SO244 GeoSEA – Die unbekannte Unterwelt der SONNE

In Fahrt: Heute und morgen kartiert die SONNE Meeresboden / Mapping the seafloor with 8 knots. Photo: Jan Steffen, GEOMAR In Fahrt: Heute und morgen kartiert die SONNE Meeresboden / Mapping the seafloor with 8 knots. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

(English version below) Heidrun und Dietrich können wieder zwei Häkchen auf der Das-haben-wir-geschafft-Liste setzen. Die Konfiguration der GeoSEA-Messnetze ist seit gestern Abend abgeschlossen, der Dunker (siehe Beitrag von gestern) ist schon wieder verpackt. Auch den Waveglider haben wir nach seiner zweiten Nachtfahrt heute morgen wieder sicher geborgen. Patrick, Torge und Florian überprüfen und verpacken ihn jetzt ebenfalls. Am Ende der Reise wird er ein vorläufiges neues Zuhause in Chile finden. Von dort kann er relativ einfach eingesetzt werden, um Daten von den GeoSEA-Netzwerken anzurufen (siehe Beitrag vom 2.12.).

Jetzt widmen wir uns einer Tätigkeit, die zu den absoluten Grundlagen jeder Marinen Geowissenschaft gehört: Wir kartieren den Meeresboden. Es ist ja leider nicht so, dass wir nur Prozesse tief im Meeresboden oder Details der Plattenbewegungen nicht kennen. Wir kennen noch nicht einmal den Meeresboden genau. Höchstens zehn Prozent sind bisher präzise kartiert. Zehn Prozent von zwei Dritteln der Erdoberfläche! Auch hier vor Chile klaffen noch große Lücken in den bathymetrischen (Bathymetrie = Vermessung der Tiefe) Karten. Eine dieser Lücken wollen wir heute und morgen schließen. Florian hat dafür mehrere Nord-Süd-Kurse berechnet, die insgesamt 320 Seemeilen umfassen. Bei acht Knoten sind wir dafür fast 40 Stunden unterwegs. Während dieser Zeit tastet ein Fächerecholot der SONNE permanent den Boden 4000 Meter unter uns ab. Aus den Laufzeiten der Schallsignale können Karten berechnet werden, die immerhin eine Auflösung von ca. 75 Metern haben. Wer es noch genauer benötigt, muss Geräte einsetzen, die auch zum Meeresboden tauchen können, zum Beispiel das AUV ABYSS.

Zum Glück kann ich es mir bei diesem Thema einigermaßen einfach machen, denn zum Thema „Kartierung des Meeresbodens“ hat unsere Kollegin Meike Klischies einen eigenen Blog begonnen. Schauen Sie einfach dort nach. Meike ist aktuell mit dem amerikanischen Forschungsschiff KILO MOANA im Zentralpazifik unterwegs, aber sie freut sich über Nachfragen und Kommentare.

Gelegenheit für mich, noch einmal kurz auf unsere derzeitige Heimat, die SONNE einzugehen. Kurz die Kerndaten: Sie ist 116 Meter lang, 21 Meter breit. Ihre Besatzung besteht aus 31 Frauen und Männern, zudem bietet sie Platz für bis zu 40 Wissenschaftler. Als solcher (oder als mitreisender Wissenschaftskommunikator) erlebt man das Schiff hauptsächlich ab Höhe Hauptdeck. Hier liegen die meisten Labore, die Datenzentrale, der offene Arbeitsbereich an Steuerbord und am Heck (Arbeitsdeck). Im vorderen Bereich des Hauptdecks befindet sich auch meine Kammer. In den höheren Decks findet man noch die Messe, weitere Unterkünfte, schließlich die Brücke, das offene Peildeck und den Beobachtungsraum (siehe dazu auch den Beitrag von Florian G. am 4.12.).

