Die Zukunft des Ozeans – Chancen für die nachhaltige Entwicklung der Menschheit

Image: Barbara Neumann

Nachhaltiges Leben an und mit der Küste. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Wissenschafftzukunft“ hatte das Kieler Rathaus seine Pforten geöffnet, um interessierten Kielerinnen und Kielern die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit dem Thema maritimer Nachhaltigkeit zu ermöglichen.

Als Redner konnte mit Prof. Dr. Martin Visbeck einer der führenden Wissenschaftler auf dem Gebiet der Physikalischen Ozeanographie und der Nachhaltigkeitsforschung gewonnen werden. Visbeck, selbst Alumni der CAU, hat unter anderem am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge und an der Columbia University in New York gelehrt, bevor er 2004 einem Ruf zurück nach Kiel folgte. Seitdem in führender Position sowohl am Geomar Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung Kiel als auch am Exzellenzcluster „Future Ocean“ tätig, bot Visbeck den ungefähr 90 Zuhörern einen Umfangreichen Einblick in die Zukunft des Ozeans.

Es wird eng.

Mit einem kometenhaften Anstieg der Weltbevölkerung von 1,7 auf 8 Milliarden Menschen innerhalb von 350 Jahren zwischen 1700 und 2050, so Visbeck, dränge sich zunächst die Frage auf, was eigentlich passiert, wenn der Punkt erreicht ist, an dem die Erde den Bedürfnissen ihrer Bewohner nicht mehr gerecht werden kann. So befremdlich sich die Frage für manchen Zuhörer zunächst angehört haben mag; die Beantwortung der Frage „Haben wir genug Platz?“ trägt den geneigten Zuhörer unmittelbar ins Zentrum des wissenschaftlichen Diskurses nachhaltigen Lebens. So destillierte Visbeck an Hand eines kurzen Filmbeitrages der amerikanischen Ozeanographin Sylvia Earl das an die Rezipienten gerichtete Credo des Abends heraus: „We are running out of time.“ Es ist höchste Zeit, etwas zu tun.

Eine Erde. Ein Ozean. Eine Chance.

 Visbeck demonstrierte den anwesenden Zuhörern eindrucksvoll, wie groß der Handlungsbedarf hinsichtlich gesunder Weltmeere tatsächlich ist. Zwar bedürfe es bezüglich der Betrachtung und Bewertung von Klimaveränderungen eines langfristigen Blickwinkels, um das Gesamtbild erfassen zu können. Dass die Weltmeere, insbesondere im Hinblick auf Fischbestände, signifikant durch menschliche Einflüssen in Mitleidenschaft gezogen sein, daran bestünde jedoch auch dank Kieler Forschung kein Zweifel mehr.

Umso beachtlicher das Gefälle, welches sich zwischen Relevanz der Thematik und dem politischen Handlungswillen hinsichtlich nachhaltiger Nutzung mariner Ressourcen eröffne. Die überwältigende Mehrheit der Menschen lebe in Küstennahen Regionen bis zu 150 KM entfernt vom Ozean. Das Interesse an gesunden Meeren sollte folglich im Interesse eines jeden Einzelnen liegen. Dies sei – auch im Hinblick auf politische Entscheidungsprozesse – jedoch nicht oder nur sehr begrenz der Fall. Von den 72% der mit Wasserbedeckten Erdoberfläche seien nur 2% überhaupt geschützt. „20% wären schön, dafür müssten sich die Staaten aber erst mal einig werden, wie man so eine Maßnahme durchführen und vor allem kontrollieren könnte“, so Visbeck.

Fragwürdige Prioritäten

Doch um Ziele dieser Natur zu verwirklichen mangelt es vor allem an politischen Willen. Die vor kurzem veröffentliche, „Zukunftscharta“ getaufte Studie der Bundesregierung verweise zwar im Untertitel – „Den Ozean verstehen heißt die Zukunft gestalten“ – unmittelbar auf die Relevanz nachhaltiger Marinewirtschaft; innerhalb der 10.000 Wörter starken Schrift kämen die Wörter „Ozean“ und „Meer“ jedoch nur ein bzw. zwei mal vor, wie Visbeck ausführt. Ein Schelm wer dabei böses denkt.Um tatsächlich nachhaltigen Umgang mit den Ozeanen zu erreichen bedürfe es eines gemeinsam artikulierten Willens im Rahmen der Internationalen Gemeinschaft. Leider, wie Visbeck weiter ausführt, hätte es in der Vergangenheit wiederholt Bemühungen und Konferenzen gegeben, deren Beschlüsse bis Heute wirkungslos gewesen wären. Oder anders ausgedrückt: Veränderung zu fordern ist immer gut, da politisch preiswert. Veränderungen umsetzen hingegen nicht.

Politischer Wille durch politischen Druck

So unterstrich Martin Visbeck denn zum Ende seines Vortrages die Relevanz politischen Drucks, ausgeübt durch Wählerinnen und Wähler aus Landes- und Bundesebene. Ohne machterhaltenden Anreiz wäre es schwer, politischen Willen zu generieren. Ein großer Schritt sei im Hinblick auf die derzeit in Ausarbeitung befindlichen „Sustainable Development Goals“ (SDG) jedoch kürzlich erfolgt: Die Erwähnung der Ozeane als separate, schützenswerte Entität. „SDG-Ziel 14 ist das Produkt langer Verhandlungen auf der Basis intensiver Forschung“, wie Martin Visbeck die jüngsten Entwicklungen beschreibt.

Im Anschluss an den Vortrag hatten alle Anwesenden die Möglichkeit, Fragen zu stellen und sich weiter mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander zu setzen. Eine Lebhafte Diskussion folgte. „Das war eine gelungene Veranstaltung“, befand dann auch Martin Visbeck. „Ich freue mich sehr, dass die Kielerinnen und Kieler so zahlreich heute Abend erschienen sind, um sich mit diesem wichtigen Thema auseinander zu setzen.“

 

 

Besuchern der gestrigen Veranstaltung, sowie jedem, der sich gern intensiver mit Zustand und Zukunft des Ozeans auseinandersetzen möchte, sei die Lektüre des „World Ocean Reviews“ ans Herz gelegt. Unter nachfolgendem Link erhalten Sie alle weiteren Informationen.