#FjordExport – Eine Forschungsexpedition trotz(t) Corona

Fahrtleiterteam Klas Ove Möller (HZG) und Helena Hauss (GEOMAR) Foto: Saskia Rühl Fahrtleiterteam Klas Ove Möller (HZG) und Helena Hauss (GEOMAR) Foto: Saskia Rühl

“Nicht nur der wissenschaftliche Erfolg dieser Reise rechtfertigt den Aufwand, auch die ansteckende Begeisterung und die Kooperation sind nach vielen doch recht einsamen Monaten im Home Office eine große Motivation.”

Am 2. März 2021 verließ das Forschungsschiff Heincke Bremerhaven mit Ziel Norwegen. Vor dem Start einer Expedition liegen viele Monate Arbeit und Vorbereitung, damit alle notwendigen Geräte, alle Genehmigungen und alle Fahrtteilnehmer:innen mit an Bord kommen. Auf Grund der Corona-Pandemie mussten viele seegehende GEOMAR Forschungsfahrten abgesagt werden. Die Expedition HE570 bekam eine Freigabe und geht nun morgen zu Ende. Ich habe dem Fahrtleiterteam Helena Hauss (GEOMAR) und Klas Ove Möller (HZG) ein paar Fragen an Bord geschickt. Hier ihre Antworten.

English translation below

Was untersucht ihr bei eurer Expedition?

Wir untersuchen den Transport von Kohlenstoff in die Tiefsee, mit besonderem Augenmerk auf die Rolle von Zooplankton und Fischen. Als Modell oder natürliche „Mesokosmen“ dienen uns zwei Fjorde in Norwegen, die ein ganz unterschiedliches Nahrungsnetz aufweisen – im einen, dem Masfjord, leben Laternenfische und Leuchtsardinen. Im anderen, dem Lurefjord, hat deren Platz die Helmqualle Periphylla periphylla eingenommen. Gleichzeitig sind diese Fjorde ideal, um verschiedene Kamerasysteme, die am AWI, HZG und GEOMAR sowie am CNRS in Frankreich eingesetzt werden, miteinander zu vergleichen und die daraus gewonnenen Daten zu harmonisieren. Sie erlauben Tiefseeforschung unter sehr ruhigen Arbeitsbedingungen, was diesen technischen Aspekt unserer Fahrt erleichtert. Wir setzen kamerabasierte Beobachtungen ergänzt durch z.B. Sedimentfallen und Netzfänge sowie Hydroakustik ein und messen damit den Einfluss von Zooplankton auf die sogenannte biologische Kohlenstoffpumpe, also wie sinkende Partikel und Zooplankton miteinander interagieren.

Warum ist es wichtig, auch in dieser Zeit auf Expedition zu fahren?

Ein vollständiger Stillstand der seegehenden Forschung wäre für unsere beobachtungsbasierten Arbeiten und Projekte fatal. Besonders für die jungen, in Projekten beschäftigten Wissenschaftler sind diese Daten von enormer Bedeutung, da sie die Basis für ihre gerade begonnenen Doktorarbeiten darstellen. Für uns ist der wissenschaftliche Austausch an Bord und das gemeinsame Bearbeiten einer Fragestellung auch ein wichtiger Teil des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses. Unsere kürzlich gegründete Helmholtz-weite Arbeitsgruppe PIC (Pelagic Imaging Consortium) hatte sich bis dahin zwar auch hin und wieder zum Austausch getroffen und es gab schon Kollaborationen einzelner Mitglieder, jedoch war dies die erste gemeinsame Expedition fast der gesamten Gruppe.

Eine große CTD-Rosette wurde zur „Bio-Optical Platform“ ausgerüstet und dient als gemeinsamer Träger für alle Kamerasysteme. Foto: Laetitia Drago
Eine große CTD-Rosette wurde zur „Bio-Optical Platform“ ausgerüstet und dient als gemeinsamer Träger für alle Kamerasysteme. Foto: Laetitia Drago
Jan Taucher (GEOMAR) hat bei diesem Einsatz seiner selbst entwickelten PIScO (Plankton Imaging with Scanning Optics), für die es die erste Schiffsexpedition war, nicht nur Bilder ergattert. Foto: Christian Konrad
Jan Taucher (GEOMAR) hat bei diesem Einsatz seiner selbst entwickelten PIScO (Plankton Imaging with Scanning Optics), für die es die erste Schiffsexpedition war, nicht nur Bilder ergattert. Foto: Christian Konrad
Die Heincke im Masfjord beim Bergen einer Verankerung des WireWalker mit einer profilierenden CPICS-Kamera des HZG. Foto: Saskia Rühl
Die Heincke im Masfjord beim Bergen einer Verankerung des WireWalker mit einer profilierenden CPICS-Kamera des HZG. Foto: Saskia Rühl
Periphylla auf einem Video der geschleppten PELAGIOS-Kamera von Henk-Jan Hoving (GEOMAR). Foto: Helena Hauss
Periphylla auf einem Video der geschleppten PELAGIOS-Kamera von Henk-Jan Hoving (GEOMAR). Foto: Helena Hauss
Vanessa Stenvers beginnt gerade ihre Doktorarbeit am GEOMAR und untersucht den Einfluß von Sedimenteintrag auf Periphylla. Die Tiefseequallen sind äußerst lichtempfindlich, daher die Rotlicht-Kopflampe in der ansonsten dunklen Klimakammer. Foto: Helena Hauss
Vanessa Stenvers beginnt gerade ihre Doktorarbeit am GEOMAR und untersucht den Einfluß von Sedimenteintrag auf Periphylla. Die Tiefseequallen sind äußerst lichtempfindlich, daher die Rotlicht-Kopflampe in der ansonsten dunklen Klimakammer. Foto: Helena Hauss

