COP21: Und jetzt?

COP21 in Paris. Foto: Maike Nicolai, GEOMAR

Der Champagner ist getrunken.

Die Freudentränen sind getrocknet.

Und was kommt jetzt?

Nach zehn Tagen bei den UN-Klimaverhandlungen bin ich dankbar für die Einigung aller 196 Mitglieder, die einen Weg aus der Nutzung fossiler Energieträger ebnet. Ich wage auch zu behaupten, dass das schier grenzenlose Engagement von Meereswissenschaftlern, Meeresschützern und Meeresfans rund um die Verhandlungen dazu beigetragen hat, dass der Ozean im finalen Vertrag von Paris genannt wird. Im Grunde sollte solch eine Erwähnung selbstverständlich sein, wenn man bedenkt, wie wichtig der Ozean für unser Klima ist. Aber es war bis zuletzt nicht klar, ob es bei der Nennung bleibt. Also freuen wir uns, dass es dieses winzige Wörtchen endlich in den Vertrag geschafft hat, dessen Formulierungen haarklein und hitzig debattiert wurden:

„…Noting the importance of ensuring the integrity of all ecosystems, including oceans, and the protection of biodiversity, recognized by some cultures as Mother Earth, and noting the importance for some of the concept of “climate justice”, when taking action to address climate change…“

Wer die Ozeane liebt, weiß auch, dass es wert ist, jedes zehntel Grad Erwärmung zu bekämpfen. Prof. Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut (AWI), Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe II des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) und Stellvertretender Koordinator des deutschen Forschungsverbunds zur Ozeanversauerung BIOACID, hat mehrfach darauf hingewiesen, dass wir möglicherweise die Hälfte der tropischen Korallenriffe verlieren, wenn Temperaturen zukünftig auf mehr als 1,2 Grad im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung ansteigen. Diese Aussage bezieht sich allerdings ausschließlich auf die Wassertemperatur – andere Faktoren wie Ozeanversauerung, Verschmutzung oder Stürme, die den Riffen zusätzlich zusetzen können, sind da noch gar nicht einbezogen!

Rechnet man die Belastungsgrenzen (also auch die Kohlendioxid-Konzentrationen im Ozean) für Organismen und Ökosysteme grundsätzlich in Temperaturen um, liegt die kritische Schwelle laut dem Weltklimarat IPCC deutlich unter 2 Grad Celsius, etwa bei 1,5 Gras Celsius. Auch diesem Fakt trägt der Vertrag Rechnung.

Er berücksichtigt sogar, dass die INDC (Intended Nationally Determined Contribution) genannten, vorab von allen Teilnehmer-Staaten kommunizierten Emissions-Ziele nicht ausreichen, um die Erwärmung unter zwei Grad zu halten. Je nach Auslegung würde die Umsetzung der INDCs die Erwärmung auf zwischen 2,7 und 3,7 Grad begrenzen – wobei die INDCs keine bindenden Verpflichtungen sind, sondern eher wie verbale Gastgeschenke erscheinen, die die beteiligten Länder mit nach Paris brachten:

„…Emphasizing with serious concern the urgent need to address the significant gap between the aggregate effect of Parties’ mitigation pledges in terms of global annual emissions of greenhouse gases by 2020 and aggregate emission pathways consistent with holding the increase in the global average temperature to well below 2°C above pre-industrial levels and pursuing efforts to limit the temperature increase to 1.5°C above pre-industrial levels…“

Um einen letzten Absatz zu zitieren: Es würde beklagt, dass der Einigung noch eine wissenschaftliche Basis fehlt. Diese könnte vom IPCC kommen:

„…Invites the Intergovernmental Panel on Climate Change to provide a special report in 2018 on the impacts of global warming of 1.5°C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways…“

Das ist alles sehr begrüßenswert. Aber was haben nehmen wir nun wirklich mit nach Hause? Dürfen wir stolz sein, Teil des Zirkus’ gewesen zu sein, der die als historisch einmalig gefeierte Entscheidungsfindung begleitet hat? Wohl erst dann, wenn sich abzeichnet, dass die Staaten ihren Unterschriften auch Taten folgen lassen. Wenn die Industrieländer Verantwortung für ihre bisheriges Verhalten zeigen und gegenüber den Entwicklungs- und Schwellenländern für einen gerechten Ausgleich sorgen. Wenn der Weg aus den fossilen Energieträgern der Atomenergie keinen neuen Aufschwung beschert oder riskante Climate-Engineering-Methoden herangezogen werden – sondern die Erneuerbaren einen Schub bekommen. Wenn keiner der Unterzeichner wieder aus dem Paris Agreement aussteigt oder die Tatsache ausnutzt, dass ein Verstoß gegen die Abmachung nicht geahndet werden kann. Viele Chancen tun sich auf – aber es sind im Moment eben nicht mehr als Chancen.


