SO244 GeoSEA – Den tiefsten Punkt der Reise erfolgreich gemeistert / We mastered the deepest point of the cruise

In die Tiefe - Ein GeoSEA-Tripode auf dem Weg zum Meeresboden / Into the deep - a tripod is lowered to the seafloor. Photo: J. Steffen, GEOMAR In die Tiefe – Ein GeoSEA-Tripode auf dem Weg zum Meeresboden / Into the deep – a tripod is lowered to the seafloor. Photo: J. Steffen, GEOMAR

Acht Tage sind wir mittlerweile auf See. Langsam aber sicher leert sich das Achterdeck. Wo vor ein paar Tagen noch ein dichter Wald von verzinkten Stahlstreben stand, breitet sich jetzt eine eher lichte Arbeitsdeckslandschaft mit wenigen Rest-Tripoden aus. Von den 23 Gestellen, die wir ursprünglich in Einzelteilen zerlegt an Bord genommen haben, haben wir bereits 18 an ihren Bestimmungsort am Meeresboden verpflanzt. Um im Bild zu bleiben: Sie gedeihen dort prächtig. Technischer ausgedrückt: Sie funktionieren und bilden schon jetzt drei geodätische Tiefsee-Messnetzwerke, die es so nirgendwo sonst auf der Welt gibt.

Drei Messnetzwerke? Ja, drei. Wir sprechen zwar immer von DEM GeoSEA-Array, aber im Grunde sind es drei von einander unabhängige Messfelder, die in unterschiedlichen Entfernungen zur Küste stehen. Hinter dieser Aufteilung stecken natürlich hochkomplexe, geophysikalische Überlegungen und Fragestellungen. Unser Co-Fahrtleiter Dietrich hat versucht, sie mir gestern Abend bei einer Cola im Hangar zu erklären Doch ich fürchte, ich habe nicht alle Feinheiten verstanden. Vielleicht so viel:

Wie schon mehrmals im Blog erwähnt, schiebt sich in dieser Region, also eigentlich mehrere Kilometer  unter dem Meeresboden, die pazifische Nazca-Platte unter den südamerikanischen Kontinent. Dabei bauen sich zwischen beiden Erdplatten Spannungen auf, die sich in Erdbeben entladen. Klingt einfach und logisch, ist im Detail aber vieeeel komplizierter.

Die Spannung zwischen den beiden Platten hat nämlich eine Vielzahl von Folgen und Auswirkungen. Versuchen Sie mal, einen Teppich (U wie unten) unter einen anderen (O wie oben) zu schieben. Teppich U wird sich zunächst einmal vor O aufwölben. Aber Sie schieben weiter. Diese Aufwölbungen kommt dann unter Teppich O zu liegen, der sich an der entsprechenden Stelle auch aufwölbt. Wenn Teppich U zufällig noch voller Gartenschuh-Dreck lag, werden Sie diese Krümel entweder zwischen beiden Teppichen verteilen. Oder sie verteilen sich vor beiden Teppichen, weil sie an der Kante von Teppich O hängen bleiben.

So ähnliche Prozesse laufen auch bei der Subduktion (dem Abtauchen) von Erdplatten ab. Nur dass Erdplatten etwas steifer sind als Teppiche. Und viel, viel größer. Was sich wo wie genau warum abspielt, wissen die Experten daher im Detail noch nicht. Da wir insgesamt 23 Tripoden mit Messgeräten zur Verfügung hatten, wollten unsere Fahrtleiter Heidrun und Dietrich möglichst viele verschiedene interessante Regionen – und damit Fragen – abdecken.

Sie haben aufgrund der Karten, die uns das AUV ABYSS geliefert hat, drei Arbeitsgebiete festgelegt: Area 1, Area 2, Area 3.

Area 1 liegt recht nahe an der Küste auf der südamerikanischen Platte in „nur“  2500 Metern Wassertiefe.

Area 2 liegt westlich des Tiefseegraben auf der Nazca-Platte (auf der Aufwölbung vor dem Abtauchen, Sie erinnern sich?). Die Wassertiefen betragen dort etwa 4100-4200 Meter.

Area 3 liegt schließlich nah am Tiefseegraben in rund 5300 Metern Tiefe. Der eigentliche Tiefseegraben, auf der Karte (siehe unten) in dunkelblau zu erkennen, markiert die Stelle, wo die Nazca-Platte  unter der südamerikanischen Platte verschwindet.

Dank der Schall-Abstandsmessung zwischen den Tripoden können die Wissenschaftler in Zukunft genau erkennen, ob und wie sich der Untergrund in einer der drei Regionen bewegt oder verformt. Und das gibt wiederum Aufschluss über Prozesse im Untergrund.

Das Messnetz in Area 2 ist bereits fertig und funktioniert. Seit Mittwoch arbeiten wir in Area 3 und haben am selben Tag noch den tiefsten Absetzpunkt der ganzen Reise (mehr als 5300 Meter) erfolgreich mit einem Tripoden bestückt. Mittlerweile stehen in Area 3 schon acht unserer Gestelle, heute folgen noch die letzten zwei.

Dann haben wir immer noch drei nach, mit denen wir auf dem Rückweg – sofern die Technik weiterhin mitspielt – das Messnetz in Area 1 von fünf auf acht Messpunkte erweitern.

Gleichzeitig laufen auch die Vorbereitungen für das Absetzen von Ozeanbodenseismometern auf Hochtouren. Denn nur weil es mit der Abstandsmessung in der Tiefsee einen neuen Ansatz in der Erdbebenforschung gibt, heißt das noch lange nicht, dass bewährte Methoden nicht mehr genutzt werden. Was genau die OBS genannten Geräte machen und wie sie aussehen, erklären wir, wenn es so weit ist.

