2. Wochenbericht, 30.09.13 – 06.10.13

Abb. 1: TOBI und bathymetrische Daten zeigen zahlreiche kleine Hügel auf dem Meeresboden. Einer dieser Hügel (siehe eingefügtes Profil) wurde mit einem Großkastengreifer beprobt (siehe Abb.2).

Am 01.10.2013 war der lange Transit nach Marokko endlich beendet und das wissenschaftliche Programm startete um 09:00h mit dem Einschalten der hydroakustischen Systeme der Merian. Am selben Tag erreichten wir gegen 15:00h unsere erste Station am Ausgang des El Hadiba Canyons. Der El Hadiba Canyon ist ein ‚kleinerer Canyon‘ ca. 40 nautische Meilen nördlich des Agadir Canyons. Klein heißt in diesem Zusammenhang, dass er immer noch eine Länge von über 200 km hat und am oberen Hang bis zu 1000 m in die umliegenden Sedimente einschneidet. Ziel war es zu überprüfen, ob einer der größten Gravitationsströme im Agadir Becken (das sogenannte Bed 5, Alter ca. 200.000 Jahre, Volumen ca. 160 km3) ganz oder teilweise durch diesen Canyon transportiert worden ist. Zunächst wurde jedoch eine CTD bis
in 4230 m Tiefe gefahren, um einen Überblick über die Wassermassen zu bekommen, ein Geschwindigkeits-Tiefenprofil für die bathymetrischen Systeme zu messen und einen neu aufgespulten Draht zu testen. Zwei kurze Parasoundprofile zur Stationssuche für das Schwerelot zeigten am Rand des Canyon Bereiche mit guter Eindringung. Leider trafen wir auf extrem verfestigte Sedimente und der Kerngewinn war nur ca. 1.2 m. Im Kernfänger war eindeutig eine Erosionsfläche zu erkennen. Jüngere Sedimente müssen von dieser Lokation weg transportiert worden sein. Die Nacht zum 02.10. wurde für hydroakustische Profilierungen auf dem Weg in das erste richtige Arbeitsgebiet nördlich des Agadir-Canyons genutzt. Alte spanische Sediment-Echolotdaten zeigen mögliche Kaltwasser-Korallenriffe in diesem Gebiet. Im Rahmen der MSM32-Fahrt soll überprüft werden, ob es dort wirklich Kaltwasser-
Korallenriffe gibt, und falls ja, ob es sich um lebende Korallen handelt. In diesem Gebiet kam es zu einem ersten Einsatz des TOBI-Sidescan Sonars. TOBI ist ein tiefgeschlepptes Sidescan Sonar, das mit einer Frequenz von 31 kHz arbeitet und einen 6 km-breiten Streifen auf dem Meeresboden detailliert abbildet. Die Auflösung von Strukturen am Meeresboden beträgt ca. 3 m.

Der erste TOBI-Einsatz verlief problemlos und brachte viel-versprechende Daten. Der Meeresboden im ausgewählten Gebiet ist in Wassertiefen zwischen ca. 580 m und 900 m von kleinen Hügeln übersät. Dies ist ein typischer Tiefenbereich für Kaltwasserkorallen im Atlantischen Ozean. Einzelne Hügel haben einen Durchmesser von bis zu 300 m und eine Höhe von 15 m (Abb.1). Einer dieser Hügel wurde mittels eines Großkastengreifers (GKG) beprobt. Eine optimale Positionierung des GKG war durch den Einsatz von Posidonia gegeben. Der Kastengreifer kam zu einem Drittel gefüllt zurück und schon außen waren zahlreiche tote Lophelia pertusa zu erkennen. Zu unserer großen Freude befanden sich im Kasten auch lebende Kaltwasser-Korallen (Abb.2). Unseres Wissens nach ist dies der erste Fund von lebenden Kaltwasser-Korallen vor der Küste Marokkos außerhalb des Golfs von Cádiz. Insofern stellen sie ein wichtiges Bindeglied zwischen den bekannten Funden im Golf von Cádiz im Norden und vor der Küste Mauretaniens im Süden dar. Um die hydrographischen Bedingungen für die Korallen zu erfassen, wurde an gleicher Stelle eine Rosette/CTD gefahren. Wir werden im späteren Verlauf der Reise zu dieser Station zurückkehren, um eine Jo-Jo-CTD über einen vollen Tidenzyklus zu fahren.

