Jeder trägt Verantwortung

"Jeder trägt Verantwortung" - Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller während der Zukunftstour in Kiel. Foto: Jan Steffen “Jeder trägt Verantwortung” – Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller während der Zukunftstour in Kiel. Foto: Jan Steffen

Gerd Müller? So heißt doch ein bekannter Ex-Fußballnationalspieler, oder? Das Bundeskabinett kam mir jedenfalls nicht in den Sinn, als unser Chef vor einigen Monaten in einer Besprechung ankündigte, dass Gerd Müller das GEOMAR besuchen werde. Doch tatsächlich meinte er den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Dr. Gerd Müller.
Eigentlich halte ich mich zumindest für halbwegs politisch gebildet. Aber Dr. Müller stand – ich muss es gestehen – bisher nicht auf der Liste der mir bekannten Regierungsmitglieder. Vielleicht liegt es an diesem speziellen Amt, dass man von Entwicklungsministern generell viel weniger sieht und hört als von anderen Kabinettsmitgliedern. Bildträchtige Termine mit fremden Staatschefs nehmen die Kanzlerin und der Außenminister wahr, mit den großen Wirtschaftsbossen trifft sich der Wirtschaftsminister. Um kurzfristige Wahlgeschenke im eigenen Land zu verteilen, ist das Amt ebenfalls völlig ungeeignet. Außerdem ist man man in der Wissenschaftskommunikation schon beruflich sehr auf die Forschungsministerien im Bund und in Ländern fixiert.

Und doch: Im BMZ (so die Kurzform des Bundes-Entwicklungsministeriums) sind zukunftsweisende Themen angesiedelt. Globale Gerechtigkeit zum Beispiel. Nicht ganz unwichtig, oder?

Doch was hat das jetzt mit dem GEOMAR zu tun? Das BMZ hat unter dem aktuellen Amstinhaber im Jahr 2014 eine sogenannte “Zukunftscharta” initiiert. In einem Dialogprozess haben Akteure aus der Zivilgesellschaft, aus der Wirtschaft, von den Kirchen, aus der Wissenschaft und aus der Politik acht Monate lang darüber diskutiert, wie wir in Deutschland dazu beitragen können, dass alle Menschen auf der Welt Zukunftschancen haben können und welche Verantwortung wir dafür tragen. Das Ergebnis dieses Prozesses, die Zukunftscharta EINEWELT – Unsere Verantwortung, stellt das BMZ im Rahmen der Zukunftstour in ganz Deutschland vor. Eine Station dieser Tour war am vergangenen Donnerstag Kiel, Veranstaltungsort war das GEOMAR.

Die Veranstaltung war für uns insofern ungewöhnlich, weil es eben nicht nur um Wissenschaft ging, sondern ganz verschiedene Akteure aus der Region Themen oder Lösungsansätze rund um das Thema Nachhaltigkeit vorstellten. Kieler Studenten zeigten, wie aus Kastanien ein ökologisch unbedenkliches Waschmittel gewonnen werden kann, ein junges Kieler Unternehmen präsentierte nachhaltig produzierte Fahrräder aus Bambus, Brot für die Welt zeigte eindrücklich, welchen ökologischen Fußabdruck ein Mitteleuropäer im Vergleich mit einem Afrikaner auf der Erde hinterlässt, usw.

Natürlich ging es auch um Wissenschaft, denn sie liefert die Faktengrundlage, auf der die Gesellschaft Lösungen für Probleme oder Zukunftsvisionen diskutieren kann. In einfachen Experimenten zeigten die GEOMAR-Schulprogramme auf der Zukunftstour, wie und warum es zu Sauerstoffarmut in den Meeren kommt. Und Dr. Jörn Schmidt vom “Future Ocean” lud Besucher ein, die von ihm entwickelte Fischereisimulation EcoOcean zu spielen. Die Erkenntnis dabei: Wer zuviel auf einmal aus dem Meer herausholt, schadet am Ende sich und allen anderen.

Aber findet Entwicklungspolitik nicht vor allem an Land statt? Was hat die Ozeanforschung damit zu tun? Bereits am Mittwochabend hatte der Bundesminister im Rahmen einer Podiumsdiskussion einen zehn-Punkte-Plan vorgestellt, der Meeresschutz als wichtigen Teil der Entwicklungspolitik hervorhebt. Schließlich lebt mehr als die Hälfte der Menschheit an der Küste oder küstennah. Und Überfischung, die wir in Kiel ja auch untersuchen, ist nicht nur ein biologisches Problem, sondern auch ein soziales und politisches. Zum Beispiel dann, wenn ausgerechnet die Fangflotten der reichen Länder den lokalen Fischern der ärmeren Länder die Existenzgrundlage vor der Nase wegfangen.

Letztendlich wäre eine gerechtere Welt das beste Mittel um zu verhindern, dass Konflikte entstehen, dass Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssen und Fanatiker Zulauf haben – ein besseres und nachhaltigeres Mittel jedenfalls als Armeen, Geheimdienste und Grenzzäune.

“Wer wie wir in Europa auf der Sonnenseite lebt, hat die Pflicht, Wohlstand und Wissen mit denen zu teilen, denen es schlechter geht”, sagte Dr. Gerd Müller während der Veranstaltung in Kiel. Und: “In einer globalisierten Welt trägt jeder Verantwortung”. Bemerkenswerte Worte, denen man eine viel weitere Verbreitung wünscht.

Mein Fazit dieser Woche: Das Amt des Bundesministers für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat eine größere Aufmerksamkeit verdient.

Jan Steffen

Nachhaltig Fischen? Wir zeigen, wie es geht. Fischereibiologe Dr. Jörn Schmidt und unsere Mitautorin Frederike Tirre am Fischereispiel EcoOcean. Foto: Jan Steffen

Nachhaltig Fischen? Sie zeigen, wie es geht. Fischereibiologe Dr. Jörn Schmidt und unsere Mitautorin Frederike Tirre am Fischereispiel EcoOcean. Foto: Jan Steffen

 Carl Gustaf Lundin, Direktor des Global Marine and Polar Programme der International Union for Conservation of Nature (IUCN) stellt das Konzept und den Nutzen mariner Schutzgebiete vor. Foto: Jan Steffen

Carl Gustaf Lundin, Direktor des Global Marine and Polar Programme der International Union for Conservation of Nature (IUCN) stellt das Konzept und den Nutzen mariner Schutzgebiete vor. Foto: Jan Steffen

Meeresbiologe Dr. Tim Staufenberg stellte während der Zukunftstour seine bio-zertifizierte Muschelfarm vor. Foto: Jan Steffen

Meeresbiologe Dr. Tim Staufenberg stellte während der Zukunftstour seine bio-zertifizierte Muschelfarm vor. Foto: Jan Steffen

Zukunftsfähig konsumieren - Brot für die Welt zeigt, wie es gehen könnte. Foto: Jan Steffen

Zukunftsfähig konsumieren – Brot für die Welt zeigt, wie es gehen könnte. Foto: Jan Steffen