Gestern hatte ich allerdings zusammen mit einigen anderen GeoSEA-Teammitgliedern die Gelegenheit, einen Blick in die für uns sonst gesperrten Bereiche der unteren Decks zu werfen. Achim, der „Chief“ hier an Bord (Chef der Schiffstechnik), hat uns durch die Maschinen- und Betriebsräume geführt. Dort stehen vier Dieselgeneratoren mit einer Gesamtleistung von 6100 kW. Der Strom, den sie produzieren, betreibt unter anderem die elektrischen Antriebsmaschinen. Insgesamt verfügt das Schiff über zwei Festpropeller, zwei um 360° drehbare Thruster und einen Pumpjet. Mit dem Strom der Dieselgeneratoren werden aber auch alle anderen Verbraucher an Bord versorgt – von der Leselampe über meiner Koje bis zur Kühlung des Klimalabors und den Motoren der großen Winden.

Die SONNE ist nicht nur mit modernster wissenschaftlicher Infrastruktur ausgestattet, sie ist auch  möglichst sicher gebaut worden. Eigentlich sind alle Anlagen mindestens doppelt vorhanden und auf jeweils verschiedene Feuerbereiche beziehungsweise wasserdichte Abteilungen verteilt. Das heißt im Ernstfall könnte eine komplette Abteilung ausbrennen oder voll Wasser laufen – das Schiff wäre immer noch in der Lage, sicher den nächsten Hafen anzulaufen. Erleben wollen wir das aber nicht.

Außerdem ist die SONNE mit dem blauen Engel zertifiziert. Dafür mussten beim Bau und müssen beim Betrieb jede Menge Kriterien erfüllt werden, wie der Chief uns auf der Tour erklärt – angefangen bei einem möglichst ungiftigen Unterwasseranstrich über Abgasreinigungsanlagen bis hin zu Mülltrennung und Abwasseraufbereitung.

Die umfangreiche technische Ausstattung führt allerdings dazu, dass es in den schiffstechnischen Räumen eng wie in einem U-Boot ist. Jeder Raum, jede Ecke ist mit Geräten, Maschinen, Rohrleitungen und Kabeln vollgestopft. Zusätzlich ist es natürlich heiß und laut. Hier unten zu arbeiten wäre für die meisten von uns sicherlich kein Vergnügen. Auch die Techniker werden sich freuen, dass sie – theoretisch – die meisten Bedienvorgänge automatisiert vom Leitstand aus durchführen können. Hier laufen auch alle Alarme auf, die die rund 10.000 technischen Messstellen im Schiff geben können. Da die SONNE aber recht neu und ein extrem komplexes System ist, haben die Techniker immer noch viel in den Maschinenräumen zu tun, um alle möglichen kleineren und größeren Kinderkrankheiten zu beseitigen.

Wir jedenfalls sind beeindruckt vom dem technischen Aufwand, der es uns ermöglicht, die Erde dort zu erforschen, wo sie bisher noch fast unbekannt ist – auf hoher See.

Mit besten Grüßen vom gesamten GeoSEA-Team,

Jan

(unser aktuelle Position: 22° 05,0′ S 71° 34,8′ W)

Florian plant im Hydroakustiklabor die Wegpunkte für die Vermessung des Meeresbodens / Florian plans waypoints for for the next two days. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

Florian plant im Hydroakustiklabor die Wegpunkte für die Vermessung des Meeresbodens / Florian plans waypoints for for the next two days. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

Kisten packen... An Deck bereiten wir uns bereits auf die Rückreise vor / Loading containers... on deck preparations for the journey back have started. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

Kisten packen… An Deck bereiten wir uns bereits auf die Rückreise vor / Loading containers… on deck preparations for the journey back have started. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

Chief Achim gibt uns einen Überblick über die Maschinen- und Betriebsräume der SONNE / Chief Achim explains the engine rooms of the SONNE. Photo: Jan Steffen,, GEOMAR

Chief Achim gibt uns einen Überblick über die Maschinen- und Betriebsräume der SONNE / Chief Achim explains the engine rooms of the SONNE. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

Der Leitstand der SONNE / The central control station of the SONNE. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

Der Leitstand der SONNE / The central control station of the SONNE. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

Ein typischer Raum für ein Forschungsschiff: der Windenraum / A typical feature for research vessels: the winch room. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

Ein typischer Raum für ein Forschungsschiff: der Windenraum / A typical feature of research vessels: the winch room. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

Ein typischer Raum für ein Forschungsschiff: der Windenraum / A typical feature for research vessels: the winch room. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

