5. und letzter Wochenbericht, 20.10.13 – 27.10.13

Abb. 1: Parasound Profil im Bereich eines Canyons, der in den Schelf einschneidet.

Nachdem wir am 20.10. fünf Kerne im Bereich von Rutschungsablagerungen südlich des Agadir Canyons genommen hatten, zeigten seismische Messungen in der Nacht das stufenförmige Auftreten von Abrisskanten. Diese Abrisskanten sind die Ausganspunkte der Rutschungsablagerungen, und fallen hier mit ausgeprägten Sedimentwellen im Untergrund zusammen. Sedimentwellen und Konturite sind dafür bekannt, potentiell instabil zu sein. Die Verteilung von Sedimentwellen scheint die Lage der einzelnen Abrisskanten in unserem Arbeitsgebiet zu kontrollieren. Da einzelne Abrisskanten über 100 m hoch sind und auch in relativ geringen Wassertiefen von deutlich unter 1000 m auftreten, haben die Rutschungen möglicherweise Tsunamis in der Vergangenheit ausgelöst. Unsere Arbeiten an der Abrisskante des Rutschungskomplexes beendeten wir am 21.10. morgens mit einer Kernstation unmittelbar unterhalb einer der Abrisskanten, da dort die Gleitfläche der Rutschung mit unserem Schwerelot erreicht werden konnte. Der Kern zeigt in einer Tiefe von ca. 1 m einen deutlichen Wechsel von hemipelagischem zu sehr stark konsolidiertem Material, das die Gleitfläche darstellt.

Die nächsten drei Tage arbeiteten wir vor allem auf dem Schelf, um den Sedimenttransport in das Agadir-Canyon-System zu untersuchen. Hydroakustische Profile zeigen einen variablen Aufbau des Schelfs mit zahlreichen anstehenden Basement-Strukturen, einem relativ schwach ausgebildeten Mudbelt und einigen Bereiche mit Sedimentwellen. Generell befinden sich auf dem Schelf wenig quartäre Sedimente. Gekippte und verfaltete Basementstrukturen stehen an vielen Stellen direkt am Meeresboden an. Es gibt keine eingeschnittenen Täler, die zu Zeiten von Meeresspiegeltiefständen direkte Sedimenttransportwege zum Hang gewesen sind. Eine Ausnahme bildet ein Neben-Canyon des Agadir-Canyons, der ca. 100 km südlich das Hauptcanyons in den Schelf einschneidet (Abb. 1). Zwar lässt sich auch dieser Einschnitt nicht bis an die Küste verfolgen, er stellt jedoch eine Falle für junge Sedimente dar. Vier Großkastengreifer in diesem Bereich zeigen, dass es sich bei den Sedimenten vor allem um feine Sande handelt, die sich nicht mit dem Schwerelot beproben lassen. Ein Schwerelot in ca. 800 m Wassertiefe in der Achse des Canyons erbrachte zwar nur ca. 1.5 m Kerngewinn; Turbidite in diesem Kern zeigen jedoch an, dass in der jüngeren Vergangenheit Sedimente durch diesen Canyon in das Agadir-Canyon-System transportiert worden sind. Daher entschlossen wir uns, den Canyon in der Nacht auf den 24.10. mittels der hydroakustischen Systeme der Merian zu kartieren. Der Verlauf des Canyons ist ganz wesentlich durch Diapire kontrolliert. Der 24.10. wurde für weitere geologische Beprobungen auf dem Schelf genutzt. Der bereits erwähnte Mudbelt breitet sich vor allem vor der Mündung des Sous-Rivers nach Norden aus, zeigt allerdings nur eine Mächtigkeit von knapp 5 m. Er reicht nicht bis zum Agadir-Canyon, der ca. 50 km nördlich der Mündung des Flusses liegt. Der Schelfbereich oberhalb des Agadir Canyons ist fast frei von jüngeren Sedimenten, was darauf hindeutet, dass der Canyon zurzeit nicht aktiv ist. Die Arbeiten auf dem Schelf endeten am späten Abend des 24.10.

Abb. 2: Bathymetrische Karte des Kaltwasser-Korallengebiets.

Abb. 2: Bathymetrische Karte des Kaltwasser-Korallengebiets.

