Navigators Wochenbericht: POLARSTERN – noch Fragen?

POLARSTERN im Trockendock. Foto: Jan Steffen POLARSTERN im Trockendock. Foto: Jan Steffen

Große Ereignisse in der Meeresforschung werfen ihre Schatten voraus und halten uns derzeit in Atem. Doch bevor wir mehr als nur das Stichwort „SONNE“ nennen, sollten Details der geplanten Veranstaltungen wirklich festgezurrt sein. Deshalb muss ich um Geduld bitten. Wir melden uns rechtzeitig in den kommenden Wochen. Das gibt mir Gelegenheit in diesem Wochenbericht über zwei sehr persönliche Highlights der Woche zu schreiben. Und einen Aufruf an unsere Leser zu starten.

Worum geht es? Gestern habe ich zusammen mit meinen Kollegen Maike und Martin das Treffen der Online-Redakteure der Helmholtz-Gemeinschaft besucht. Die Treffen finden reihum in den einzelnen Zentren statt. In diesem Herbst war das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven an der Reihe. Das AWI an sich kannte ich schon, nicht jedoch dessen berühmtestes Forschungsschiff, die POLARSTERN. Da sie aktuell in der Lloyd-Werft in Bremerhaven auf die nächste Reise in die Antarktis vorbereitet wird, hatten wir die seltene Gelegenheit, einen Blick in das Innere dieser schwimmenden Versorgungs- und Forschungsstation zu werfen. Doch dazu später… (weiterlesen lohnt sich also 🙂 )

Zunächst ging es ja um Online-Wissenschaftskommunikation. Das AWI hatte zu unserem Treffen einen sehr interessanten Gast eingeladen. Lars Fischer, Wissenschaftsjournalist, Blogger und einigen vielleicht besser bekannt als @fischblog, erläuterte die Vorteile des Bloggens für Wissenschaftler und Wissenschaftseinrichtungen. Ein Blog, so Lars Fischer, biete Wissenschaftlern die Möglichkeit, ihre Sicht der Dinge unabhängig von zwischengeschalteten Medien zu präsentieren. Da Blogs persönlicher und informeller als Pressemitteilungen seien, hätten sie eine größere Glaubwürdigkeit als offizielle, vom Arbeitgeber abgesegnete Stellungnahmen.  Und vor allem im englischsprachigen Raum sei es mittlerweile gute Sitte, dass Forscher gegenseitig ihre Blogs läsen, um miteinander zu diskutieren und sich Anregungen zu holen.

Alles Punkte, die uns vor gut einem Jahr auch bewogen haben, Oceanblogs.org ins Leben zu rufen und den Forscherinnen und Forschern der Kieler Meereswissenschaften zur Verfügung zu stellen. Zugegeben: Wir, die Autoren des „Ocean Navigator“-Blogs sind keine Wissenschaftler, sondern Wissenschaftskommunikatoren. Trotzdem wollen auch wir  nicht hochoffiziell kommunizieren. Deshalb berichten wir hier von unseren persönlichen Höhepunkten der jeweiligen Woche – und stellen uns gern Fragen und Diskussionen. So wie mit unserer Frage-Antwort-Aktion zum Tag der Deutschen Einheit. Aber – und jetzt kommt mein Aufruf – wir freuen uns auch über Fragen, Anregungen und Kommentare zu allen anderen Posts! Ein Blog ermöglicht Kommunikation in beide Richtungen. Liebe Leserinnen und Leser: Wenn Ihr etwas wissen wollt, Euch andere Themen wünscht, oder Euch einfach fragt, was die komischen Typen da so treiben: Schreibt einen Kommentar. Und wenn Ihr Fragen an die Autorinnen und Autoren der vielen anderen Blogs habt: Macht es genauso! Die freuen sich! Das zu schreiben, war mir nach dem inspirierenden Vortrag von Lars Fischer gestern ein Anliegen  🙂

So, jetzt aber der versprochene zweite Höhepunkt: Der Besuch auf der POLARSTERN. Nach Vorträgen, Diskussionen und Fachgesprächen in den Räumen des AWI fuhren wir per Bus zur Lloyd-Werft. Kaum hatten wir den Schlagbaum zu Fuß passiert, fiel der Blick auf das Trockendoch und das Schiff darin. Schon beim ersten Anblick blieb die gesamt Gruppe – trotz typisch norddeutschen Nieselwetters – fasziniert am Kopfende des langen Docks stehen. Bilder der POLARSTERN hatten wohl alle Kolleginnen und Kollegen schon einmal gesehen. Aber sie leib- (oder besser rumpf-)haftig in voller Größe zu erleben, ist etwas anderes. Hinzu kam, dass im Trockendock das massive Unterwasserschiff sichtbar ist, das sonst unter der Wasseroberfläche oder einer Eisdecke verborgen bleibt. Kraft und Stabilität strahlte das größte deutsche Forschungsschiff auf den ersten Blick aus.

Fast noch beeindruckender war der Rundgang durch das Innere. Ich berichte zwar häufig über die Expeditionen unserer Kollegen mit den  großen deutschen Forschungsschiffen wie der METEOR oder der SONNE (oder sie berichten selbst hier auf Oceanblogs). Aber da die Schiffe nur sehr selten nach Deutschland kommen und die Wissenschaftler ihre Berichte von Bord per E-Mail schicken können, kenne ich die METEOR nur von einem Open Ship in Hamburg. Die SONNE (die alte) habe ich noch nie real gesehen. Besser vertraut bin ich mit den mittelgroßen Forschungsschiffen, die direkt am GEOMAR beheimatet sind, also der ALKOR und der POSEIDON. Aber selbst die POSEIDON, die immerhin ein Fahrtgebiet vom Nordatlantik bis ins Rote Meer hat, ist nur halb so lang wie die POLARSTERN, weniger als halb so breit und hat fast nur einen Drittel des Tiefgangs. Kurz, meine persönliche Erfahrung mit Forschungsschiffen beschränkt sich vor allem auf kleinere Klassen. Dagegen ist die POLARSTERN gewaltig!