Die Welle des Backbord-Feststellpropellers. Die SONNE fährt sehr leise und vibrationsarm / Shaft of the port propeller. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

Heidrun and Dietrich can tick two more boxes on the ‘we-have-done-that list’. The configuration of the GeoSEA-monitoring networks is finished since yesterday evening, the Dunker (see yesterday’s post) is packed again. The Wave Glider has been recovered safely after his second night trip this morning. Patrick, Torge and Florian check it and pack it also. At the end of the trip he will find a temporary new home in Chile. From there, it can be used relatively simply to retrieve data from the GeoSEA networks (see post of 2 Dec).

Now we’ve started an activity which is one of the basics of Marine Geoscience: We map the oceanfloor. Of course our knowledge about processeses deep in the seabed or about the details of plate tectonics is limited. But we do not even know the seabed accurately. Less than ten percent are mapped precisely, to date. Ten percent of two-thirds the Earth’s surface! Off Chile there are also large gaps in the bathymetric (bathymetry = measurement of depth) maps. One of these gaps we want to close today and tomorrow. Florian has planned several north-south courses, which include a total of 320 nautical miles. At eight knots we’ll need almost 40 hours for these tracks. During this time, the multibeam echosounder of the SONNE permanently scans the seabed 4000 meters below us. From the time the sound signals needs to reach the ground and back, maps can be calculated. These will have a resolution of approximately 75 meters. If you need even more precise maps, you have to use equipment that can dive to the seabed, for example, the AUV Abyss.

Luckily, I can make it short with this topic. Our colleague Meike Klischies started her own blog about “mapping the oceanfloor” last November. Just have a look for there. Meike is currently working on the US-American research vessel KILO MOANA in the central Pacific and she is looking forward to your questions and comments.

This is a good opportunity for me to write about our current home, the RV SONNE. In short, the basic data: She is 116 meters long, 21 meters wide. Her crew consists of 31 men and women, additionally it can accommodate up to 40 scientists. As such (or as a science communicator accompanying the scientists), you experience the ship mainly from the main deck level upwards. Here are the majority of laboratories, the data center, the open work area on the starboard side and at the stern (the working deck). In the front part of the main deck there are also scientist’s chambers, including mine. In the upper decks you can find the mess, more scientist and crew accommodation, the bridge, the monkey island the observation room (see also the post by Florian, posted on 2. Dec).

Yesterday, however, I together with some other scientists had the chance to have a look into the otherwise restricted areas in the lower decks. Achim, the Chief here on board, led us through the engine and operation rooms. There are four diesel generators with a total output of 6100 kW. The electricity they produce, among other things, operates the electric propulsion engines. Overall, the ship has two fixed propellers, two 360°-rotatable thrusters and a pump jet. But the diesel generators also supply all other consumers on board – from the small lamp above my bunk to the cooling of the climate lab, to the engines of the great winches.

The SONNE is not only equipped with the most modern scientific infrastructure, it is also a very safe ship. Virtually all engines are at least doubled and they are distributed in different fire areas and watertight compartments. If in a case of emergency where an entire department would burn out or fill with water, the ship would still be able to proceed safely to the next port. Of course, we do not want to experience this.

In addition, the SONNE is certified with the German eco-label “Der Blaue Engel” (the blue angel). Therefore many criteria had to be observed during construction and still have to be observed during operation, as the Chief told us on the tour. The ship has an environment-friendly underwater paint, an emission cleaning systems, waste separation and waste water treatment plant.

The extensive technical equipment results, however, in the fact that the ships engine rooms are narrow like in a submarine. Every room, every corner is crammed with equipment, machinery, pipelines and cables. In addition, it is of course hot and noisy. Certainly for the most of us it would be no pleasure to work here. I’m sure even the ship’s technicians are glad that they can carry out most operations from the central control center – in theory at least. As the SONNE is quite new and an extremely complex system, the engineers still have much to do in the engine rooms in order to eliminate all possible minor and major mechanical issues.

Anyhow, we are impressed by the technical complexity, which allows us to explore the earth where it is still almost unknown – on the high seas.

Best regards from the entire GeoSEA-team

Jan