WissKomm – WasKomm?

Seit September 2020 baue ich für die drei Projekte der Ozeanforschung REEBUS, CUSCO und EVAR die Wissenschaftskommunikation auf, unter anderem bei Instagram, Twitter und Facebook. Dabei ist mir aufgefallen, dass Wissenschaftskommunikation nicht nur ein breites Feld ist, sondern anscheinend auch eins, von dem sich viele Wissenschaftler*innen scheuen, es zu betreten. Der Grund dafür ist, neben ernsthaftem Zeitmangel, oftmals die Befürchtung etwas falsch zu machen. Aber geht das überhaupt? Und was ist der Auftrag von Wissenschaftskommunikation?

Es ist eine Eigenart der Wissenschaftskommunikation, immer auf einem schmalen Grat zu wandeln. Die WissKomm, wie sie gern genannt wird, soll authentisch und nahbar kommunizieren, was in der Forschung „gerade so los ist“. Aber sie muss präzise bleiben. Die größte Angst im Wissenschaftsbereich – das über den Köpfen baumelnde Damoklesschwert – ist, falsch repräsentiert zu werden und an wissenschaftlicher Glaubwürdigkeit zu verlieren.

Und gleichzeitig ist sie unerlässlich, die WissKomm. Forschung ist inzwischen nicht mehr ausschließlich Universitäten vorbehalten. Außeruniversitäre Einrichtungen, Forschungsinstitute, akademische Zentren, Gemeinschaften, sogar Ministerien, sind mit Wissenschaftler*innen besetzt. Es ist Teil dieser zeitgemäßen Forschungswelt, zu kommunizieren, auf welchem Stand von Aktualität und Fortschritt sie ist und was sie ausmacht. Die klischeehaften Wissenschaftler*innen, die sich im Labor und hinter dem Schreibtisch verschanzen oder nur in Formeln und Fachbegriffen sprechen, sind darunter sicherlich noch existent, aber als einige von vielen.

Das ist vor allem eine Stärke: Je vielfältiger Wissenschaft auftritt, je normaler und näher wir Wissenschaft erleben, desto eher wird der Elfenbeinturm Forschung für alle erschlossen. Erste Studien zeigen bereits, dass Forschende als vertrauenswürdiger erlebt werden, je persönlicher, authentischer und eingängiger sie kommunizieren. Aber hier kommt wieder die Gratwanderung ins Spiel. Persönlich kommunizieren, aber nicht zu viel von Persönlichem preisgeben. Eingängig kommunizieren und Menschen mitnehmen, die keinen direkten Bezug zum Forschungsfeld haben, aber dabei trotzdem korrekt bleiben, wenn es um die Inhalte geht. Sonst sind wir wieder beim Damoklesschwert und der Angst vor Missverständnis und Misskommunikation.

Hier jetzt die gute Nachricht: Dem kann man begegnen – mit verständlicher Sprache, klarer Botschaft und Präzision. Wenn die Wissenschaft hinter der Kommunikation gut ist, wenn sauber gearbeitet wurde und die Methodik stimmt, ist es vor allem wichtig, die Inhalte eingängig und in Alltagsworten zu beschreiben und zu zeigen. Es ist einfacher, etwas Falsches in einen komplizierten Graphen hineinzuinterpretieren, als in ein übersichtliches Info-Bild.

Zeit kostet das Aufarbeiten allerdings wirklich. Ein Punkt, der viel stärker bei den vorgegebenen Zeiteinheiten für wissenschaftliche Arbeit bedacht werden müsste. Dass es sich lohnt, besagte Zeit zu investieren, zeigt das Beispiel einer Kollegin, die neben ihrer guten Wissenschaft, aufgrund ihrer Sichtbarkeit und Vielfalt im Portfolio als Leitung für eine Junior-Forschungsruppe ausgewählt wurde.

Die Benefits von WissKomm sind nämlich hoch. Veröffentlichungen von Wissenschaftler*innen sind sichtbarer und werden besser verbreitet. Die Menschen in der Forschung selbst werden nahbarer, erreichen ein breites Publikum mit ihrem Fachbereich und gestalten den gesellschaftlichen Diskurs aktiv mit. Und – aus meiner Sicht fast am wichtigsten – vor allem erhalten Nicht-Wissenschaftler*innen Zugang zu aktuellerer und vielfältigerer Information.

Und was die wissenschaftliche Glaubwürdigkeit angeht: Es ist sinnvoll, sich bei der eigenen Öffentlichkeitsarbeit vorher zu überlegen, welche Inhalte man kommuniziert, oder wie, oder an wen. Aber: Auch Forschungskolleg*innen wissen inzwischen, dass es Kommunikationskanäle gibt, und dass diese allen Menschen frei zugänglich sind. Meine Frage an einen Professor der Ozeanografie, ob er bei seiner ganzen Öffentlichkeitsarbeit nicht befürchte, falsch zitiert oder missinterpretiert zu werden, zu Lasten seiner wissenschaftlichen Reputation, beantwortete er wie folgt: „Ach, meine Kolleg*innen können das einordnen. Die wissen ja auch, wie Medien funktionieren.“


Wie Medien für Wissenschaftler*innen funktionieren und was für Kanäle sie nutzen oder auch nicht, werden wir in der nächsten Blogfolge im Interview mit Ozeanwissenschaftlerin Mar Fernández-Méndez aus dem Projekt CUSCO erfahren. Sie ist erfolgreich in Sozialen Medien unterwegs und hat außerdem einen eigenen Podcast zu ihrem Forschungsfeld, der Sargassum-Alge (eine Gattung der Braunalgen), aufgesetzt.


Autorin: Ann Kristin Montano

Ehemalige Wissenschaftlerin, die lange genug in anderen Bereichen gearbeitet hat, um Klischees über Wissenschaftler*innen aufzubauen. Arbeitet jetzt gern unter Wissenschaftler*innen, um die Klischees wieder abzubauen. Ist in ihrer Freizeit gern “medienfrei” und möglichst analog. Fragt sich schon länger, ob ihr etwas mehr Sichtbarkeit auch gut täte.

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