Abb 2: Links: Begeisterung am Großkastengreifer, in dem sich lebende Lophelia pertusa (rechts) befinden.

Abb 2: Links: Begeisterung am Großkastengreifer, in dem sich lebende Lophelia pertusa
(rechts) befinden.

In der Nacht zum 3.10. kreuzten wir erstmals den Agadir-Canyon, um anschließend große Massenumlagerungen südlich des Canyons zu kartieren. Vereinzelt verfügbare Parasound-Daten deuten in diesem Gebiet große Rutschungsablagerungen an. Am 03.10. nahmen wir an zwei Stationen Proben mittels Schwerelot und Großkastengreifer. Die erste Station lag innerhalb der Rutschungsablagerungen, während die akustischen Daten ungestörte Sedimente für die zweite Station abbildeten. Zu unserer Überraschung war der Kerngewinn an der potentiellen Rutschungsstation mit 7,70 m deutlich größer als an der ungestörten Station (ca. 3.30 m). Trotz des klaren akustischen Bildes haben wir in den Sedimenten des Rutschungskerns keine eindeutigen Hinweise auf umgelagertes Material gefunden. Eventuell handelt es sich um große gerutschte Blöcke, deren interne Struktur intakt geblieben ist. Nach der Beendigung der Stationen haben wir 2 lange seismische Profile von ca. 3000 m Wassertiefe bis an die Schelfkante aufgezeichnet. Diese Profile zeigen neben den oberflächennahen Rutschkörpern auch viele große sediment-bedeckte Rutschkörper. Zudem treten zahlreiche Diapire auf, die Ausgangspunkt für kleinere Rutschungen sind. Die seismischen Profile zeigen ebenfalls, dass es einen Haupttransportweg für Rutschungen in den Agadir-Canyon gibt.

Um das Herkunftsgebiet dieser großen Massenumlagerungen zu finden, begannen wir am 05.10. morgens Teile des Hanges systematisch mit den hydroakustischen Systemen der Merian zu kartieren. Die bathymetrischen Daten zeigen ein komplexes Muster aus Massenumlagerungen mit vielen internen Abrisskanten, kleineren Kanälen und unterschiedlichen Erscheinungsbildern der umgelagerten Sedimente. Die Echtzeitanalyse der Daten erlaubte es uns, die Lage der Abrisskante immer weiter einzugrenzen und am 06.10 im Laufe des Vormittgas passierten wir zum ersten Mal die gesuchte Hauptabrisskante, die teilweise über 150 m hoch ist. Das komplexe Muster deutet auf ein mehrstufiges Versagen des Hanges hin. Vermutlich stammen viele der Sedimente im Agadir-Becken ursprünglich aus diesem Gebiet. Um die Rutschungsablagerungen näher zu charakterisieren, nehmen wir zurzeit erste Schwerelote direkt unterhalb der Abrisskante. Ab morgen sollen dann die Rutschungsablagerungen detailliert mittels TOBI und Seismik vermessen werden.

An Bord geht es allen gut. Wir genießen die Wärme, das gute Essen, und insbesondere die vielversprechenden ersten wissenschaftlichen Ergebnisse.

Mit den besten Wünschen grüßt im Namen aller Fahrtteilnehmer

Sebastian Krastel

Auf See, 29°15’N, 10°40’W

Abb. 3: Neue bathymetrische Karte eines Rutschungskomplexes südlich des Agadir Canyons .

Abb. 3: Neue bathymetrische Karte eines Rutschungskomplexes südlich des Agadir Canyons .