Deswegen zählt für mich erst einmal das Naheliegende. Und was ich mitnehme, ist eine völlig neue Erfahrung in der Kommunikation: An zwei Informationsständen konnten Vertreter von BIOACID gemeinsam mit Wissenschaftlern vom Plymouth Marine Laboratory, dem französischen Exzellenzcluster LabexMER, der Universität Pierre et Marie Curie Paris, der Universität Brest und Scripps Institution of Oceanography mit Entscheidungsträgern, Interessenvertretern und Besuchern über unsere Arbeit sprechen. Einer der Stände befand sich im öffentlichen „Espaces Générations Climat“, der andere im UN-Bereich, der nur mit Akkreditierung zugänglich war.

Dort stand mir plötzlich der Wirtschaftsminister der Seychellen gegenüber. Wir sprachen über Korallenriffe. „Wenn das hier nicht klappt, geht meine Heimat unter“, sagte er schließlich. Der Realität derart klar ins Gesicht zu sehen, machte mich betroffen – allem Wissen zum Trotz, das ich als Kommunikatorin im Auftrag der Meeresforschung so mit mir herumtrage. Dies war einer der Momente, in dem es sich richtig anfühlte, in Paris dabeizusein.


Über ihr Wissen und ihre Schlussfolgerungen hat sich die „Ocean Community“ bei diversen Veranstaltungen ausgetauscht. Immer wieder hatte ich den Eindruck, dass wir dabei mehr oder weniger unter uns waren. Mussten wir wirklich Programmbroschüren drucken, Prominente einfliegen und 200 Personen ein verpacktes Lunch servieren? Ich war schockiert über den Aufwand. Und mehr als ein Wissenschaftler in meiner Nähe stöhnte über die Oberflächlichkeit dieser Events. Aber diese Veranstaltungen schlagen Wellen. Und deswegen bewundere ich die Organisatoren des Oceans Day für ihr Engagement.


Trotzdem: Mit jedem Tag, den ich mit Bahn und Bus nach Le Bourget fuhr, den täglichen Begrüßungsapfel einsteckte (eine aberwitzige Geste in dieser künstlichen Welt), die Sicherheitskontrolle über mich ergehen ließ (die jeden Tag eine neue Spezialität enthielt), den von bunten Tierplastiken gesäumten Boulevard hochmarschierte (der Delegation aus Bremen verschwörerisch zuzwinkernd) fragte ich mich mehr, was ich selbst eigentlich noch tun konnte, um den CO2-Fußabdruck wettzumachen, den meine Teilnahme an COP21 verursachte.

Vielleicht… Pressearbeit?

Als am Mittwoch ein erster „prä-finaler“ Entwurf für die Vereinbarung präsentiert wurde, machten Hans-Otto Pörtner und ich uns kurzentschlossen auf den Weg zum „Media Shopping“. Einige der deutschen Journalisten, die wir in ihren Arbeits-Boxen überraschten, waren äußerst dankbar für unser spontanes Gesprächsangebot und griffen kurzerhand zu Mikrofon und Aufnahmegerät (etwa die Deutsche Welle). Andere versprachen, später Kontakt aufzunehmen. Diesen „Service“ hätte ich gern noch weiter ausgebaut, aber Hans musste den letzten Zug nach Bremerhaven erwischen.

Wie gefragt eine „Einschätzungshilfe“ aus Perspektive der Forschung ist, konnte ich dann am nächsten Tag beobachten: Eine Pressekonferenz mit Prof. Johan Rockström (Stockholm Resilience Centre), Prof. Hans-Joachim “John” Schellnhuber (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung), Prof. Kevin Anderson (University of Manchester) und Joeri Rogelj (International Institute for Applied Systems Analysis), angesetzt vom International Council for Science (ICSU), Stockholm Resilience Centre, Future Earth und Tyndall Centre for Climate Change Research zog die Medienvertreter in Scharen an. Auf dem Podium fielen scharfe Worte, eifrig mitgetippt und stenografiert. Die Kameras schnurrten. Ganz unabhängig davon, ob ich die Aussagen der Wissenschaftler mittragen mochte oder nicht – dies war mein persönlicher Augenöffner: Forscher, meldet Euch zu Wort!

Natürlich gäbe es noch vieles mehr über die Verhandlungen zu sagen.
Ich empfehle (Stand: 16. Dezember 2015):

Die Zeit Online: Die To-do-Liste von Paris

Frankfurter Allgemeine Zeitung: Darauf ein klares „Tja“

The Guardian: Climate change deal: five reasons to be glad, five to be gloomy

Der BIOACID-Twitterstream zu COP21 lässt sich hier nachlesen.

Hier ist die BIOACID-Facebookseite mit vielen weiteren interessanten Links.

Hier noch ein Film über unsere Aktivitäten beim Klimagipfel: