Liebe auf den ersten Blick – Wissenschaft und Kunst 4-ever ❤️

Seit September 2020 bewege ich mich durch die wunderbare und wundersame Wissenschaftswelt der drei Ozeanforschungs-Projekte CUSCO, EVAR und REEBUS. Es sind vor allem die Ozeanwissenschaftler*innen, die mich immer wieder vor neue Rätsel stellen, mich mit einem Fragezeichen auf der Stirn zurücklassen und mir neue Welten eröffnen. Zu Beginn war mein Kopf voller Vorstellungen, wie Wissenschaftler*innen sind und handeln. Nun muss ich mich jede Woche aufs Neue der Erkenntnis stellen, dass ich nur weiß, dass ich nichts weiß. Dieses Mal beim überraschenden Wechselspiel zwischen Wissenschaft und Kunst. Eine kleine Suche nach einem unerwarteten Zusammenhang.

Kunst und Wissenschaft scheinen so verschieden – fast möchte man meinen, es seien Gegensätze. Umso erstaunter war ich, als mir auffiel, dass diverse meiner ozeanographischen Wissenschaftskolleg*innen gerne, und vor allem gut, malen, zeichnen und fotografieren. Bei einem tieferen Blick in die Geschichte, ist das aber gar nicht so ungewöhnlich.

Leonardo da Vinci ist sicherlich ein Begriff. Seine Zeichnung „Der Vitruvianische Mensch“ ist ein bekanntes Beispiel für die künstlerische Darstellung von Körperbau und -proportionen. Oder die Sphärenmusik Johannes Keplers, Physiker und kaiserlicher Hofmathematiker der Habsburger, der jedem Planeten eine relative Umlaufgeschwindigkeit und anhand dieser einen eigenen Ton zuordnete. Und selbst Goethe war untrennbar in seiner Literatur mit den Naturwissenschaften verbunden. So notierte er während seiner Italienreise viele Gedanken über Geologie, Anatomie oder Mineralogie und veröffentlichte 1810 seine „Farbenlehre“, ein Werk von mehr als tausend Seiten.

Kunst und Wissenschaft – Wissenschaft und Kunst. Zwei Liebespartnerinnen anscheinend, mit sehr unterschiedlichen äußerlichen Merkmalen. Wo die Wissenschaft sich beständig zu spezialisieren und zuzuspitzen scheint, will die Kunst eröffnen, entfalten, befreien. Da, wo die Wissenschaft Präzision verlangt, benötigt Kunst das Brechen mit dem Starren und Festgelegten. Kunst ist Öl – bleibt an einem haften, wenn sie berührt; Wissenschaft ist Wasser – auf Klarheit ausgelegt und im beständigen Fluss. Es ist ein Widerspruch, dass diese zwei sich verbinden. Und doch scheinen sie nicht voneinander loszukommen. Immer wieder begegnen mir Wissenschaftler*innen, die auch Künstler*innen sind.

Es ist erst als ich mit zwei Ozeanwissenschaftler*innen aus Projekt CUSCO über ihre Malerei spreche, dass ich verstehe: Ich habe mich geirrt. Und zwar ganz grundlegend. Ich habe Wissenschaft gesehen und ihr die Entfaltung abgesprochen. Ich habe Kunst gesehen und ihr die absolute Freiheit, den Regelbruch angehängt.

Tatsächlich ist es aber doch so: Es gibt gar keine großen Unterschiede zwischen beiden, außer vielleicht der Campus, auf dem sie gelehrt werden. Da wo sich Wissenschaft zuspitzt und präzise sein muss, gilt das für die Kunst in vielen Bereichen auch. Bei Perspektiven, bei Methoden, bei bestimmten Effekten. In der Musik, wenn kein Misston entstehen soll. Und da, wo die Kunst mit Altbewährtem und mit Regeln bricht, tut das die Wissenschaft, die beständig hinterfragt, Altes verwirft und neu erforscht, doch erst recht. Meine Abhandlung dazu, wie unerwartet rebellisch Wissenschaftler*innen sein können, und wie gerade das sie zu exzellenten Forschenden macht, beleuchtet ebendiese Eigenschaft von Wissenschaft.

Wissenschaft und Kunst sind seit jeher untrennbar miteinander verbunden, bereits seit der Antike. Und sie sind es bis heute. Der Architekt berechnet und zeichnet, was gebaut wird. Der Biologe zeichnet und malt, was er sieht oder begreift. Noten, die gemeinsam harmonisch klingen, gehorchen mathematischen Regeln. Es ist nur nachvollziehbar, ja sogar logisch, dass Kunst und Wissenschaft ihr kleines Stelldichein spielen und sich gegenseitig inspirieren.

Ich frage die zwei Ozeanforscher*innen, wie Kunst und Wissenschaft ihrer Meinung nach zusammenhängen. Beide sehen das ähnlich: Kunst zieht ihre Inspiration oft aus der Umwelt, und damit aus der Forschung dazu. Und die ständige Horizonterweiterung durch wechselnde künstlerische Methoden und Ansätze, schlägt sich in einem offenen Mindset im wissenschaftlichen Alltag nieder. Ob in der Wissenschaft oder in der Kunst: Wenn der Fokus und der Zwang, korrekt zu arbeiten, zu stark werden, treten beide einen Schritt zurück und lassen sich wieder Raum. Loslassen – Entfaltung und Freiheit braucht es in beiden Feldern.

Als Ausgleich für den wissenschaftlichen Beruf wollen sie ihre Kunst nicht bezeichnen. Für sie ist beides eine Berufung.

Das Gespräch mit den Ozean-Wissenschaftler*innen und Künstler*innen Nico und Alba, ihre erhellenden und inspirierenden Ansichten zu dem untrennbaren Liebespärchen Kunst und Wissenschaft sowie mehr von ihrer Malerei im nächsten Blogbeitrag. Sie sind außerdem auf Instagram zu finden:

Alba Filella López de Lamadrid – www.instagram.com/albsfll

Nicolás Smith-Sánchez – www.instagram.com/nicsmithsan


Autorin: Ann Kristin Montano

Ehemalige Wissenschaftlerin, die lange genug in anderen Bereichen gearbeitet hat, um Klischees über Wissenschaftler*innen aufzubauen. Arbeitet jetzt gern unter Wissenschaftler*innen, um die Klischees wieder abzubauen. Mag Kunst selbst ungemein und fühlt sich von dieser kleinen unerwarteten Liebesgeschichte daher sehr berührt.

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