viele Unsicherheiten haben. So könnten nicht nur andere Arten andere Ergebnisse liefern, es wäre beispielsweise auch möglich, dass der prognostizierte Anstieg der Ozeanversauerung die Kalkgerüste der Tiere auflöst. Dadurch würde wiederum vermehrt Kohlenstoffdioxid freigesetzt und ein weiterer Teufelskreis geschlossen.

Moostierchen können verschiedene Farben haben und bilden häufig Krusten auf Algen, Steinen oder anderen Oberflächen. Bild: Jerry Kirkhart 2007 via wikimedia commons, CC-BY 2.0

Moostierchen können verschiedene Farben haben und bilden häufig Krusten auf Algen, Steinen oder anderen Oberflächen. Bild: Jerry Kirkhart 2007 via wikimedia commons, CC-BY 2.0