Das folgende Arbeitsgebiet war der Bereich von Kaltwasserkorallen, in dem wir bereits zu Beginn der Fahrt eine einzelne Probe genommen hatten. Zusätzliche bathymetrische Daten (Abb. 2) zeigen, dass ein Gebiet von ca. 400 km2 in Wassertiefen zwischen 650 m und 850 m mit Hügeln von bis zu 15 m Höhe übersät ist. Über das Gebiet verteilt wurden 6 Großkastengreifer genommen. Nachdem sich in den ersten 4 Kästen nur tote Lophelien befanden, befanden sich in den beiden letzten Kästen auch zahlreiche lebende Kaltwasserkorallen Lophelia pertusa (Abb. 3). Das ist als großer Erfolg zu verzeichnen, zumal wir ohne bildgebende Gerätschaften unterwegs sind und uns ‚nur‘ auf das geophysikalische Datenmaterial berufen haben, um die Positionen für die Großkastengreifer festzulegen. An der Stelle mit der größten Artenvielfalt haben wir daraufhin eine Jo-Jo-CTD gefahren, d.h. eine stündlich wiederholte CTD über einen Zeitraum von 13 Stunden. Mit diesen Wiederholungen sind wir nach Auswertung aller Daten imstande, einen vollen Tidezyklus zu analysieren. Alle anderen zuvor mit dem Großkastengreifer beprobten Stationen haben wir im Anschluss abermals angefahren und jeweils ein einzelnes CTD-Profil gefahren, um die unterschiedliche Wassermassen über den Lophelien untersuchen zu können. Nach der Datenanalyse – Abb. 4 zeigt als Beispiel ein Profil aus unserem Datensatz – wird es uns möglich sein, die Unterschiede der hydro- geophysikalischen Parameter zwischen den toten und den lebenden Lophelia pertusa heraus zu arbeiten.

Abb. 3: Der Inhalt des Großkastengreifers mit artenreicher Vielfalt und lebenden Lophelia pertusa.

Abb. 3: Der Inhalt des Großkastengreifers mit artenreicher Vielfalt und lebenden Lophelia pertusa.

 

Abb. 4: CTD–Profil (Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff) und ein T-S-Diagramm zum obigen Kastengreifer (NACW = North Atlantic Current Water).

Abb. 4: CTD–Profil (Temperatur, Salzgehalt, Sauerstoff) und ein T-S-Diagramm zum obigen Kastengreifer (NACW = North Atlantic Current Water).

Die Zeit bis zum Ablaufen werden wir nutzen, um weitere Daten und Proben vom Agadir Canyon zu sammeln. Eine Station heute Morgen zeigte grobe turbiditsiche Ablagerungen ca. 400 m oberhalb des Canyon-Bodens. Dabei muss es sich um extrem große und energiereiche Turbidit-Ströme gehandelt haben. Morgen um 22:00h werden wir uns auf den relativ kurzen Transit nach Cádiz machen, wo wir am 30.10. um 08:00h einlaufen werden. Da die Fahrt nun fast vorbei ist, ist es Zeit, ein erstes kurzes Fazit zu ziehen. Die Maria S. Merian Fahrt MSM32 kann als voller Erfolg gewertet werden. Wir haben zu allen Fragestellungen vielversprechende Daten gesammelt, teils sogar mehr als wir uns erhofft haben. Die Kombination aus akustischen und geologischen Daten wird es uns ermöglichen, die Morphologie, die Dynamik und die damit verbundenen Geogefahren im Agadir Canyon System detailliert zu untersuchen.

Dies wäre nicht ohne die hervorragende Unterstützung der Besatzung möglich gewesen. Alle Fahrtteilnehmer/innen bedanken sich bei Kapitän Schmidt und der Besatzung für die freundliche Aufnahme und die tolle Unterstützung auf der Merian. Ob es mal wieder eine kurzfristige Änderung des Plans war, der Wunsch nur 2.5 statt 2.8 Knoten zu fahren, oder das Lieblingsessen zum Mittag: Ihr habt durch Euren großen Einsatz und viel Flexibilität alles möglich und damit die Fahrt zu einem Erfolg gemacht. Vielen Dank!

Es grüßt im Namen aller Fahrtteilnehmer,

Sebastian Krastel

Auf See, 31°15’N, 11°50’W