Kurz und gut, auch wenn seit dem „verflixten Montag“ technisch alles gut läuft, bleibt der Zeitplan eng. Trotzdem haben wir genügend Gelegenheit, auch die schönen Seiten der Seefahrt zu genießen. Das vorzügliche und reichhaltige Essen an Bord hat Florian (G.) in seinem Beitrag gestern ja bereits erwähnt. An mehreren Abenden konnten wir Fliegende Fische und Humboldt-Kalmare neben dem Schiff im dunklen Wasser beobachten. Gestern hat uns eine Schule Wale oder Delphine (sorry, genauer geht das nicht, hier sind Geophysiker an Bord, keine Biologen) einen Besuch abgestattet, heute morgen steckte ein Seehund seine Nase neben dem Schiff aus dem Wasser.

Es bleibt spannend, was die zweite Hälfte der Reise noch bringt.

Beste Grüße aus dem SO-Pazifik,

Jan

Übersicht über die Arbeitsgebiete unser Expedition. Grafik: Heidrun Kopp, GEOMAR

Übersicht über die Arbeitsgebiete unserer Expedition / Overview of the working areas. Grafik: Heidrun Kopp, GEOMAR

Ein echter Höhepunkt - der tiefste Punkt der Reise. Foto: Jan Steffen, GEOMAR

Ein echter Höhepunkt – der tiefste Punkt der Reise / A Highlight of last week – the deepest point of the cruise. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

Immer weniger Tripoden auf dem Arbeitsdeck. Stattdessen OBS-Vorbereitungen / Less and less tripods on the aft deck. Instead preparations of OBS. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

Immer weniger Tripoden auf dem Arbeitsdeck. Stattdessen OBS-Vorbereitungen / Less and less tripods on the aft deck. Instead preparations for OBS deployments. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

Besuch am Freitagnachmittag. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

Besuch am Freitagnachmittag / Visitors on Friday. Photo: Jan Steffen, GEOMAR

Photo: Darren S. Murphy

Besucher heute / visitors today. Photo: Darren S. Murphy

For eight days we are at sea. The aft deck empties more and more. Some days ago there was a dense forest of galvanized steel stacks. Now a rather open working-deck landscape spreads out with a few leftover tripods. Of the 23 frames that we
have taken originally on board, we already have 18 transplanted to their final destination at the seafloor. To continue the metaphor: They thrive there magnificently. In more technical terms: They work and form three geodatic deep-water measurement networks, which are unique in this special configuration.

Three measurement networks? Yes, three. Although we always speak of the GeoSea-array as a single project, there are actually three independent measurement fields at different distances from the coast. Highly complex, geophysical considerations have led to this division. Our co-chief scientist Dietrich tried to explain them to me last night while we were drinking a coke in the hangar. But I’m afraid I probably did not understand all the intricacies.

Perhaps as much: As already mentioned in the blog, off Chile the Pacific Nazca Plate subducts beneath the South American continent. Tensions build up between the two tectonic plates which erupt in earthquakes. That sounds simple and logical, but in detail the process is much more complicated.

The tensions between the two plates have a wide variety of consequences and effects. Just try to push a carpet (B like below) under another carpet (A like above). Carpet B will bulge firstly in front of A. But you push on. These bulges then come to lie under carpet A, which also bulges in the specific place. If carpet B accidentally  is full of dirt from your garden boots, you will
distribute these crumbs either between two carpets, or they accumulate in front of the two carpets because they get stuck at the edge of carpet A.

Similar processes take place in the subduction zones of tectonic plates. Of course, these plates are slightly stiffer than carpets. And much, much bigger. Therefore experts do not know in detail, what is happening where and why. Since we had a total of 23 tripods with instruments available, our chief-scientists Heidrun and Dietrich want to cover as many different interesting regions – and thus questions – as possible.

On the basis of the maps the AUV Abyss has provided for us they defined three different targets: Area 1, Area 2, Area 3.

Area 1 is located quite close to the coast on the South American plate in “only” 2,500 meters water depth.

Area 2 is located west of the deep-sea trench on the Nazca plate (on the bulge mentioned before, remember?). The water depths are about 4100-4200 meters there.

Area 3 finally is close to the deep-sea trench in approximately 5,300 meters depth. The trench is the actual place where the Nazca plate subducts beneath the South American plate. Its marked in the map with deep blue colours.

Thanks to the sound-based measuring of the distances between the tripods, the scientists now can see exactly whether and how the seafloor in one of the  three regions moves or deforms. These data in turn shed light on processes in the subsurface.

The monitoring network in Area 2 is already finished and working. Since Wednesday, we have been worked in Area 3. On the same day we successfully deployed a tripod in the deepest position of the whole cruise. Meanwhile, we already have deployed 8 tripods in Area 3. The last two follow today.

Then we still have three remaining. With these we plan to extend the monitoring network in Area 1, from five to eight measurement points, on our way back.

At the same time, the preparations for deploying ocean bottom seismometers are in full swing. Just because distance measurement in the deep sea is a new approach to earthquake research, the scientists have no reason not to continue to use approved methods. Exactly what the OBS do, we’ll tell in one of the future posts.

Even though, since “bad Monday” technically everything is going well, the schedule remains tight. Nevertheless, we have plenty of opportunity to enjoy the beautiful side of seafaring. Florian (G.) has already mentioned the excellent and rich food on board in his post yesterday. On several evenings we saw flying fish and Humboldt squids alongside the ship in the dark water. Yesterday a school of whales or dolphins (sorry, I cannot tell you the species as we have geophysicists on board, not biologists) paid us a visit. And this morning, some seals put their nose out of the water next to the ship.

Best wishes from the SO-Pacific,
Jan