Geschäftiges Treiben bei Boknis Eck

Die CTD kommt jeden Monat bei der Ausfahrt nach Boknis Eck zum Einsatz. Foto: B. König, GEOMAR Die CTD kommt jeden Monat bei der Ausfahrt nach Boknis Eck zum Einsatz. Foto: B. König, GEOMAR

Mehr als 500 Mal in 57 Jahren fahren GEOMAR-Forscher zur Wasserbeprobung in die Bucht vor Eckernförde

Klack, klack, klack… „Achtung – STOPP!“. Klong!

Klack, klack, klack… „Achtung – STOPP!“. Klong!

Ganze drei Stunden sind die Rufe von Fahrtleiter Frank Malien auf der LITTORINA zu hören. Alles was man dabei sieht, ist ein langes Stahlseil, das mit einem Flaschenzug-Mechanismus verbunden in den Tiefen der Ostsee verschwindet. Doch alle 15 Minuten taucht das Unterwasserobjekt auf, wird tropfend und triefend an Bord gehievt und auf einem Gitter abgestellt. Schnell kommen von allen Seiten Wissenschaftler herbei und halten mit geschickten und flinken Drehbewegungen ihre Fläschchen und Probenbehälter unter die Schläuche, die aus der Unterwasser-Konstruktion herausragen, um kaltes Wasser abzuzapfen. Nach einer sonnigen und gemütlichen Anfahrt zur Station Boknis Eck herrscht unter den fünf Crew-Mitgliedern und sechs Wissenschaftlern plötzlich geschäftiges Gewusel an Deck der LITTORINA.

„Das ist eine CTD, also ein Messgerät für Conductivity Temperature and Depth – Leitfähigkeit, Temperatur und Tiefe“, erklärt mir Frank Malien, als ich den Wasserprobensammler zum ersten Mal aus nächster Nähe begutachte. Er besteht aus sechs Röhren, die in Fünferschritten von eins bis 25 beschriftet sind. Die Zahlen stehen für die Wassertiefe in Metern, in der die einzelnen Behälter befüllt werden.

Klack, klack, klack… „Achtung – STOPP!“. Klong!

Im Schiffs-Labor, einem circa 12 Quadratmeter kleinen Raum, sitzt Herr Malien nun und beobachtet akribisch ein paar Linien, die auf seinem Computerbildschrim senkrecht nach unten verlaufen, Millimeter um Millimeter. Beim sogenannten Vieren, werden die Flaschen des CTD geöffnet in die Tiefe gelassen. Anschließend zieht das Seil den CTD beim sogenannten Hieven wieder nach oben. Sobald dabei die erste Wassertiefe erreicht ist, gibt Frank Malien dem LITTORINA-Matrosen Stefan Tomm ein Zeichen, den Flaschenzug anzuhalten. Mit einem leichten Ruck und einem „Klong“, wird der Hebel zum Anhalten des Seils umgelegt. Unterhalb der Wasseroberfläche wird so nacheinander jede Flasche in ihrer zugewiesenen Wassertiefe jeweils mit circa 3,5 Litern Wasser befüllt und geschlossen. Zurück an Bord entnehmen die Forscher des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel aus jeder Wassertiefe ihre Proben. Die Fläschchen und Behälter werden sorgfältig für weitere Analysen vorbereitet, abgedichtet, gekühlt und lichtundurchlässig verpackt. Später sollen die Proben auf Bakterienkulturen, Algenwachstum, Nährstoffe, Sauerstoffgehalt, Chlorophyll, Spurengase und -metalle untersucht werden.


Frühling, Sommer, Herbst und Winter – Wasserbeprobungen dieser Art finden vor der Eckernförder Bucht, bei Boknis Eck (54°31.2′ N, 10°02.5′ E) schon seit 57 Jahren jeden Monat statt. Dadurch können umfassende Datensätze von Zeiten der Algenblüte bis hin zu Sauerstoffreichen oder –armen Phasen über das gesamte Jahr hinweg erstellt werden. Eine Messreihe dieser Zeitspanne ist mit anderen Wenigen weltweit etwas Besonderes.

Der Sauerstoffgehalt der Wasserproben wird direkt nach dem ersten Durchgang bestimmt. Frank Malien entnimmt dazu aus jeder Röhre wenige Milliliter und mischt eine Lösung hinzu. Jeder, der gerade vorbeiläuft, bekommt eines der Fläschchen in die Hand gedrückt und muss schütteln. „Kräftiger! Immer weiter schütteln“, so die Anweisung des Fahrtleiters.


Je nach Färbung der Lösung lässt sich auf den Sauerstoffgehalt der Probe und somit auf den Sauerstoff in den verschiedenen Wassertiefen schließen. „Ist die Färbung eher weiß, deutet das auf eine geringe Sauerstoffkonzentration hin; ist sie eher braun, spricht das für viel gelösten Sauerstoff“, erklärt Frank Malien. Innerhalb der letzten Jahre konnte damit nachgewiesen werden, dass die Wassertemperaturen der Ostsee steigen, während Nährstoff- und Sauerstoffgehalt in den einzelnen Wasserschichten abnehmen.

