“Da mag viel Aberglaube dazwischen sein. Aber es ist so.”

Schimmelreiter-Lesung Knelangen (Foto: Bendix Hügelmann, Future Ocean)

Mit diesem Zitat von Theodor Storm schloss Politologe Dr. Wilhelm Knelangen seine Lesung aus dem Schimmelreiter im Kieler Audimax. “Das Meer als Kulturraum”, so der Titel der gestrigen Auflage der Ringvorlesung “Ozean im Wandel – Herausforderungen für die Zukunft”. Doch von Anfang an:

Anders als sonst üblich, kamen die Geistes- und Kulturwissenschaften zu Wort, um hinsichtlich der Perspektive eines nachhaltigen Umgangs mit marinen Ressourcen Ideen und Denkanstöße zu formulieren. Unter Leitung von Frau Dr. Ulrike Kronfeld-Goharani wurde den ca. 80 Zuhörern ein schlaglichtartiger Blick auf die Zukunft des Ozeans abseits naturwissenschaftlicher Fragestellungen ermöglicht.

Der Schimmelreiter

Den literarischen Aufschlag lieferte wie eingangs zitiert Dr. Wilhelm Knelangen: Bei gedimmten Licht erklomm Knelangen das Podium um vor der Projektion eines vor Sturm kochenden Meeres aus Theodor Storms “Schimmelreiter” zu lesen. Knelangens Vortrag entführte das Plenum in jene schicksalshafte Nacht, in der Deichgraf Hauke Haien sich den schier übermenschlichen Kräften der im sturm tobenden Nordsee entgegen stellt. Theodor Storms klare und gleichermaßen bildhafte und realistische Lyrik führte die kulturelle Verbindung von Mensch und Ozean eindrucksvoll vor Augen. Als das Licht im Audimax wieder heller wurde schloss Knelangen seinen Vortrag mit dem Verweis, den Schimmelreiter dringend öfter zu lesen. Allen Neugierigen sei von daher mit nachfolgendem Link geholfen.

Das Meer als kulturelle Wiege

Moderatorin Kronfeld-Goharani übernahm das Wort und leitet über einen Exkurs zum kulturellen Wert der Ostsee den Vortrag des nächsten Redners ein. “Die Ostsee”, so Kronfeld-Goharani, sei das verbindende Glied zwischen den seefahrenden Nationen der Ostsee-Anrainer gewesen. Liegen wie die Hanse, welche den kulturellen Reichtum der ganzen Region entscheiden mitgestaltet hätten, wären ohne die Anbindung an das Meer nicht möglich gewesen.

Prof. Dr. Zerbst von der Muthesius Kunsthochschule nahm diese Einleitung dankend auf und führte das Plenum in einen 15-minütige, epochenübergreifende Tour de Force durch die kunsthistorische Auseinandersetzung mit dem Meer als Ursprung allen seins. Es sei zudem die grundlegende Frage zu beantworten, so Zerbst, ob und wie sich Fragestellungen der Kulturgeschichte in einen Zusammenhang mit Fragen aus der Naturwissenschaft setzen ließen.

Thalassa! Thalassa!

Von der Antike über Heinrich Heine bis hin zu Caspar David Friedrich und Ernest Hemingway beschrieb Zerbst den vielseitigen Reichtum kultureller Güter welcher direkt oder indirekt dem intrinsischen Wert der Ozeane entsprungen sei. Als Ursache hierfür verwies Zerbst auf Immanuel Kants III. Kritik, die in Unterscheidung zwischen mathematisch und dynamisch Erhabenem dem menschlichen Willen eine sublime Abhängigkeit vom Willenlosen unterstellt. Das Meer aber, so schlussfolgerte Zerbst, könne sowohl dem mathematischen, als auch dem dynamisch erhabenen zugeordnet werden . Aus dieser Hybris erwüchse die immer währende Faszination, welche den Menschen angesichts des Ozeans ereile.

Fischerei 2.0

Im Anschluss an Prof. Zerbst präsentierten Helge Haacke und Christian Galonska von der AG GeoMedien/CAU Kiel ihr Filmprojekt über den Kieler Seefischmarkt am Kieler Ostufer. Seit dessen Schließung im Jahr 2000 von Vergessenheit bedroht , demonstrierte der Film den Aufstieg und Niedergang der  Kieler Fischereiwirtschaft an Hand historischer Bilder und fundierter Narration. Eine der Kernaussagen des Films war in der Herausarbeitung der Gründe für den Zusammenbruch der Fischerei zu sehen: So hätte auch in Kiel rücksichtslose Überfischung der Bestände der Ostsee zum Niedergang der regionalen Fischerei geführt. Die sich diesbezüglich aufdrängende Frage nach dem Verbleib der örtlichen Fischereiwirtschaft beantworteten Haacke und Galonska mit einem Verweis auf die Internetseite www.fischerleben-sh.de, wo lokale Fischer per Smartphone und App den direkten Vertrieb fangfrisch vom Kutter zentral organisieren können. Ein zeitgemäßer Ansatz zur Unterstützung regionaler Wirtschaftszweige im Geiste der Nachhaltigkeit. Nachlesen lohnt sich.

Schönheit durch Algenkur?

Einen ähnlichen Ansatz präsentierte die Biologin Frau Dr. Inez Linke. Als geschäftsführende Gesellschafterin von OceanBasis für Entwicklung und Marketing im Bereich “Ocean Cosmetics” tätig, präsentierte Frau Linke Kosmetikprodukte die aus gezüchteten Algen gewonnen werden. Durch die Kultivierung von Zuckertank in der Kieler Bucht könnten über 100 Nährstoffe gewonnen werden, um in Kosmetik und Heilkunde Anwendung zu finden. Dazu würde aus den ein mal jährlich geernteten Algen ein Extrakt per Fermentationsverfahren gewonnen, bevor die Nährstoffe in entsprechenden Endprodukten weiter verarbeitet würden.

Wie in jeder Woche endete der Abend bei Gebäck und Rotwein / Bier im Foyer des Audimax. Weitere Informationen zur Ringvorlesung finden Sie hier.