Doch die Aufgaben der POLARSTERN sind auch ganz andere. Sie soll nicht nur unter extremen Eisbedingungen Forschung ermöglichen, sondern auch die deutschen Außenstationen in den Polargebieten mit allem Nötigen – vom Klopapier bis zur Nahrung und zum Treibstoff – versorgen. Dementsprechend besitzt die POLARSTERN Laderäume, die mehr an Fracht- als an Forschungsschiffe erinnern. Bis zu 50 Container finden an und unter Deck Platz, wie uns der 2. Wachoffizier während des Rundgangs erklärte. Da die POLARSTERN oft in sehr abgelegene Gebiete vordringt, in denen keine Hilfe von außen zu erwarten ist, sind alle lebenswichtigen Anlagen doppelt vorhanden. Es gibt eine Krankenstation, in der ein speziell ausgebildeter Schiffsarzt auch Operationen durchführen kann. Ein Narkosearzt kann von Deutschland aus assistieren – dafür sorgen entsprechende Telemedizinische Einrichtungen. Bis zu 100 Menschen sind während der Expeditionen an Bord. Notfalls könnten sie auch sechs Monate in der Arktis oder Antarktis überwintern, sollte sich die POLARSTERN einmal im Eis festfahren. Im Kern des Schiffes sind übereinander die Messen (oder Salons) angeordnet, die so weit von der Außenhülle entfernt sind, dass sie im Ernstfall mit minimalem Aufwand warm gehalten werden können. Im Alltag dienen sie jedoch als Aufenthaltsraum, gute Stube und Räumlichkeit für Festtage. Denn, ja, auch an Weihnachten ist die POLARSTERN im Einsatz. Und das ist wohl der einzige Tag auf See, an dem die eingeschifften Wissenschaftler ihre Forschungstätigkeiten für ein paar Stunden unterbrechen. Das gilt übrigens auch für alle anderen Forschungsschiffe, egal ob sie am Äquator oder jenseits der Polarkreise unterwegs sind.

Schon von außen beeindruckt die Größe der POLARSTERN. Foto: Jan Steffen

Schon von außen beeindruckt die Größe der POLARSTERN. Foto: Jan Steffen

 

Auf der POLARSTERn wird oft mit schwerem Gerät gearbeitet. Foto: Jan Steffen

Auf der POLARSTERn wird oft mit schwerem Gerät gearbeitet. Foto: Jan Steffen

 

Wetterwarte des DWD auf der POLARSTERN. Es gibt auch eine eigene Post. Foto: Jan Steffen

Wetterwarte des DWD auf der POLARSTERN. Es gibt auch eine eigene Post. Foto: Jan Steffen

 

Für alle Notfälle ausgestattet: Das POLARSTERN-Bordlazarett. Foto: Jan Steffen

Für alle Notfälle ausgestattet: Das POLARSTERN-Bordlazarett. Foto: Jan Steffen

 

Typisch für das Leben an Bord: Mahlzeiten regeln den Tagesablauf. Das ist sogar in der Werft noch zu erkennen. Foto: Jan Steffen

Typisch für das Leben an Bord: Mahlzeiten regeln den Tagesablauf. Das ist sogar in der Werft noch zu erkennen. Foto: Jan Steffen

Nach über einer Stunde Rundgang, etlichen Anekdoten über Arbeiten bei -50°C, Neun-Meter-Wellen und traumhaften Sonnenaufgängen über blau schimmernden Eisbergen hatten wir immer noch nicht alle interessanten Bereiche des Schiffs gesehen. Doch leider drängte die Zeit. Und einige, die wie ich gestern schon wieder aus Bremerhaven abgereist sind, mussten zum Zug. Mit großem Bedauern dankten wir dem IIWO und verließen die POLARSTERN wieder. Ein faszinierendes Schiff für ein extremes Forschungsgebiet. Wer mehr Infos über das Schiff (das übrigens wie ich aus Rendsburg stammt) haben möchte, kann sich auf den Seiten des AWI umsehen.

Kurzer Nachtrag: Als ich heute Morgen leicht übermüdet (die Rückfahrt nach Kiel dauerte gestern Abend länger als geplant) wieder aufs Gelände des Kieler Seefischmarktes rollte, fiel mein Blick als erstes auf unsere gute alte POSEIDON. Sie liegt derzeit am GEOMAR, soll noch zwei Kurzfahrten absolvieren, bevor sie den Winter über in die Werft geht. Später legte – Bug an Bug mit der POSEIDON– auch noch die ALKOR vor unseren Büros an. Und da wusste ich wieder, dass ich den richtigen Job habe. Denn Forschungsschiffe – egal ob groß oder klein –  und die Arbeit, die auf ihnen verrichtet wird, sind faszinierend. Wer Fragen dazu hat, möge Sie uns bitte stellen 🙂

Mit besten Grüßen,

Jan Steffen

FS ALKOR und FS POSEIDON am GEOMAR in Kiel. Foto: Jan Steffen

FS ALKOR und FS POSEIDON am GEOMAR in Kiel. Foto: Jan Steffen