AL499 – Von Gdynia nach Finnland

Nur wenige Menschen ohne wissenschaftlichen Hintergrund bekommen die Gelegenheit eine Expedition auf einem Forschungsschiff zu begleiten. Während meines Praktikums am GEOMAR hatte ich nun unerwartet das Glück, an einer Forschungsfahrt teilnehmen zu können. Am 14.08. verließ die ALKOR ihren Heimathafen Kiel und brach mit 8 Studierenden des Master Programms „Biologische Ozeanographie“ des GEOMAR zu einer zweiwöchigen Lehrfahrt durch die Ostsee auf.

Während der Fahrt nehmen die Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler an festgelegten Stationen Wasserproben, fischen Quallen, Fischlarven, Bakterien und Plankton und analysieren die Ergebnisse direkt an Bord. Die eingeschleppte Rippenqualle haben sie bis jetzt glücklicherweise nur an einer Station gefunden, dafür unerwartet viele Dorschlarven. Damit lernen sie auf der ALKOR die Grundhandgriffe für die Forschung auf See und tragen Daten für eine Langzeiterhebung zusammen, die bereits seit 1986 regelmäßig durchgeführt wird.

Aurelia aurita an Deck der ALKOR. Foto: Sirin Schulz/GEOMAR

Nach mehreren Tagen an über 60 Stationen um die Insel Bornholm, an denen sie über 200 Proben konserviert und analysiert haben, liefen sie am 19.08. nach der Hälfte der Fahrt gut gelaunt in den Hafen von Gdynia ein. Da einer der Mitfahrer die ALKOR in Gydnia verlassen hat, wurde eine Kabine auf dem Schiff frei. So bin ich am 20.08. nachmittags in Gdynia an Bord der ALKOR gegangen, gestern Abend auf See eingeschlafen und heute Morgen vor Lettland aufgewacht.

Die ALKOR läft aus dem Hafen von Gdynia aus. Foto: Sirin Schulz/GEOMAR

Heute war für mich also der erste richtige Tag auf einem Forschungsschiff und beim Aufstehen aus meiner kleinen Koje, wusste ich nicht was mich erwartet. Deshalb habe ich die Studierenden bei Ihrer Arbeit begleitet und verfolgt, wie sie hier im Gotland Becken eine CTD-Rosette  aussetzen, mit der die Leitfähigkeit (Conductivity), die Temperatur (Temperature) und die Tiefe (Density)  der jeweiligen Wasserschicht bestimmt werden kann.  Außerdem habe ich zugesehen wie  sie mit einem Multinetz Quallen und ihr Futter aus unterschiedlichen Wassertiefen sammeln.

Ich möchte genauer wissen, was die Studierenden an den Quallen erforschen. Im Nasslabor auf dem Schiff treffe ich Rebecca Piontek, eine der Studentinnen am GEOMAR, die an einem metallenen Tisch steht. Sie trägt gelbe Gummistiefel, blaue Plastikhandschuhe und eine weite, wasserfeste Hose, um möglichst trocken zu bleiben. Vor ihr steht eine quadratische Glasschale, in der kleine Quallen schwimmen. Die Tiere kommen aus den verschiedenen Netzten des Multinetzes, das vor wenigen Minuten aus dem Wasser geholt wurde. Nun nimmt sie die einzelnen Quallen vorsichtig aus der Schale, um sie zu messen und zu wiegen. Besonders gut erhaltene Exemplare füllt sie für spätere DNA-Analysen und die Bestimmung ihrer bakteriellen Fauna in kleine Plastikröhrchen. An der Arbeit mit Quallen findet sie besonders faszinierend, dass die gallertartigen Tiere trotz ihres primitiven Bauplans bereits seit 550 Millionen Jahren auf der Erde leben. „Ich möchte herausfinden, welche Merkmale die Quallen so überlebensfähig und robust machen“, sagt Rebecca während sie eine weitere Qualle aus einem roten Eimer nimmt, um sie zu vermessen.

Ich finde es beeindruckend wie ausdauernd und engagiert Rebecca und die anderen Studierenden auch nach einer Woche auf See an den Forschungsergebnissen arbeiten. Selbst die Nachtschicht, die heute ansteht, bringt niemanden aus der Ruhe. Gegen Morgen wird die ALKOR dann weiter Richtung Norden entlang der Küste Lettlands und Estlands bis hoch nach Finnland fahren. Da von Westen ein Sturm aufzieht, müssen wir zwei geplante Stationen voraussichtlich auslassen. Auf die Frage, ob Rebecca eine Nachtschicht bei Sturm nicht abschreckt antwortet sie:  „Dann kann ich für mich testen, ob ich bei der Forschung auf See in allen Situationen und Wetterlagen voll einsatzfähig bin“, und fügt lachend hinzu: „Ich habe mir den Sturm sogar ein bisschen gewünscht.“

Sirin Schulz