Miesmuscheln in Sauer – Teil 2

Miesmuscheln im Experiement. Foto: Warnk/Pohl/Gall GEOMAR

Anfang August habe ich mich für den Preis „Verständliche Wissenschaft“ des Helmholtz-Zentrums Geesthacht beworben und bin tatsächlich in die Endrunde gekommen. Bei dem Wettbewerb geht es darum, das eigene Promotionsthema möglichst allgemein verständlich darzustellen. Ob mir das im Bewerbungstext gelungen ist, könnt Ihr in Teil 1 und hier selbst beurteilen:

Strandkrabbe und Gemeiner Seestern: wichtige Arten in der Westlichen Ostsee

Wer schon einmal schnorchelnd oder tauchend in der Westlichen Ostsee unterwegs war weiß, dass Miesmuscheln und deren bedeutendste Fraßfeinde, Strandkrabben und Seesterne, einen großen Teil der am Meeresboden lebenden Tiere ausmachen. Sollten sie also nachhaltig durch die Ozeanversauerung beeinflusst werden, könnte dies ernste Konsequenzen für das ganze Ökosystem nach sich ziehen. Vor allem junge Stadien könnten, ähnlich wie Kinder bei den Menschen, noch empfindlicher auf Umweltstress reagieren als erwachsene Artgenossen. In meiner Doktorarbeit untersuchte ich deshalb den Einfluss von Seewasserversauerung auf Wachstum und Jagderfolg beider Räuberorganismen, der Strandkrabbe und erwachsener wie auch junger Exemplare des gemeinen Seesterns. Damit sollte geklärt werden, wie sich der Fraßdruck auf die Miesmuscheln zukünftig ändern könnte.

Arten unterschiedlich empfindlich

Es ist bekannt, dass nicht alle kalkbildenden Organismen gleich anfällig gegenüber dem Umweltstress Versauerung sind. Auch die beiden Räuber vom Meeresboden der Ostsee, die ich in meinen Versuchen untersuchte, erwiesen sich als unterschiedlich empfindlich. In meinen Studien wuchsen die Seesterne unter saureren Bedingungen weniger und fraßen auch eine geringere Anzahl Miesmuscheln. Auch über einen sehr langen Zeitraum von neun Monaten konnten sie sich nicht an die Bedingungen gewöhnen. Außerdem erwiesen sich die jungen Exemplare als anfälliger gegenüber kleineren Veränderungen im pH des Seewassers als ihre erwachsenen Artgenossen. Die Krebse hingegen konsumierten in saurerem Wasser nur bei einer verhältnismäßig kurzen Experimentphase von zehn Wochen weniger Muschelfleisch. Wurden sie länger der erhöhten CO2-Konzentration ausgesetzt, fraßen sie weder weniger, noch wuchsen die Tiere langsamer. Sie scheinen sich also an die saureren Bedingungen anpassen zu können.
Wie lassen sich die Unterschiede in der Empfindlichkeit erklären? Zum einen bestehen die harten Strukturen der beiden Räuber aus unterschiedlichen Materialien. Während Krebse in ihren Panzern eine stabilere Kalkform (Kalzit) einlagern, bestehen die Skelette der Seesterne zu einem großen Teil aus leichter löslichem Kalk (Aragonit). Aber auch der Stoffwechsel spielt eine Rolle: Krebse sind aktiver als Seesterne, haben damit einen höheren Stoffwechsel und sind es gewohnt, das so entstehende CO2 in ihrem Blut abzubauen. Zudem regulieren Krebse, im Gegensatz zu Seesternen, auch aktiv die Zusammensetzung ihrer Körperflüssigkeiten und können somit größtenteils ein zu Viel oder zu Wenig an bestimmten Stoffen ausgleichen. Krebse haben also bessere Voraussetzungen, mit Versauerung umzugehen als Seesterne.

Ostsee süßsauer: tolerante Bewohner

Insgesamt konnte ich eine relativ hohe Toleranz beider Räuber gegenüber Seewasserversauerung feststellen. Entgegen früheren Erwartungen überlebten alle Organismen auch hohe Konzentrationen von CO2 im Wasser. Erwachsene Organismen reagierten, wenn überhaupt, erst bei Bedingungen, die weit über den Werten liegen, die im offenen Ozean in absehbarer Zukunft erwartet werden. Auch unter den jungen Seesternen gab es einige Exemplare, die, gleichwohl hoher Versauerung ausgesetzt, genauso groß wurden wie ihre unbehandelten Artgenossen. Da die Ostsee im Gegensatz zum offenen Ozean wenigstens phasenweise einen verhältnismäßig sauren Lebensraum darstellt, könnte die Toleranz der Organismen mit Anpassung an diese Bedingungen erklärt werden.
Warum ist die Ostsee aber saurer als der offene Ozean? Die Ostsee ist geographisch ein Randmeer, das von West (am Zufluss zur Nordsee) nach Ost (im Finnischen Meerbusen) immer salzärmer wird. Durch eine starke Schichtung von Wasser unterschiedlicher Salzgehalte und Temperaturen entstehen gerade im Sommer in tieferen Regionen häufig größere Zonen, die wenig Sauerstoff und viel CO2 enthalten. Kommt es, beispielsweise durch starken Wind, zu einer Umschichtung des Wassers, gelangt dieses CO2-reiche Wasser in seichtere, küstennahe Gewässer. Dann steigt auch hier der Grad der Versauerung wenigstens vorübergehend an. Die Versauerungsphänomene, die heute bereits kurzzeitig auftreten, werden bei gleichbleibend hohem CO2-Ausstoß in Zukunft über einen längeren Zeitraum vorherrschen und noch stärker ausfallen. Wie meine Studien zeigten, können besonders junge Seesterne hierdurch stark beeinträchtigt werden.

Die Westliche Ostsee der Zukunft

Die Konsequenzen für das Ökosystem der Westlichen Ostsee, die aus der fortschreitenden Meerwasserversauerung resultieren, lassen sich natürlich nicht ganz präzise voraussagen, da viele wichtige Faktoren noch unbekannt sind. Meine Studien zeigen jedoch, dass der Fraßdruck auf die Miesmuscheln sehr wahrscheinlich anders aussehen wird, wenn in Zukunft der CO2-Ausstoß in die Atmosphäre weiter ansteigt: In unveränderter Stärke werden die Krebse den Muscheln gegenübertreten, die Seesterne jedoch, gerade durch Beeinträchtigungen in ihrer Jugend, geschwächt. Es bleibt also spannend, wie der Kampf um das delikate Muschelfleisch in Zukunft aussehen wird. Für das bloße Überleben bei Versauerung scheinen beide Räuber jedenfalls gerüstet.

Ich hoffe, Ihr habt einen kleinen Einblick in meine Forschung gewinnen können und drückt mir für die Endausscheidung am 21. November alle die Daumen!

Yasmin Appelhans

 


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