Stationssuche

Hydroakustik Wache/ Hydro acoustic watch, Foto: Felix Gross Hydroakustik Wache/ Hydro acoustic watch, Foto: Felix Gross

Nachts um 3 Uhr 55
Nach dem geschäftigen Treiben des Tages ist das Schiff wie ausgestorben.
Die Kammertüren, die tagsüber einladend weit offen stehen, sind geschlossen, ein Zeichen dafür dass die wissenschaftliche Besatzung im wohlverdienten Schlaf liegt. Das Stimmengewirr, Scherzen und die Musik die tagsüber aus dem Hangar dringen sind verstummt. Nur das leise Pfeifen der Dieselmotoren und vereinzeltes Türenklappen der Wache gehenden Matrosen dringt in die hell beleuchtete Lotzentrale. Dort sitzen neben dem Wachgänger, noch -oder schon wieder- drei Wissenschaftler und schauen gespannt auf die Monitore, die die Echolotdaten der letzten Stunden zeigen Nach 6 Stunden Vermessung des Meeresbodens mit Hilfe unserer geophysikalischen Methoden gilt es nun eine geeignete Stelle zur Beprobung der Sedimente in 3000 m Tiefe zu finden. Dort, wo die Sedimente die höchste Mächtigkeit haben, wollen wir unseren nächsten Kern bohren – wir
fühlen uns ein bisschen wie Schatzsucher auf der Jagd nach den dicksten Sedimentpaketen.

Trotz intensiver Diskussion der aktuellen Daten im eingespielten Drei-Personen- Team ist man sich nicht vollständig einig, nochmals werden Daten nachgerechnet, erneut kritisch bewertet und dann endlich kann sich die Fahrtleitung mit den Koordinaten für den neuen Bohrpunkt auf den Weg über die steilen Treppe hinauf zur Brücke machen, wo der nautische Wachgänger geduldig auf die neue Positionsangabe wartet

Nach der hell beleuchteten Lotzentrale dauert es einen Moment sich an das gedämpfte Licht auf der Brücke zu gewöhnen. Eine angenehme ein wenig ehrfürchtige Ruhe herrscht hier im „Kopf der Maria“, wie die Maschinisten die Brücke gerne nennen. Hier werden nun die Koordinaten für unsere nächste Station in den zentralen Schiffscomputer eingegeben und das Schiff steuert mit dem Autopiloten darauf zu. Auf dem Weg überfahren wir noch einmal die bereits begutachteten Sedimentpakete. Kurz vor Erreichen der Station wird das Sedimentpaket plötzlich dünner, ein Nervenkampf beginnt, in endlos erscheinenden 5 Minuten dünnt das so sehr gewünschte Sedimentpaket aus, verschwindet fast ganz, um dann wieder die erwarteten Mächtigkeiten zu erreichen. Dabei macht sich wieder einmal die Geduld des Fahrtleiters bezahlt, der gelassen die Schrecksekunde abwettert.

Nun heißt es „Einparken“. Während das Schiff von den erfahrenen Offizieren in eine stabile Position über dem Bohrpunkt gebracht wird, beobachten wir weiter den Bildschirm, immer in der Hoffnung, dass sich der Untergrund in der letzten Minute, bei der letzten winzigen Kursänderung nicht doch noch verändert.