Hat sich durch die erschwerten Bedingungen das Fahrtgebiet geändert?

Nein, wir hatten von Anfang an diese beiden Fjorde im Visier und die Fahrt auch von vornherein Bremerhaven-Bremerhaven geplant. Das hat uns nun natürlich die Durchführung unter Corona-Maßnahmen erleichtert. Um ehrlich zu sein, hat sich die Wahl des Lurefjords als doppeltes Glück herausgestellt: eine landbasierte Expedition mit dem Tauchboot JAGO im Rahmen des iAtlantic-Projekts zum Einfluss von Sedimentwolken durch Abbau von Tiefseemineralien auf pelagische (also im Freiwasser schwimmende) Organismen kann in diesem Jahr leider coronabedingt nicht stattfinden – aber wir konnten jetzt bereits hierzu Versuche mit Periphylla durchführen. Vanessa Stenvers, die ihre Doktorarbeit in diesem Projekt beginnt, konnte kurzfristig mitfahren. Übrigens auch hier nochmal ein Dankeschön an die Heincke-Crew, die kurz vor dem Einreichen unseres Antrags noch schnell ausgemessen hat, ob das Schiff mit allen Antennen wirklich unter der Brücke hindurch in den Lurefjord hineinpasst (bei Niedrigwasser so gerade eben  – mit weniger als einem Meter Platz).

Welchen Mehraufwand hattet ihr durch die besonderen Umstände einer Pandemie? Was bedeutet das für die Planung, die Vorbereitung des Equipments etc. ?

Es war ehrlich gesagt ein ziemlicher Wahnsinn. Durch die sich ständig ändernden coronabedingten Einschränkungen war die Teilnahme insbesondere unserer internationalen Fahrtteilnehmer (wir haben übrigens unter elf Wissenschaftlern sechs Nationalitäten an Bord!) bis zuletzt gefährdet. Eine Teilnehmerin konnte leider nicht mitkommen. Zudem war eine durchgehende Kommunikation zwischen Schiffskoordination, Reederei und den zuständigen Gesundheitsämtern notwendig, um auf die Sachlage zu reagieren und eine Durchführung zu gewährleisten. Auch das Packen war durch den beschränkten Zugang zu den Instituten besonders herausfordernd und erforderte auch einiges an hin- und herschicken von Geräten zur Vorbereitung. Hinzu kamen auch höhere als erwartete Logistikkosten, da die Fahrdienste der Institute durch das Dienstreiseverbot nicht zur Verfügung standen. Die Kosten für die notwendige Quarantäne im Hotel sowie die beiden PCR-Tests wurden dankenswerterweise von der AWI-Schiffskoordination übernommen.

Hat sich der Mehraufwand gelohnt?

Auf jeden Fall! Nicht nur der wissenschaftliche Erfolg dieser Reise rechtfertigt den Aufwand, auch die ansteckende Begeisterung und die Kooperation sind nach vielen doch recht einsamen Monaten im Home Office eine große Motivation.

Gab es bei eurer Expedition einen besonderen Moment?

Allein die eindrucksvolle Bergkulisse und die Stille im Fjord im Kontrast zu den hunderten Metern Wassersäule unter dem Schiff bleiben in Erinnerung, vor allem wenn man gewohnt ist nur den blauen Ozean um sich zu haben. Und jeder war begeistert, auf den Bildern seiner jeweiligen Kamera die erste Periphylla zu entdecken. Die an Bord in Kreiseltanks gehälterten Quallen haben alle besonders durch ihre Biolumineszenz in ihren Bann gezogen!

Nach drei Wochen auf der Heincke ist das Team jetzt wieder auf dem Rückweg nach Bremerhaven. Danke für die Beantwortung der Fragen Leni und Klas!

