Rätselhaftes Leuchten in der Ostsee

Dinoflagellaten der Art Ceratium fusus aus einem Netzfang in der Kieler Inneförde. Foto: A. Stuhr, GEOMAR Dinoflagellaten der Art Ceratium fusus aus einem Netzfang in der Kieler Inneförde. Foto: A. Stuhr, GEOMAR

Was für ein Sommer. Zwar etwas spät im Jahr, aber egal. Die vergangenen Tage waren so heiß, dass es viele Menschen ans, ins oder aufs Wasser zog. Die Kieler Förde war voll mit Segel- und Motorbooten, Ruderbooten, Kajaks, Surfbrettern, Kite-Surfern und so weiter. Dass dann auch noch ein Delfin Badende und Boote in der Förde besuchte (oder umgekehrt?), war zusätzlich eine Riesenattraktion. Doch darauf möchte ich hier nicht weiter eingehen – zum Thema Delfin habe ich schon etwas geschrieben. Es gab aber auch Wassersportler, die ein anderes Phänomen erlebten. Diejenigen, die lang genug draußen blieben, konnten in den Abend- oder Nachtsstunden seltsame Lichterscheinungen im Wasser wahrnehmen. Sie traten besonders dann auf, wenn sich Schwimmer oder Paddel, Ruderblätter oder auch Propeller im Wasser bewegten. Meeresleuchten in der Ostsee. Einige Beobachter hatten das offenbar so noch nicht erlebt, denn sie fragten im Laufe der Woche bei uns nach den Ursachen. Zu diesem Thema haben wir tatsächlich mehr Kompetenz im Haus als zu Delfinen und so antwortete die Biologin Annegret Stuhr prompt:

Die Hauptverantwortlichen für das momentane starke Meeresleuchten sind möglicherweise Einzeller aus der Gruppe der Dinoflagellaten. In der Kieler Innenförde kommt die Art Ceratium fusus infrage. Wir haben sie in großer Zahl vor der Institutspier nachweisen können. Die spindelförmigen Zellen sind rund 300 μm lang. Bei chemischer oder auch mechanischer Reizung fangen sie an zu leuchten. In der Fachsprache nennen wir das Biolumineszenz. Es gibt in der Ostsee aber auch andere Arten, die Meeresleuchten hervorrufen, darunter andere Dinoflagellaten, aber auch einige Rippenquallenarten können leuchten.
 

Professorin Stefanie Ismar ergänzt:

Typische biolumineszierende Dinoflagellaten sind Noctiluca scintillans. Sie sind für Einzeller mit 200 – 2000 μm relativ groß, kommen  weltweit vor und sind global Hauptverursacher von Meeresleuchten. Sie sind auch an dem aktuellen Leuchten in der Ostsee beteiligt. Außerdem gibt es in der Ostsee weitere Arten, die Meeresleuchten hervorrufen können, z.B. andere Dinoflagellaten wie einige Protoperidinium spp.

In der Ostsee tritt Meeresleuchten auch regelmäßig auf, meist aber im Rahmen der Plankton-Herbstblüte, die hier in der Ostsee typischerweise von Dinoflagellaten dominiert wird. Dieses Jahr liegt das Meeresleuchten saisonal früh und ist bemerkenswert kräftig. Das letzte hiesige Leuchten, das ich bewusst in der Förde mitbekommen habe, war vor zwei Jahren im November. Noctiluca findet sich hin und wieder quantitativ auch in unserem Frühjahrsplankton, ist dann aber meist nicht dominant.

Vielleicht sind auch noch mehr Arten beteiligt, das müsste man mit weiteren Untersuchungen klären.

Alles klar? Meeresleuchten ist kein Phänomen, das nur Anwohner oder Besucher tropischer Meere genießen dürfen. Auch die Ostsee leuchtet hin und wieder – nur eben nicht immer so früh im Jahr und nicht immer so kräftig. Und: Die Ursache ist wie so oft in der Natur nicht einfach festzustellen. Es  kommen mehrere Verursacher in Betracht. Wenn wir in dieser Beziehung noch weitere Details erfahren, geben wir sie hier natürlich bekannt. Bis dahin: Ab ans Wasser und genießen – so lange der Sommer noch anhält.

Jan Steffen

 

Dinoflagellaten der Art Ceratium fusus aus einem Netzfang in der Kieler Inneförde. Foto: A. Stuhr, GEOMAR

Weitere Dinoflagellaten der Art Ceratium fusus aus einem Netzfang in der Kieler Inneförde. Foto: A. Stuhr, GEOMAR

 

Ergänzt am 21.9.: An Wochenende konnte das Meeresleuchten noch beobachtet werden. Hier einige Bilder von weiteren beteiligten Organismen:

Noctiluca,  unten links im Eck auch ein Ceratium fusus.

Noctiluca, unten links im Eck auch ein Ceratium fusus.

Eine Rippenquallen-Larve; die Rippenquallen bilden im Moment eine Blüte, und manche der ausgewachsenen Rippenquallen leuchten sehr deutlich.

Eine Rippenquallen-Larve; die Rippenquallen bilden im Moment eine Blüte, und manche der ausgewachsenen Rippenquallen leuchten sehr deutlich.

Ein Protoperidinium, seitlich liegend und ein Ceratium fusus.

Ein Protoperidinium, seitlich liegend und ein Ceratium fusus unten rechts.

 

 

One thought on “Rätselhaftes Leuchten in der Ostsee

  1. Eine Ergänzung: Ich habe gestern in einem weiteren Netzfang an der Institutspier Rippenquallen gesehen, die sehr stark leuchten. Sie können einige Zentimeter groß sein. Die im blog erwähnte Art Ceratium fusus ist zur Zeit die dominante Art Kieler Förde-Phytoplankton. Diese Art leuchtet allerdings wahrscheinlich nur mit geringer Intensität. Das deutlich sichtbare helle Aufblitzen und Leuchten stammt mit Sicherheit von größeren Organismen. Dazu gehören die Rippenquallen. Möglicherweise finden wir auch noch weitere Verantwortliche für dieses Naturschauspiel.

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