Dann ist es endlich soweit „Brücke—Deck, wir sind auf Station“ heißt die äußerst knappe Meldung an die Matrosen und den Bootsmann nach unten auf das Arbeitsdeck. Dort warten bereits die eine halbe Stunde vorher geweckten Wissenschaftlerinnen mit dem großen Planktonnetz auf ihren Einsatz in der fahlen, nebligen Morgendämmerung. Was nun folgt ist nach 2 Wochen Forschungsreise Routine: dem Planktonnetz folgen die Sonden für Temperatur und Salzgehalt mit 18 Wasserschöpfern zur Beprobung der Wassersäule. Dann geht das Multi-Kern-Entnahme:Gerät, kurz MUC genannt, von Deck. Nach 2 Stunden verhaltenen Wartens kommt selbiges wieder mit Sediment gefüllt an Deck. Und gleich stellt sich die Frage: „Können wir bei dieser Sedimentbeschaffenheit ein 20 m Schwerelot fahren oder doch lieber nur 15 m, um eine „Banane“, wie man verbogene Kernrohre nennt, zu vermeiden?“ Wer entscheidet? Der Fahrtleiter ist wieder gefragt. Das Sediment sieht gut aus, wir lassen 20 m langes Stahlrohr mit 2,5 t Bleigewicht am Windenkabel in den Ozean hinab. Wieder folgt eine Stunde gebannten Wartens, begleitet von einem schnellen Frühstück und frischem Kaffee, bis der Seilzugschreiber uns anzeigt, dass das Schwerelot den Meersboden erreicht hat. Der Windenschrieb der tonnenschweren Tiefseeseilwinde im Bauch des Schiffes sieht gut aus, keine Banane, und 7,5 t Zuggewicht deuten auf ein mit sehr viel Sediment gefülltes Stahlrohr hin. Tatsächlich, anderthalb Stunden später liegen 16 m Sediment aus der 1 Grad kalten tiefen Labradorsee vor uns an Deck und die Freude über die „Beute“ ist riesig. Es ist nun bereits 14:00 Uhr, trotzdem muss der Sedimentkern nun vom Deck- und Sedimentteam fachgerecht geologisch bearbeitet und archiviert werden..Zeit für die Fahrtleitung ein wenig Schlaf der vergangenen Nacht nachzuholen und vielleicht zu träumen:  …. natürlich von noch mächtigeren Sedimentpaketen und noch längeren Kernen!

[English]
Station search or just another way of treasure hunting
3:55 am
After the hustle and bustle of the day, the ship is now desolated. The cabin doors, wide open during daytime are closed. Behind them, the scientists sleep the deep sleep of hard workers. The voices, jokes and music that comes from the Hangar during daytime, has faded away. Only the rumble of the diesel engines reaches the bright-lit hydro acoustic lab. Every now and then interrupted by a clapping door, when the seaman on watch is turning his rounds.

Despite the sleeping ship, four scientist are still (or already) on duty. Besides the  geophysicist on watch, three scientists are staring at the monitor that displays the parasound data of the previous hours. After 6 hours of survey (with geophysical methods) it is now time to find the best place to sample sediments at 3000m water depth. Our aim is to collect cores from spots where the sediment is reaching its maximal thickness. We feel a bit like treasure hunters – on the hunt for the best mud.

After data conversion and a short discussion, all in the three-persons team agree on the selected site. Again data are converted and cross-checked. Finally, the chief scientist gets the coordinates and starts the steep climb to the bridge.

After crossing the brightly lit ship, it takes a moment to adjust to the dimmed light on the bridge. Here, in the calm, peaceful “brain of the ship” (as the machinists call it), the officer on watch enters the coordinates into the ships navigation system, and we start to approach the station. On the way, we cross the already surveyed sediments. Just before arrival the sediment package is starting to thin. Nothing changes on the parasound monitor for seemingly endless five minutes, until the sediment packages start to thicken again and we finally reach the station. It is in such moments that the patience of the chief scientist is worth gold (or is it mud?).

Now it is time for “parking”. While the experienced officer maneuvers the ship into a stable position, we still watch anxiously the parasound monitor, hoping that the signal from the seafloor is not changing during the last position changes. After final position is reached, work can start: “Deck from brigde- we are on station” is called down to the labs, working deck and hangar. What comes now is routine work after 2 weeks at sea. The plankton net team (woken half an hour in advance) starts with operation followed by the CTD with water samplers. Afterwards the MUC leaves the deck. After 2 hours of
excited waiting, the latter ascends again and is brought on deck. Now, we have to ask us the question: “ Can we deploy a 20 m gravity core in this kind of sediment, or are we risking to bring up a banana (as bent cores are called)?” The sediment looks good, and a 20 m core with 2.5 t of weight is leaving the deck to descend into the deep ocean. What follows is another hour of excited waiting until the winch program indicates that the gravity corer touched the seafloor. The winch monitoring looks good, no banana, and 75 t of rope tension point to a nicely filled core. 1 ½ hours later, a 16 m sediment core from the deep Labrador Sea lies in front of us on the deck. Now, the sediment and coring team are on duty and take care of our new treasure.

It is already 2 pm – time for the cruise leader team to get some sleep, after this long and exciting night.

Janne Repschäger
CAU Kiel

Die Fahrtleitung bei der Begutachtung von Sedimentkernen/ chief scientist discussing about sediments. Foto: Svenja Lüders

Die Fahrtleitung bei der Begutachtung von Sedimentkernen/ chief scientist discussing about sediments. Foto: Svenja Lüders