Viele Grüße, Sarah

English version

“Not only the scientific success of this trip justifies the effort, but also the inspiring enthusiasm and the cooperation are a great motivation after many rather lonely months in the home office.”

On March 2, 2021, the research vessel Heincke left Bremerhaven with destination Norway. Before the start of any expedition, there are many months of work and preparation to ensure that all necessary equipment, all permits and all participants come on board. Due to the Corona pandemic, many sea-going GEOMAR research cruises had to be cancelled. Expedition HE570 got a go-ahead and will be finished in 2 days. I sent some questions to the cruise leader team Helena Hauss (GEOMAR) and Klas Ove Möller (HZG) on board. Here are their answers

What are you investigating during the expedition?

We are studying the transport of Carbon to the deep sea, with special focus on the role of zooplankton and fish. As a model or natural “mesocosms” we are using two fjords in Norway that have very different food webs – one, the Masfjord, is home to lanternfish and silvery lightfishes. In the other one, the Lurefjord, the place has been occupied by the helmet jellyfish Periphylla periphylla.
At the same time, these fjords are ideal for comparing different camera systems used at AWI, HZG and GEOMAR, as well as at CNRS in France, and harmonizing the data obtained from them. They allow deep-sea research under very calm working conditions, which facilitates this technical aspect of our cruise. We use camera-based observations complemented by e.g. sediment traps and net catches as well as hydroacoustic measurements to assess the influence of zooplankton on the so-called biological carbon pump, i.e. how sinking particles and zooplankton interact with each other.

Combining in situ observations with acoustics on the towed PELAGIOS- Here Helena Hauss is giving it a check before deployment. Photo: Helena Hauss

Why is it important to continue going on expeditions during this special time?

A complete standstill of seagoing research would be fatal for our observation-based work and projects. Especially for the younger scientists working on projects, these data are of enormous importance, as they form the basis for their PhD theses that were just started.
For us, scientific exchange on board and working on a research question together is also an important part of the scientific learning process. Our recently founded Helmholtz-wide working group PIC (Pelagic Imaging Consortium) had been meeting from time to time for exchange and there were already collaborations of individual members, but this was the first joint expedition of almost the entire group.

Did the more difficult circumstances change the region you were planning to explore?

No, we had our sights set on these two fjords right from the start and had also planned the Bremerhaven-Bremerhaven trip from the very beginning. Of course, this has now made it easier for us to carry out the trip under Corona regulations. To be honest, the choice of the Lurefjord turned out to be a double luck: a land-based expedition with the submersible JAGO in the framework of the iAtlantic project on the influence of sediment clouds caused by deep-sea mineral degradation on pelagic (i.e. swimming in open water) organisms could unfortunately not take place this year due to corona – but we could now already carry out experiments with Periphylla for this very purpose. Vanessa Stenvers, who is starting her PhD thesis in this project, was able to join us at short notice. By the way, here again a big thank you to the Heincke crew who, shortly before submitting our application, quickly measured whether the ship with all antennas really fits under the bridge into the Lurefjord (at low water just barely – with less than a meter of space).

What extra time and effort did you have due to the special circumstances of a pandemic? What did that involve in terms of planning, preparing the equipment, etc.?

It was honestly rather a madness. Due to the constantly changing Corona-related restrictions, the participation of our international cruise participants in particular (by the way, we have six nationalities on board among eleven scientists!) was in jeopardy until the very end. Unfortunately, one participant could not come along. In addition, continuous communication between the ship coordination, the shipping company and the responsible health authorities was necessary in order to react to the situation and to guarantee a successful operation.
Packing was also particularly challenging due to limited access to the institutes and also required some sending of equipment back and forth for preparation. In addition, there were also higher logistics costs due to the unavailability of the institutes’ transportation services due to the ban on official travel. The costs for the necessary quarantine in a hotel as well as the two PCR tests were kindly covered by the AWI ship coordination.

Was the extra effort worth it?

Absolutely! Not only the scientific success of this trip justifies the effort, but also the inspiring enthusiasm and the cooperation are a great motivation after many rather lonely months in the home office.

Was there a special moment during your expedition?

Already the impressive mountain scenery and the silence in the fjord in contrast to the hundreds of meters of water column below the ship remain in memory, especially when you are used to have only the blue ocean around you. And everyone was excited to discover the first Periphylla on the pictures of their respective cameras. The jellyfish kept in circular tanks on board captivated everyone especially with their bioluminescence!

After three weeks aboard the Heincke, the team is now on its way back to Bremerhaven. Thanks for answering the questions Leni and Klas!

Many greetings, Sarah

Klas Ove Möller waiting for the return of his equipment.