Das neue GAME-Forschungsthema: Leiden Arten aus warmen Klimazonen stärker unter der Erderwärmung als solche aus kühlen Regionen?

Die Erderwärmung ist vielleicht die größte Herausforderung für die Ökosysteme des Planeten und bislang lässt sich nur sehr grob abschätzen inwieweit Arten mit dieser Veränderung umgehen können. Unklar ist vor allem auch: Wen wird es besonders hart treffen? Wer wird damit gut zurechtkommen? In diesem Jahr wird GAME zu genau dieser Frage eine weltweite Studie durchführen. Seit Anfang März arbeiten Studierende aus 8 Ländern an der Entwicklung von Experimenten, die von April bis September an den diesjährigen Versuchsstandorten in Brasilien, Chile, Griechenland, Indonesien, Japan, Portugal und Wales durchgeführt werden sollen. Hierfür sind alle Teilnehmer ans GEOMAR gereist, wo sie unterstützt durch Wissenschaftler des Fachbereichs Marine Ökologie 4 Wochen lang intensiv diskutieren und planen. Es ist ein wichtiger Teil des Konzepts von GAME, dass die Studierenden unmittelbar in die Vorbereitung der Globalstudie eingebunden werden. Zu diesem arbeitsreichen Prozess gehören neben vielen Gruppendiskussionen auch praktische Arbeiten sowie Workshops, die sich mit Wissenschaftstheorie und mit dem Stand der Forschung zum jeweiligen Thema beschäftigen. Wichtigstes Ziel ist es dabei, einen Ansatz zu entwickeln, der es möglich macht, die Ergebnisse aller Teilexperimente am Ende miteinander zu vergleichen. Das dies nicht einfach ist, liegt unter anderem daran, dass die Arbeitsbedingungen und die technischen Vorrausetzungen sich zwischen den Versuchsstandorten stark unterscheiden. Was in Wales einfach ist, lässt sich in Indonesien vielleicht gar nicht umsetzen. Es muss also ein gemeinsamer Nenner gefunden werden, der garantiert, dass alle Teams Daten vergleichbarer Qualität und Aussagekraft sammeln. Keine leichte Aufgabe für die Teilnehmer und die betreuenden Wissenschaftler.

In diesem Jahr beschäftigt sich GAME zudem gleich mit zwei Teilfragen. Beide beleuchten wie gut oder schlecht sich Meeresorganismen aus verschiedenen Klimazonen an den Anstieg der Temperaturen im Zuge der Erderwärmung anpassen können. Eine Frage ist, ob Tiere aus warmen Regionen einen grundsätzlich kleineren Toleranzbereich gegenüber Wärmestress haben als solche aus kälteren Gebieten. Dies wird von der ‚Climate Variability Theory‘ vorschlagen, die davon ausgeht, dass Organismen, die evolutiv an hohe Umgebungstemperaturen angepasst sind, nach oben hin einen kleineren Spielraum haben. Dieses Konzept will GAME an einer Organismengruppe testen, die in allen Meeresgebieten vorkommt: den Seeanemonen (siehe Titelbild). Diese gehören zu den Blumentieren (Anthozoa), die wiederum eine Untergruppe der Nesseltiere (Cnidaria) darstellen. An den 7 Versuchsstandorten sollen kleinwüchsoge Seeanemonen, wie beispielsweise die sogenannten Glasanemonen, in Hälterung genommen werden, um dann zu ermitteln wie tolerant sie gegenüber einer Erhöhung der Umgebungstemperatur sind. Zwar wird es nicht möglich sein, an allen Standorten mit der gleichen Art zu arbeiten, aber es gibt Gattungen, die weltweit vorkommen und deren Arten sich sehr ähneln. Kleinwüchsige Seeanemonen haben zudem den Vorteil, dass sie sich oft durch Längsteilung asexuell fortpflanzen. Dies eröffnet die Möglichkeit, ihre Anpassungsfähigkeit über mehrere Generationen zu verfolgen. Hier setzt dann auch die zweite Fragestellung an, die im Rahmen dieses GAME-Projekts untersucht werden soll: Gibt es bei Seeanemonen eine transgenerationelle Akklimatisierung an Wärmestress?

Unter transgenerationeller Akklimatisierung versteht man die Fähigkeit von Organismen eine unmittelbare Anpassung an eine Umweltveränderung an die eigenen Nachkommen weiterzugeben. Das klingt zunächst einmal schwer nach Lamarckismus und scheint nicht im Einklang mit dem Darwinschen Evolutionskonzept zu stehen. Tatsächlich ist diese Fähigkeit aber im Tier- und Pflanzenreich wohl weit verbreitet und konnte auch schon vielfach belegt werden. Bei dieser Form der Weitergabe von Anpassungen von Eltern an ihre Kinder kommt es nicht zu einer Modifikation der DNA-Sequenz –dafür wäre eine Mutation nötig – sondern die Information wird beispielsweise über die Methylierung der DNA weitergegeben, welche die Aktivität von Genen steuert. Dieses Phänomen ist auch als Epigenetik bekannt. Die Relevanz dieser Art von Weitergabe mit Blick auf die Anpassungsfähigkeit von Arten an den Klimawandel wurde bislang jedoch noch wenig untersucht. Die diesjährige GAME-Studie soll helfen, diese Lücke zu schließen. Die Teams werden auf Oceanblogs im Laufe der nächsten 6 Monate regelmäßig über ihre Arbeit berichten.

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Anfang März wurden alle Teilnehmer des diesjährigen Projekts am GEOMAR willkommen geheißen.

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Auch die Stadt Kiel hieß die neue GAME-Gruppe im Rathaus offiziell willkommen.

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Diskussionen über den experimentellen Ansatz – in kleinen und in großen Gruppen – sind ein wesentlicher Bestandteil des Vorbereitungskurses.

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Eine globale Studie von diesem Umfang braucht eine gründlicher Vorbereitung. Alle Aspekte des Versuchs müssen durchgesprochen und zwischen den Standorten abgeglichen werden. Mind maps helfen dabei die Übersicht zu behalten.

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Planung mit Stift, Papier und -hier- einigen Minimodellaquarien. Was im März in Kiel theoretisch entworfen wird, muss später an den einzelnen Standorten in die Praxis umgesetzt werden.

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Zur Vorbereitung gehört auch eine Einführung in die Bestimmung von Meerestieren mit Hilfe von Bestimmungsschlüsseln. Schließlich muss jedes Team später wissen, mit welcher Art es arbeitet.

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Dabei ist Austausch gefragt und die Teilnehmer lernen auch von den Erfahrungen der anderen.

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Was könnte es sein?

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Schließlich geht es auch darum alle Methoden vorab schon einmal in der Praxis auszuprobieren. Hier wird in einem Hitzstressexperiment die Reaktion einer Seeanemone auf einen Anstieg der Umgebungstemperatur getestet.

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Ein genauer Blick auf die Reaktion der Seeanemone.

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Die Seeanemone Haliplanella lineata (vorne rechts) diente während der Vorbereitung am GEOMAR als Versuchsorganismus. Die Art ist in der Ostsee invasiv und besiedelt Muschelbänke in der Kieler Förde.