Sauerstoff wird vor allem von frischem Nordsee-Wasser in die flache Ostsee eingetragen. Bei Boknis Eck treffen Ostsee und Nordseegewässer aufeinander, außerdem wird die Station nicht von Störungen aus Flussgewässern beeinflusst. Boknis Eck bietet sich daher als hervorragende Position für eine Forschungsstation zur Beprobung des Ostseegewässers an. Ganz so einfach ist das mit dem sauerstoffreichen Wassereintrag jedoch nicht. Wie viel Sauerstoff und Nährstoffe aus der Nordsee letztlich in den untersten Schichten der Ostsee ankommen, hängt mit der Bodengestaltung der Ostsee zusammen. Diese ist nämlich in mehrere Becken unterteilt, die über angehäufte Schwellen voneinander abgetrennt sind. Das Nordseewasser muss diese Schwellen also erst einmal passieren. Wie der Frischwassereinstrom zum Beispiel das Algenwachstum beeinflusst und was dadurch im Rückschluss mit dem Sauerstoffgehalt passiert, wird durch weitere Wasserproben von den Wissenschaftlern später an Land analysiert.

Kaum sind die Behälter der CTD geleert, startet die nächste Runde. Klack, klack, klack… „Achtung – STOPP!“. Klong! Unterdessen hört man von der andern Seite des Decks amüsiertes Lachen. Wirft man einen Blick über die Reling, sieht man wie ein Sieb verbunden mit einem langen Seil durchs Wasser gezogen wird. Nach ein paar Minuten wird es an Deck gezogen und das abfließende Wasser tröpfelt durch einen Trichter in eine Plastikflasche.


Chemiker Florian David Lange muss dabei lachen „Wie das wohl von Weitem aussehen muss wenn ich mit einem Sieb versuche, Wasser aus dem Meer an Deck zu befördern…?“. In der Tat kommt mir das Prozedere zuerst etwas rätselhaft vor. Doch schnell hilft mir Florian Lange auf die Sprünge und erklärt, dass er mit dem Sieb Oberflächenwasser der Ostsee abschöpft und die Tropfen, die am Sieb hängenbleiben, in eine Flasche füllt, um später einzelne Parameter zu analysieren.

Klack, klack, klack… „Achtung – STOPP!“. Klong! Für den CTD ist ein neuer Gang in die Tiefe angesagt. Während Florian Lange fröhlich vor sich hinsiebt, ist die erste Gruppe von Wissenschaftlern mit der Befüllung ihrer Fläschchen fertig und bringt das Probenset in das benachbarte Container-Labor. Spritzen hier, Deckelchen dort, Sicherheitshandschuhe nicht vergessen! In dem schmalen Gang des 2×3 Meter kleinen Containers wird es eng.

Doch bevor die Proben in die Kühlbehälter dürfen, müssen einige davon noch behandelt werden. Zum Beispiel mit Quecksilber. „Ich vergifte diese Proben jetzt, damit sich keine Bakterien oder Algen kultivieren“, erklärt Post-Doktorandin und chemische Ozeanographin Frederike Korth. Mit einer Pipette bewaffnet überführt sie immer wieder eine bestimmte Menge der Quecksilberlösung in die Wasserproben. Sobald sie ihre Arbeit abgeschlossen hat, muss sie den Laborplatz für das nächste Probenset freiräumen.


Florian Lange ist derweil mit dem Sieben fertig. „Schleife… hinten rum, von oben durch… Ist das jetzt richtig?“. Von dem angeblichen Seemannsknoten, den Florian für seinen Sieb benutzte, ist Matrose Stefan Tomm nicht überzeugt. Prompt bekommt Florian also Hausaufgaben aufgebrummt, während die restlichen Wissenschaftler noch mit ihren Wasserproben beschäftigt sind: Seemannsknoten üben!

Langsam haben auch die anderen Forscher allmählich ihre Wasserproben entnommen und versorgt, pünktlich zum Herbstanfang genießen sie an Deck noch die letzten wärmenden Sonnenstrahlen zum „Feierabend“. Etwas nebliger geht es hingegen unter Deck zu. Dampfende Häufchen aus grünen Erbsen, Kartoffelecken und Schnitzel vernebeln die Lichtkegel, die aus den Fenstern des Aufenthaltsraumes eindringen. Gegen 13 Uhr meldet sich der Schiffs-Koch zu Wort „Essen fassen!“. Nach zahlreichen „Klack, klack, klack… Achtung – STOPP! Klong!‘s“ ist nun Zeit für eine Pause, immerhin ist die meiste Arbeit geschafft und bevor wir die eineinhalbstündige Rückfahrt angehen, muss nur noch eine Wissenschaftlerin ihre Proben aus den Tiefen der Ostsee schöpfen.

Gegen 15 Uhr laufen wir schließlich wieder in Kiel ein.  Jeder packt mit an, denn die anfangs leeren Kühlbehälter sind nun voll mit kleinen Fläschchen, voll mit Proben aus 1, 5, 10, 15, 20 und 25 Metern Wassertiefe. Auf Rollwagen wird alles sicher verstaut und in die Labore am GEOMAR-Standort am Westufer gebracht.

Die LITTORINA liegt nun wieder am Steg und wartet auf ihren nächsten Einsatz. In einem Monat heißt es dann wieder Klack, klack, klack… „Achtung – STOPP!“. Klong!